Hier ist die Geschichte, wie ich sie mir zusammengereimt habe. Ich kann nicht alles davon belegen.
Bereits in den 80ern gab es Gruppen, die sich von den ursprünglichen Prämissen von D&D und seinen Kindern entfernten. Es gab Systeme wie Everway, Amber Diceless oder Prince Valiant, aber viel verbreiteter waren Runden, die weiter die herkömmlichen Systeme verwendeten, die jedoch einen Spielstil entwickelten, der hier glaube ich mit „Drama“ gemeint ist und der (Achtung Verallgemeinerung) insbesondere durch folgende Elemente gekennzeichnet war:
- Starkes Augenmerk auf Persönlichkeit, Eigenheiten und Motivation der SCs
- Im Verlauf der Kampagne Aufbau eines immer komplexeren Beziehungsgeflechts zu NSCs
- Dynamischer In-Character-Dialog als Königsdisziplin des Rollenspiels
- Abfeiern von Setting-Folklore und politischen/spirituellen/philosophischen Elementen des Settings
- „Stimmung“ oder „Immersion“, so diffus diese Begriffe auch sind, als heiliger Gral
- Ablehnung von „Powergaming“ und „Roll-Playing“
Natürlich war es aus heutiger Sicht absurd, so etwas mit D&D und ähnlichen Systemen zu spielen, und dann auch noch die Leute, die das System für das benutzten, wofür es eigentlich gemacht war, als schlechte Rollenspieler zu verunglimpfen. Auch Systeme wie die World of Darkness, die in der Prosa ganz deutlich die von mir oben genannten Elemente als Spielziel postulierten, blieben in vielem immer noch dem Erbe von D&D verhaftet, „weil ein Rollenspiel solche Regeln halt braucht“.
Wichtig ist aber, zu erkennen, dass viele dieser Gruppen einen äußerst robusten und funktionalen Spielstil entwickelten, sie hatten also ihre Aufgabenteilung, ihre Verhandlungsregeln, ihre Spielpräferenzen absolut sortiert, schleppten halt nur irgendwie immer noch den Ballast dieser Regelwerke mit sich rum.
Dann kam FATE. Viele kritisieren ja zurecht, dass FATE wischi waschi sei, genau das war aber hier von Vorteil: FATE passte sich dem Spielstil dieser Runden an. Auch wenn es an unterschiedlichen Tischen unterschiedliche Gepflogenheiten gab, das war egal, FATE nahm das alles nicht so genau, es ersetzte einfach nur die WoD oder DSA oder Fading Suns oder KULT oder was auch immer da benutzt worden war. Und im Gegensatz zu diesen machte es so ziemlich alles mit, was die Gruppe wollte. Hinzu kamen die Aspekte, die es ermöglichten und auch irgendwo erzwangen, einfach mal laut auszusprechen, was einem an dem Charakter, den man spielt, wirklich wichtig ist. Diese Möglichkeit sogen solche Drama-Runden auf wie ein Schwamm das Wasser.
FATE ist also nicht etwas maßgeschneidert für solche Runden. Sondern FATE war einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort und war
weniger ungeeignet als das, was vorher da war. Und bis heute sind viele dabei geblieben, weil es halt sehr wenige Designtrends gibt, die in Richtung von Drama (wie oben beschrieben) gehen, ohne zugleich auch den ganze Verhandlungsprozess, die Rollen und Verantwortlichkeiten neu und anders regeln zu wollen, woran in den besagten Gruppen überhaupt kein Bedarf bestand, im Gegenteil.