Gestern auf den Karlsruher Rollenspieltagen:
Remember TomorrowIch bin so halb zufrieden mit der Runde. Einerseits war diesmal viel SF drin, was ich wirklich super fand. Ein Mitspieler hatte die geniale Idee, seinen Roboter-Bodyguard Canary zu einer vollwertigen Hauptfigur zu machen, die mit einem sehr niedrigen Willing-Parameter und demselben Ziel wie ihr Programmierer startete und sich durch die neue Rolle langsam von ihm zu lösen und eigenständig zu handeln begann. Als Fraktion gab es ein Botnetz mit Bewusstsein - die Mitspielerin dahinter hat das ausgespielt! - auf der Suche nach einer Möglichkeit, seinen verstorbenen Schöpfer wiederzubeleben. Später stellte sich in einem Twist heraus, dass der sein Bewusstsein in den Körper der hochbegabten Schwester unseres Hackers hochgeladen hatte. Auch er wurde zur Hauptfigur mit dem Ziel den fremden Persönlichkeitsrest in seinem neuen Körper endlich rauszuschmeißen und die Kontrolle zu übernehmen. Außerdem mischte noch ein hard-boiled Ermittler/Verschwörungstheoretiker mit. Alle Beteiligten haben die jeweiligen Ziele ihrer Figuren mechanisch viel aggressiver verfolgt als die letzte Con-Runde, so dass es Canary und unserem Programmierer am Ende fast gelungen wäre, seine (mittlerweile ja nicht-mehr-)Schwester zu erreichen, wenn nicht die Fraktion das Face Off gewonnen und sie in der Folge einen leeren Bunker gestürmt hätten. Stattdessen beendete unser PI den one-shot mit seinem Exit, der Zerstörung des Kusanagi Lab von Aoyama Pharmaceuticals, wo illegale Menschenversuche im Gange waren. Ich muss mir echt mal eine Liste mit dem ganzen coolen Kram aus den bisherigen Con-Runden mit RT machen, damit ich ihn für künftige Runden dreist weiterbenutzen kann. Und es hat sich für mich wieder mal gezeigt: RT funktioniert als one-shot, ist aber sowasvon ein Kampagnenrollenspiel!
Schade fand ich diesmal, dass wir teilweise sehr oft und abstrakt über die Regeln gesprochen haben und diese Unterbrechungen gegen Ende spürbar auf Kosten der Beschreibungen ging. Das lag, meine ich, vor allem daran, dass ich es nicht hingekriegt habe, die Rolle der Fraktionen im Hinblick auf die (scheinbar!) passiven Hauptfiguren vernünftig zu erklären. Vielleicht war es aber auch grds. ein dealbreaker für die Runde, die gerne Fraktionen gegen Fraktionen und Hauptfiguren gegen Fraktionen ausgespielt hätte. Das kam im Feedback nicht so ganz raus. Jedenfalls wird das so oft über RT gesagt und "Das ist halt so gedacht" fühlt sich dann immer ein bisschen ausflüchtig an. Aber es schien am Ende doch allen Spaß gemacht zu haben und man überlegt, RT für das Thoule-Rollenspielregal anzuschaffen.
LovecraftesqueDas hat mir richtig Spaß gemacht. Wir haben ein vorgefertigtes Szenario -
Sławomir Wójciks "Catch of the Day" auf den Schwarzwald umgemünzt. Mein Eindruck war, dass sich alle voll in die Horrorgeschichte reingehängt und ihre jeweilige Rolle als Narrator, Witness und Watcher von der ersten Szene an genau so ausgefüllt haben wie vorgesehen, ohne dass weitere Erklärungen oder Hilfestellungen notwendig gewesen wären. Die Szenen waren alle auf den Punkt gespielt. Lediglich die Hinweise und ihre Interpretation haben zwei Mitspielerinnen Probleme gemacht, aber erstens kannten sie das System ja noch nicht und zweitens fängt Lovecraftesque das auf, so dass man weniger davon merkt. Die Clues waren: Eine ausgesaugte Autobatterie (1), eine Art Sternsinger-Inschrift, in den Türrahmen geätzt (2), Der ortskundige Wirt Gunther hat sich beim Abschleppen des Wagens unserer kleinen Reisegruppe verfahren (3), kriechende Geräusche in den Leitungen des alten Gasthofs (4), laut Gästebuch kehren seit über hundert Jahren unwahrscheinlich viele Schmidts ein, mitten in der Nacht kommt wieder einer an (5), unter dem verfaulten Boden der uralten Kapelle im Wald wimmelt es von Maden (6), ein leiser Singsang ertönt von unter der Kapelle (7). Dorthin stieg unsere Hauptfigur Johanna am Ende hinab und übernahm ihre neue Rolle als "Amme", kehrte also von ihrem Wochenendtrip nie zurück. Den final horror hat ein Mitspieler übernommen und gleich gut hinbekommen. Spezialkarten waren im Spiel, wurden aber nicht genutzt. Ansonsten revidiere ich meine Einschätzung, dass die Watcher-Rolle eher überflüssig ist. Das Feedback war positiv, einzig die Hinweise und ihre Interpretation sowie eine Auflösung hinzubekommen, die alle Hinweise aufgreift und erklärt wurden als schwierig empfunden.
Lovecraftesque ist ein hervorragendes Rollenspiel, das ich Horror-Fans, die auf eine SL verzichten wollen, uneingeschränkt empfehlen kann.