"Du musst sogar in Fate powergamen!" sagte mir mal ein Spielleiter, als meine Figur vom Mecha herunter kletterte, den Mr. One Man Army gerade mehr oder minder im Alleingang umgenietet hatte. Mit einer Schrotflinte und einem Seil. Natürlich war das alles over the top, aber definitiv hat diese Figur diese Szene von vorne bis hinten dominiert. Die Frage ist doch, wie man damit umgeht.
Dass eine Figur eine Szene dominiert, ist übrigens im Rollenspiel was völlig Natürliches. Das gehört so. Nennt man neurollenspielerisch Spotlight. Oder Nische. Figuren können verschiedene Sachen verschieden gut. Darum lohnt es sich auch, Charakterblätter anzulegen. Sollten eh alle gleich sein, muss ich die Unterschiede ja nicht festhalten. Treffe ich mit der Gestaltung der Szene den Schtick der einen Figur, dann soll die bitte auch zaubern können. Wozu kaufe ich denn die ganzen Supersonderfähigkeiten? Dass die sozialen Nicht-Kampf-Powergamer nur so selten zum Zug kommen, liegt natürlich auch an all den Leuten, die soziale Sachen nicht würfeln. Das wird ja gerollenspielert.
Also ja, lasst Leute in einzelnen Szenen die Sau raus lassen. Gib ihnen genau das, was sie wollen (und ein bisschen mehr, der Erfolg soll ja nicht verschenkt werden).
Wenn im Umkehrschluss allerdings ein Spieler immer wieder mit seiner Figur alle oder sehr viele Szenen dominiert, dann sollte man sich langsam Gedanken über die Gestaltung des Spiels machen. Und damit meine ich nicht nur die Spielleitung. Wenn ich als Spielleitung frage: "Dungeon?", wenn die Spieler antworten: "Dungeon!" und ich dann eine Kriegerin, einen Philosophielehrer, einen Zahnhygieniker und eine Systemanalytikerin vorgesetzt bekomme, darf ich auch mal meine Runde hinterfragen. Sollte der Klopper Krieger irgendwann durch den Magier redundant werden, darf ich auch mal das System hinterfragen. Es gibt nun ein Mal reichlich Stellen, die einen als EVIL POWERGAMER dastehen lassen, dass es nicht ein Mal die eine Spielerin sein muss, die daran Schuld ist, dass alle anderen nur noch danebenstehen und klatschen (anfangs) oder schimpfen (später dann).
Und selbst wenn ich dann in der dominanten Rolle in dieser Szene bin, muss ich als Spieler da ja auch nicht verharren. Ich schaffe den Mecha also alleine, einfach auch weil meine hübsch stackenden Stunts und Extras mit den entsprechenden Fähigkeiten und Aspekten unterfüttert sind. Auf diese Aliens schießen? Meine Szene! Also zerlege ich nicht den Mecha, sondern klettere oben drauf, damit unsere AI sich über die Wartungsklappe rein hacken kann, obwohl Umnieten wahrscheinlich schneller und leichter gewesen wäre. Lass die anderen also in deine Szene rein bzw. binde sie aktiv ein.
Und wenn es nicht meine Szene ist, mache ich es nicht zu meiner Szene. Was macht mein Brutalokampfklon in der Plauderszene? "Jawohl, Ma'am." - "Sicher, Ma'am." - "Ich stehe dann mal dahinten und starre aufmerksam in die Dunkelheit, Ma'am. Will ja niemanden stören, Ma'am." - "Soll ich jetzt jemandem wehtun, Ma'am? Nur Bescheid sagen, Ma'am." NICHT ... MEINE ... SZENE. Wenn mich jemand anderes einbinden möchte? Gerne. *Knochenbrech* Ansonsten? Die anderen haben auch effiziente Figuren. In anderen Bereichen. Ich muss nicht jede Szene zu meiner Szene machen. Mache ich das dennoch, dann bin ich aber wahrscheinlich doch das Problem in der Runde.
Und so kann jeder freudig vor sich hin powergamen. Und ganz ehrlich haben wir das bei Shadowrun um die Jahrtausendwende auch schon so gemacht. Alter Schwede, was haben wir die Typen bis auf den letzten Nuyen ausgereizt.