Ich bin ja der Meinung, dass ein gut geschriebener Plot, dem Spielleiter "Eingriffe, die dem Spieler als unplausible Schienenfuehrung auffallen, "weitestgehend ersparen kann.
Ich meine, dass sowas stark von der Gruppe, in der man spielt, abhängig ist.
In einer Gruppe, die proaktiv spielt, genug Vertrauen in ihren SpL hat und ihn gut genug kennt, um seine unterschwellige "Spielleiterkörpersprache" zu verstehen, wirst Du recht haben.
Denn diese Runde versteht die Signale, die der Spielleiter aussendet, möchte dem Plot folgen und vertraut darauf, dass aus dem "Folgen" nichts negatives erwächst.
Das macht aber nicht jede Gruppe.
Ich hatte gestern zufällig ein Gespräch abends mit einem meiner Spieler, bei dem das Thema "was ich an Spielern eines anderen bekannten Systems nicht mag ist, dass sie immer wieder sehr stereotyp eine 'ich-spiele-jetzt-meinen-Charakter-und-was-ihr-anderen-macht-oder-ob-der-Plot-dabei-weitergespielt-wird-ist-mir-völlig-egal!" Attitüde an den Tag legen und sich eben von der "mein-Charakter-ist-aber-so" Haltung nicht trennen können. Das scheint eine gar nicht so untypische Einstellung bei Spielern dieses Systems zu sein.
(Ich vermute aber auch, dass es eine Altersfrage ist. Als ich jünger war, war ich auch wesentlich "ich-zentrierter"...)
Und kurz gesagt: Dann klappt das nicht mit der Plotverfolgung.
Entweder wird er (lange) ignoriert, weil die Gruppe "irgendwas" macht.
Oder er wird bewusst nicht verfolgt, weil immer irgendwer was dagegen hat, weil sein Charakter eben so ist.
Aber dann sollte man sich mal überlegen, warum man zusammenspielt und was man beim Spiel erwartet...
Ich würde im übrigen von Plotorientierung sprechen und nicht von Manipulation.
Denn genau genommen findet in der zwischenmenschlichen Kommunikation immer irgendwelche "Beeinflussung" (Manipulation) statt und insofern ist das negativ behaftete Wort im Zusammenhang mit dem Rollenspiel eigentlich überflüssig.
Was kann denn der Spielleiter machen, wenn er die gespielte Story einem vorbereiteten Plot entlanglaufen lassen möchte?1. Er kann Hinweisschilder aufstellen, wo es lang geht. Diese müssen nicht immer offensichtlich sein - ich sprach von "Spielleiter-Körpersprache", die oft genug ausreicht, um zu erkennen, wo es langgehen soll.
2. Er kann "Hügel und Täler" modellieren, so dass es bergauf geht (schwieriger wird), wenn man sich vom Plot entfernt und bergab (einfacher), wenn man sich ihm annähert. ("Zuckerbrot und Peitsche")
3. Er kann Fake-Wege abbilden, die aber gar keine sind, weil sie letztendlich doch wieder zum Plot führen oder Sackgassen darstellen.
4. Er kann (unüberwindbare) Mauern aufbauen, die die Leute auf der Einbahnstraße namens Plot halten.
Ich glaube,
erstens ist normales Rollenspiel. Spielleiter und Spieler arbeiten immer mit irgendwelchen Hinweisen, um ihre Intentionen aufzuzeigen.
Vor allem findet sowas oft automatisch, unbewusst und unterschwellig als Form der normallen Kommunikation statt.
Zweitens stellt schon eine klare Beeinflussung dar, die aber keinen echten Zwang darstellt. Man kann sie ignorieren und den steinigen Weg gehen.
Geht man andere Wege, zwingt man den Spielleiter zur Improvisation.
Drittens ist für mich das, was immer als Illusionismus bezeichnet wird. Es scheint alternative Storyentwicklungen zu geben, aber letztendlich führen alle gangbaren Wege zum Plot zurück und andere Wege erweisen sich bei näherer Betrachtung als Sackgasse. Der Spielleiter suggeriert den Spielern, dass sie eine Wahl haben.
Tja und
viertens und letztens ist die Brachialmethode, die klar erkennbare Einschienenbahn. Wer darauf Platz nimmt, weiß, dass sie nur dahin fährt, wo das Stellwerk den Weg vorgeplant hat. Wer (ein wenig Erfahrung im RSP vorausgesetzt) behauptet, dies nicht zu merken, der ignoriert es willentlich. Eigentlich kann man es nicht übersehen.
So, und was erlebt man jetzt wie oft im Spiel?
Ich bin mal so frei und behaupte:
- Nummer vier erlebt man nur in wirklich miesen Kaufabenteuern, die heutzutage nicht mehr veröffentlicht würden oder bei wirklichlich unerfahrenen (oder grottenschlechten) Abenteuern. Sowas gibt es einfach nicht (mehr). Trotzdem hat das Erleben früher einmal einige massiv geprägt. Wer sich viertens vornimmt, nutzt historisches aus um aktuell Strohpuppen aufzustellen.
- Nummer drei ist das, was wir den schlechten Kaufabenteuern vorwerfen. Eigentlich sollte der Spielleiter diese aussortieren können, bevor sie gespielt werden.
- Nummer zwei ist das, was wir in den meisten Kaufabenteuern vorfinden und wie auch viele Gruppen spielen.
- Nummer eins findet sogar im Sandboxing statt, schlicht, weil man unterschwellige und unbewusste Kommunikation nicht verhindern kann, wenn man miteinander spielt.
Und jetzt zurück zum Topic: Angst vor Railroading? Warum eigentlich?
Es ist doch offensichtlich, dass man RR (Typ 3+4) schnell erkennen kann und dass es kaum noch stattfindet, wenn man eine Spielrunde mit nur ein bisschen Sozialkompetenz und Spielerfahrung hat.
Und wenn, dann redet man drüber.
Insofern ist es doch eigentlich die Angst vor unerfahrenen Rollenspielleitern mit mangelnder Sozialkompetenz.