Ich klaue zumindest den Aufmacher des Chars (und meistens auch den Namen, weil ich in sowas gräßlich unkreativ bin) ganz hemmungslos aus Büchern, Filmen oder sonstigen Quellen.
Meistens spukt mir dann eine Szene im Kopf herum, die der Charakter in der Runde haben könnte.
Das wälze ich dann eine Zeitlang in meinem Kopf hin und her, setze mich an die Tastatur und fange an zu tippen. Den Anfang mache ich oft (aber nicht immer) mit etwas, was die Ideengebende Figur auch erlebt hat, der Rest entwickelt sich dann beim Schreiben. Die Geschichte wird von mir grundsätzlich aus der Ich-Perspektive geschrieben. Ich finde, damit bekommt man einfach einen direkteren Bezug zum Char, seinen Zielen und Motivationen und seiner Psyche.
Das Schreiben (und gleichzeitige Entwickeln der Geschichte) geschieht meist aus einem Rutsch und wird dann, wie auch bei Vermi gegebenenfalls im Verlauf der ersten Spielsitzung angepasst.
Ein (wie ich finde gelungenes) Beispiel für die Vorgehensweise ist mein Ki-Adept für Shadowrun. Die Kindheitsgeschichte ist 1 zu 1 aus den "Preacher"-Comics von Garth Ennis und Steve Dillion übernommen, ebenso wie die Tatsache, daß der Mann bei der GSG9 war.
Alles andere ist in einem Rutsch aus meiner Feder entstanden:
Es war einmal ein kleiner Junge. Sein Vater war ein deutscher Colonel der MET2000. Seine Mutter, eine Britin, starb, als er noch sehr jung war. Er sah seinen Vater selten und hatte keine Freunde, die der Rede wert gewesen wären.
Kinder sind wilde kleine Geschöpfe. Der Dschungel ist in ihnen, und die Wildnis. Gelegentlich erscheint eines, in dem der Dschungel kocht und tobt, und mit diesem einen kommt Chaos.
Und unter Kindern ist Chaos eine Sache von Steinen und Blut.
Es gab solch einen Jungen der zur gleichen Schule ging, wie unser kleiner Junge, mit blitzenden Augen und einem Reißzahnlächeln, und er scharte Anhänger um sich, die so sehr wie er sein wollten...
Und der Tyrann und seine Meute sahen den kleinen Jungen, der ruhig und unauffällig war weil er dachte, dadurch würde er in Ruhe gelassen werden – was er mochte, denn er hatte gelernt, auf diese Art zu leben...
Und sie hassten ihn dafür.
Sie brachten den Dschungel in seine geordnete kleine Welt.
Sie erwischten ihn, als er allein war, und die Meute hielt ihn fest, und der Anführer nahm eine Glasscherbe und sagte „Ein Stern für Stern“.
Die Meute sah das Feuer in den Augen ihres Meisters, und einige waren erschrocken und andere erregt, aber wie auch immer – sie hielten den kleinen Jungen fest.
Und er wurde fünf mal geschnitten; und sein Auge wurde herausgerissen; und er schrie so laut, dass seine Stimme von diesem Tag an ein hässliches, kratziges Ding wurde; und in der fiebrigen Nacht die folgte, fiel sein Haar fiel büschelweise aus und wuchs nie wieder nach.
Er war fünf.
Aber:
Er sagte kein Wort, der kleine Junge. Weigerte sich, Namen zu nennen, anzuklagen, überhaupt über die Angelegenheit zu sprechen. „Er muss traumatisiert sein“ sagte sein Vater.
Aber vielleicht hatte er auch das Feuer in den Augen seines Peinigers gesehen. Vielleicht hatte er etwas von der Natur des Chaos verstanden. Hatte gesehen, dass es nicht gezähmt werden konnte. Vielleicht hatte er seine eigenen Vorstellungen von Vergeltung.
Vielleicht wollte er sichergehen, dass nichts diese Jungen miteinander in Verbindung bringen würde außer der Tatsache, dass sie alle das Opfer von Tragödien werden würden.
