Ich denke, was viele Leute an dem Poolsystem stört, ist, dass man seinen Charakter nicht "erleben" kann. Bei einem System, wo Erfolg und Misserfolg allein von der Kompetenz des Charakters und der Schwierigkeit der Aufgabe plus einem Zufallsfaktor entschieden werden, kann ich sagen, wünschen und hoffen, dass mein Charakter in einer Situation etwas tut, aber schiebe im Prinzip alle Verantwortung auf den Würfel. Ich übernehme keine Verantwortung, sondern kann gewissermaßen als Zuschauer mit angehaltenem Atem hilflos zusehen, was passiert.
Ich kann nachvollziehen, dass das einen gewissen Spannungsfaktor bietet. Andererseits finde ich es auch unbefriedigend, weil das Ergebnis völlig zufällig ist. Natürlich wird ein kompetenter Charakter häufiger mit Erfolg rechnen können, aber es kann immer passieren, dass der kompetente Charakter in einem wichtigen Moment in seiner speziellen Nische völlig auf die Schnauze fliegt, während der Gruppentrottel durch unverschämtes Glück den Tag rettet. So etwas passiert im wirklichen Leben durchaus, aber in Filmen und Büchern fast nie. Weil in der Fiktion nicht nur Kompetenz und Herausforderungsgrad eine Rolle spielen, sondern auch Dramaturgie und Schicksal.
Ein beliebiges Kabel durchzuschneiden, wenn der Countdown auf 00:01 springt oder die Zielvorrichtung abzuschalten, bevor man den Protonentorpedo in den Luftschacht schießt, sollte die Erfolgsaussichten realistischerweise senken, tatsächlich hebt es sie in einer Geschichte aber auf 100%. Und wir akzeptieren das, weil wir diese Auflösung der Handlung als befriedigender empfinden als jede Alternative.
GUMSHOE ermöglicht diesen dramaturgisch befriedigenden Ansatz, allerdings muss der Spieler dafür auch die Verantwortung übernehmen und kann sie nicht an den Würfel delegieren.
Ich habe auch noch eine weitere Frage:
Teilt ihr den Spielern die Schwierigkeit vorher mit, so dass sie sich ganz bewusst entscheiden können, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie Erfolg haben wollen? Oder habt ihr bessere Erfahrungen damit gemacht die Schwierigkeit zu verschweigen?
Bei
Trail of Cthulhu teile ich Schwierigkeiten von Proben grundsätzlich nie mit. Bei
Nights Black Agents eigentlich immer. Im ersten Fall geht es mir darum, das Ausgeliefertsein der Charaktere und die Unwägbarkeit des Geschehens abzubilden. Bei den Agenten will ich eher die Kompetenz der Charaktere in den Vordergrund stellen.
Gibt das System den Spielern tatsächlich so große Kontrolle über die Geschichte, wie es sich beim ersten Lesen anhört? Kontrolle, weil die Spieler ja (wenn sie die Schwierigkeit kennen) quasi entscheiden können, wann sie Erfolg haben wollen bzw. wie hoch sie ihre Erfolgswahrscheinlichkeiten haben möchten. Oder wird ein stärkerer Einfluss dadurch verhindert, dass die Spieler nicht wissen, ob hinter der nächsten Ecke noch einmal Gefahren auf sie lauern und sie deshalb eigentlich immer an den Poolpunkten sparen müssen?
Ich würde sagen, das System gibt den Spielern eine relativ große Kontrolle darüber, wie ihr Charakter im Spiel erscheint, aber gar keine Kontrolle über das Spielgeschehen abseits des Charakters.
Ich finde, das passt gut zum Horrorgenre: Einerseits können die Spieler nur ihren Charakter darstellen, die ganze übrige Spielwelt entzieht sich ihrer Kontrolle. Im Prinzip können sie tun, was sie wollen, aber haben keine Ahnung, was das bedeuten könnte und was auf sie lauert.
Andererseits haben sie eine relativ große Kontrolle über die Dinge, in denen ihr Charakter kompetent ist. Das ist wichtig für eine stimmige Darstellung und ermöglicht Momente, die bei rein kompetenzbasierten Proben nur durch Zufall entstehen: Der typische Moment, wo der schwächliche Opfercharakter dem Gegner hinterrücks mit maximaler Wirkung die Bratpfanne überzieht, während der kampfstarke Schläger der Gruppe hilflos am Boden liegt lässt sich damit gezielt herbeiholen, während so etwas in den meisten Systemen reine Glückssache wäre.