Die gar grausige Geschichte vom Dieb auf Burg Schlottersgrund
Auf seinem Burggut Schlottersgrund
da lebt schon lang ein Graf mit Hund
und seinen starken Wachen, rund
ein Dutzend.
Die Wachen wurden nötig als
der Reichtum auf der Adelspfalz
sich mehrte und der Grafenhals
bedroht war.
Den Wächtern eilt ihr Ruf voraus
und gut gesichert schien das Haus
vor habgierigen Schuften aus
der Fremde.
In einer sternenlosen Nacht
jedoch ein Dieb zerhaut mit Macht
die Fensterscheiben, dass es kracht,
in Scherben.
Und voller Frechheit dringt er ein,
grinst arglistig in sich hinein,
doch sieht kein Gold im Kerzenschein
schön funkeln.
"Der Graf hat,", denkt der Dieb bei sich,
"das Gold versteckt ganz sicherlich!
Ich muss es also lediglich
entdecken."
Die ganze Burg durchsucht er, doch,
wo er auch schaut, in jedem Loch,
der Berg an Münzen bleibt ihm noch
verborgen.
Der Dieb brummt leis' in sich hinein:
"Das Gold wird wohl im Keller sein,
zusammen mit dem teuren Wein
in Fässern."
"Wie gut", denkt er sich weiterhin,
"das ich so ein ganz Leiser bin."
Und dann nimmt er die Leiter in
den Keller.
"Ein andrer hätt' die Wachen schon
geweckt mit einem lauten Ton,
die schlafen schön", denkt er voll Hohn,
"im Dienste."
Und ahnungslos betritt der Schuft
des Grafen familiäre Gruft
wo kühle, moderige Luft
im Raum hängt.
Er atmet tief und gibt sich stark,
doch trifft ein Schauder ihn ins Mark,
denn schwach beleuchtet steht ein Sarg
im Keller!
Der Dieb macht äußerst vorsichtig
ein Schrittchen in die adelig-
e Gruft als plötzlich gruselig
ein Wind heult!
Der Schuft will geh'n, es wird ihm Bang,
doch fällt mit einem lauten Klang
die Tür zum rückweglichen Gang
ins Schlosse.
Nur schwach erhellt durch Fackelschein
steht er im Keller ganz allein.
Er tritt nervös von einem Bein
aufs and're.
Da knackt es laut! Die Angst ist groß,
so stürzt der Dieb in Panik los
und er verirrt sich hoffnungslos
im Keller.
Das Licht der Fackel erlischt ganz
und mit ihm auch der Schatten Tanz.
Es bleibt nur letzter, dünner Glanz
der Glut noch.
Der Dieb, im Dunkeln eingesperrt,
erspürt wie etwas an ihm zerrt,
er dreht sich um und sieht die bärt-
gen Wachen.
Es sind, wie schon bekannt ihm war,
ein Dutzend in der wilden Schar.
Ihr Griff ist fest, ihr Blick ist starr
und grimmig.
Der Kopf der Wachen ist ein Troll,
der so ist, wie ein Troll es soll:
Die Keule groß, der Kopf ist voll
der Bosheit.
Der Räuber windet sich und schreit:
"Zu Sterben bin ich nicht bereit!
Zu kurz war mir noch meine Zeit
im Leben!"
Doch all sein Fleh'n bleibt unerhört,
weil es die Wachen wenig stört.
Er wird, obgleich er sich empört,
verprügelt.
Nach unten reisst der Wucht ihn schier,
er schreit und wehrt sich wie ein Tier
doch halten ihn die Wachen hier
am Boden.
Am Ende greift er sich ans Herz,
in dem er spürt unwohlen Schmerz,
und ohne einen letzten Scherz
verstirbt er.
Am nächsten Morgen - siehe da -
der Keller wieder freundlich war.
Der Graf betritt mit seiner Schar
den Schauplatz.
Er sieht in einem tiefen Schatten
den Toten unter schweren Latten.
Es nagen neugierige Ratten
am Fleische.
Der Graf verlangt nach dem Bericht.
Der Oberste der Wachen spricht:
"Der Mann hat wenig angericht'
im Schlosse."
"Er wirkte irgendwie verwirrt
und hat im Keller sich verirrt.
Wir hatten hier eingesperrt
in Dunkeln."
"Er kam hier ganz alleine rein
und schrie dann plötzlich auf in Pein.
Er muss vor Angst verstorben sein,
der Ärmste."
Es wird des Diebs sterbliche Hülle
alsbald verscharrt in aller Stille,
wie es der burggräfliche Wille
befohlen.
Nun schwebt auf Burggut Schlottersgrund
der Geist des Diebes seine Rund'
der flehentlich das Gold sucht und
den Ausgang.
Und die Moral von der Geschicht':
Beraube keine Grafen nicht,
wenn dich im Dunkeln ohne Licht
die Furcht packt.