Du kennst meine Meinung, Läuterer ...
Ich mag es durchaus, mich im Fluff-Bereich ausleben zu können und vielleicht auch mal einen kleinen Nebenkriegschauplatz auf Charakterebene einzubauen (z.B. immer wieder aufgegriffene Kongo-Hintergründe von Clive in den früheren Runden). Ob die anderen Spieler das immer auch mögen, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls führten ernsthafte PE-Schlenker bislang (in den früheren Runden) im Ergebnis zu nichts, wurde im Spiel also nicht wirklich von den Mitspielern oder Dir aufgegriffen. Das kann dann, wenn man sich mit solchen PE-Aktionen Arbeit gemacht hat und es wiederholt so läuft, domtivierend wirken, weitere Fäden im Wege von PE auszulegen, die dann im Zweifel doch niemand aufgreift. PE macht meines Erachtens nur Sinn, wenn es sich nicht auf den einzelnen Post beschränkt, sondern ernsthaft im weiteren Fortgang des Abenteuers Niederschlag findet. Damit meine ich ausdrücklich ein Aufgreifen durch Spielleiter und Spieler. Allerdings haben die Spieler den Nachteil, dass sie in der Regel nicht erkennen können, ob und wie man solche Nebenstränge sinnvoll in den Plot integrieren kann, ohne sich total zu verzetteln oder den Plot zu "zerstören". Und das Verzetteln (sei es durch mehrere mit einander verwobene Abenteuer oder durch PE oder sonstige Gründe) war m.E. bei den letzten Runden immer ein Problem auf Spielerseite: Viel zu viele Ansätze und Fragen, in denen wir uns verirrt hatten und irgendwann nicht mehr erkannten, wo es sinnvoll weitergehen könnte. Am Schluss war man eigentlich immer ratlos, was man irgendwie "besser" hätte machen können, was für mich dann leicht enttäuschend ist ... in etwa wie ein Film mit einem offenen Ende, das ich nicht verstehe.
(Ich nenne mal ein paar Beispiele für nicht aufgegriffene PE-Aktionen: (a) Cainnechs Festnahme, die ich mit "ausgeschmückt" und dramatisiert habe und die keinen weiteren Anklang im Sinne einer Fortsetzung mehr gefunden hat, obwohl ich mehrfach darum gebeten hatte. Der SC war einfach "weg". Das fand ich sehr schade. (b) Das schwarze Gespinst, das Clive in der Dorfstraße zu sehen glaubte und das er aus dem Kongo kannte. (c) Der Dorfpfarrer und sein zweifelhafter Charakter. (d) Die diversen NSCs die ich als Dorfbevölkerung eingebracht hatte. (e) Auf Herm die Träume der Spieler nach der Begegnung mit dem Jungen. Das war eine tolle Szene, die dann aber irgendwie "verpufft" ist, weil die Alpträume keine weitere Spielrelevanz hatten. Ich hatte gehofft, die würden dann von Dir auch irgendwie aufgegriffen. (f) In dem Nebenthread mit Nyre, in dem Cainnech über Matildes Schlaf wacht, hatte ich dir mehrere Brocken hingeworfen, von denen ich gehofft hattest, Du würdest sie aufgreifen: die Männer auf dem Flur, ein Mann mit Stock oder vielleicht auch Gewehr hinter einem Fenster auf der anderen Straßenseite, ... Aber es kam nichts. ... (g) Der Nagelfetisch und die anderen "Schätze" von Clive wurden nie in das Spiel integriert. Das hätte ich als SL vermutlich - ggf. in Abstimmung mit dem Spieler und ohne diese Hintergründe gleich aufzureiben - getan. (h) Selbiges gilt für die Seelenverbindung zwischen Clive under Afrikanerin. ... Solche Arbeit würde ich mir heute als Spieler nicht mehr machen, weil es im Ergebnis völlig nutzlos war. Die Zeit kann ich dann besser in die Ausarbeitung von Hintergründen eigener Abenteuer investieren. Darum beschränkt sich mein "PE" heute weitgehend auf Momentaufnahmen zur Situationsbeschreibung ohne weitere "Tiefe".)
Für den Spielfluss bewerte ich PE als gefährlich, weil das Risiko besteht, dass sich irgendwann alle zurücklehnen und nicht als "an der Reihe" betrachten. Meine Erfahrung ist bis heute, dass man die Spieler öfters mal ein wenig anschubsen bzw. durch den Handlungsfortgang "ziehen" muss, damit das Spiel nicht an Fahrt verliert und die Spannung verloren geht.
Darum bin ich weiterhin zwiespältig und würde einen Mittelweg präferieren. Etwas mehr "herkömmliche Leitung" fände ich oft nicht schlecht, ohne sagen zu wollen ich empfände das Konzept als "Zumutung". Ich würde eher sagen, die Umsetzung wäre - um mich wirklich zu überzeugen - verbesserungsfähig. Um letzteres zu schaffen brauchte es viel Engagement von allen Seiten. Das würde dann sicher Chancen auf tolle Spielerlebnisse bieten. Die traditionelle Form der Spielleitung erscheint mir dagegen zwar weniger innovativ und modern, aber dafür einfacher, schneller, durch einen vom Spielleiter beherrschen Spannungsbogen oft für die Spieler packender und im Ergebnis daher weniger riskant.
Natürlich ist das nur meine ganz subjektive Betrachtung und Analyse. Ihr mögt das trotz der gleichen Texte, die wir lesen, ganz anders empfinden. Und ich finde es auch interessant, das Konzept bei Dir immer wieder auszutesten. Vermutlich habe ich auch schon einiges davon für mich als Spielleiter adaptiert, in jedem Falle daraus eine Menge gelernt. Vollauf überzeugt hat mich PE als Spielleitungs-Konzept bislang noch nicht. Was nicht ist, kann noch werden ...