Kindheitstode. Mindestens ein Jahr auseinander liegend.
Einer ertrank in einem Fluss.
Einer wurde unter einem Auto zerschmettert.
Zwei waren nützlicher weise Brüder und verbrannten zu Tode, als ihr Heim in Flammen aufging.
Der Führer der Meute trank Unkrautvernichtungsmittel. Als man ihn fand, war sein Rückgrat derart nach hinten verbogen, dass seine Füße seinen Hals berührten.
Dieser Letzte am zehnten Geburtstag des kleinen Jungen.
Geduld.
Entschlossenheit.
Geschick.
...und Hass.
Nun, wie Sie sich sicherlich vorstellen können war hatte mein Vater durchaus recht: Ich war durch dieses kleine Erlebnis in der Tat traumatisiert worden – nur nicht in der Art, wie er sich das vorstellte. Was dadurch in mir erzeugt wurde war keine Furcht und mein Unterbewusstsein hatte es auch nicht verdrängt – im Gegenteil: Ich erinnere mich bis heute an jede Millisekunde, an jedes kleine Detail dieses Tages.
Natürlich hatte ich Angst, als es geschah – aber diese Furcht verwandelte sich in eiskalt brennenden Hass und einen beinahe überwältigenden Drang nach Rache. Ich fasste noch in der gleichen Nacht zwei Beschlüsse, die meinen zukünftigen Werdegang auf ewig prägen sollten:
Einerseits, dass mir so etwas nie wieder geschehen würde – koste es was es wolle. Ich lernte, mich zu verteidigen, trainierte verbissen verschiedene Kampftechniken, überredete meinen Vater, mich auf den Schießstand seiner Einheit mitzunehmen und übte mich im Ertragen von Schmerzen. Da ich allen Grund hatte, mich zu konzentrieren war ich ein hervorragender Schüler der schon bald von seinem Sensei eine gezielte Förderung erhielt – so wurde auch in meinem 11. Lebensjahr meine magische Begabung entdeckt.
Der zweite Entschluss war, dass ich das Chaos, die Wildnis, das sinnlose Zerstören und verletzen allein aus Freude daran mit allen Mitteln bekämpfen würde – koste es, was es wolle.
Mir war schon recht früh klar, dass das eine Lebensaufgabe werden würde, jedoch glaubte ich damals noch, dass ich das auf direktem Wege erreichen konnte, indem ich Schwächeren beistand und das Chaos im Kleinen bekämpfte, wo ich ihm begegnete.
Aus diesem Grund bewarb ich mich mit 18 Jahren gleich nach meinem Abitur bei der Polizei, wo ich dank meiner hervorragenden Noten und meiner magischen Begabung auch angenommen wurde. Von Anfang an richtete ich all meine Energie und meine nicht unbeträchtliche Willenskraft und Entschlossenheit darauf, zur GSG9 versetzt zu werden, was mir auch mit 21 Jahren gelang.
Anfangs machte ich eine steile Karriere. Natürlich eckte ich an und meine manchmal „antidemokratischen“ Ansichten waren auch oft Grund für Rügen seitens meiner Vorgesetzten, andererseits waren meine Fähigkeiten und meine Erfolgsquote immer ausreichend, solche kleinen Mängel mehr als auszugleichen. Mit der Zeit begann ich jedoch, mehr und mehr unzufrieden zu werden. All meine Bemühungen schienen nicht ausreichend, das Chaos einzudämmen, im Gegenteil: Die Situation schien sich kontinuierlich zu verschlimmern.
Meine Hinweise darauf, meine Briefe an Abgeordnete und meine Vorgesetzten, die Finanzmittel für die Polizei sowie deren Befugnisse drastisch zu erhöhen wurden ignoriert. Nach und nach gelangte ich zu der Erkenntnis, dass ich mein Ziel nicht auf dem eingeschlagenen Weg würde erreichen können. Ich befand mich in einem Krieg, einem Krieg gegen das Chaos. Und im Krieg kann nicht auf jedes Individuum Rücksicht genommen werden. Ich erkannte, dass ich diesen Krieg nicht gewinnen würde, indem ich Schwächeren direkt beistand. Nein, die Welt, die gesamte Struktur der Gesellschaft musste zerstört werden um ein Utopia zu schaffen, in dem solche Dinge wie sie mir widerfahren waren nicht mehr vorkommen konnten.
Natürlich kam ich nicht über Nacht zu dieser Erkenntnis, das war ein langsamer Prozess. In meinen 5 Jahren bei der GSG9 wurde ich immer unzufriedener, und das mangelnde Verständnis meiner idiotischen Vorgesetzten für die Lage der Welt und der fehlende Weitblick wurde immer störender. Immer häufiger kam es zu Disziplinarverfahren wegen „unangemessener Brutalität“, „mangelndem Feingefühl“ und ähnlichem Schwachsinn. Als könnte man einen Krieg gewinnen, indem man mit dem Finger droht – diese Schwachsinnigen!!! Meine Karriere kam zum Stillstand, als ich den Rang eines Hauptmanns erreicht hatte.
Eines Tages hatte kam es zu einem Einsatz, bei dem 9 mit automatischen Waffen und Sprengstoff bewaffnete Terroristen eine Schule besetzt hatten. 57 Geiseln, davon 51 Kinder im Alter von 9 bis 13 Jahren. Die Terroristen hatten noch nicht einmal Forderungen gestellt, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie Das ganze Gebäude inklusive sich selbst in die Luft sprengen, und die Arschlöcher in den Chefetagen hatten nicht einmal die Eier, sich das einzugestehen.
2 GSG9-Einsatzteams waren vor Ort, ich war der ranghöchste Offizier. Ich sagte den anderen Männern, wir hätten Befehl zum Sturm erhalten. Dem war nicht so, aber man glaubte mir. Es gab 4 Opfer unter den Geiseln, davon ein Lehrer und eine Schusswunde bei einem Polizisten. Ein Nachtangriff mit 2 Teams, 57 Geiseln, 9 bis an die Zähne bewaffnete und zu allem entschlossene Terroristen und nur 4 Todesopfer, objektiv betrachtet eine Meisterleistung – zumal wenn man bedenkt, was passiert wäre, bis die Wichser in Bonn den Finger aus dem Arsch gezogen hätten und zu dem gleichen Schluss gekommen wären wie ich, nämlich dass stürmen die einzige Möglichkeit war.
Im Nachhinein wurde festgestellt, dass ich recht hatte: die Sprengladungen im Gebäude (insgesamt 17 kg C12) hatten keinen Funk- sondern einen Zeitzünder. 4 Todesopfer – 94 Minuten später wären es 57 gewesen. Aus diesem Grunde kam ich um eine Gefängnisstrafe herum, aber trotzdem konnte man diese Befehlsverweigerung nicht hinnehmen – ich wurde unehrenhaft entlassen. Das störte mich aber recht wenig, denn ich hatte schon zum Zeitpunkt des Sturmbefehls beschlossen, dass ich meine Befehle nicht länger von Idioten entgegennehmen wollte, deren einziges Verdienst es war, dass eine Herde Schafe sie attraktiver fand als andere Idioten. Also schiss ich dem Polizeipräsidenten zum Abschied noch einen großen Haufen vor die Bürotür, und ging, um den Krieg auf meine Weise führen zu können.
Ich forderte ein paar Gefallen ein, um meine SIN mit allen Einträgen vollständig zu löschen und mir Ausrüstung zu besorgen und tauchte in Berlin unter, um mich auf den Kampf vorzubereiten. In Berlin herrscht Chaos und Anarchie – also genau das, was ich bekämpfen will. Und gibt es einen besseren Weg, seinen Feind zu bekämpfen, als ihn genau zu kennen?
Ich führe einen Krieg.
Und ich würde eine Million Kinder töten, um ihn zu gewinnen.