So, bin jetzt auch mal wieder am Rechner und gebe mal ein bisschen unsortierten Senf dazu.
Das Gespräch zwischen Settembrini und mir war die Fortsetzung einer Diskussion um „Style over Substance“ & Co. neulich in einem anderen Forum. Dabei ging es eher anekdotisch um cinematisches Rollenspiel à la 2000er, und mein Gedanke war, dass Liquid & Co. wohl im Wesentlichen als One-Shots oder verlängerte One-Shots gespielt wurden, wohingegen Settembrini erklärtermaßen Kampagnenspieler ist.
Warum ich die Unterscheidung für so wichtig halte? Weil ich glaube, dass sie für viele Missverständnisse verantwortlich ist. Wir reden hier im Tanelorn abstrakt über Rollenspiele, und differenzieren nur selten zwischen Kampagnenspiel und One-Shot. Auf der Forge war es auch so, mit wenigen Ausnahmen wie z.B. beim Reward Cycle, wurde da nicht differenziert. Aber wenn einer eine Kampagne mit 50 Sitzungen im Hinterkopf hat, und der andere irgendwas von 1-5 Sitzungen, dann kann es ziemlich schnell passieren, dass man total aneinander vorbeiredet.
Der einzelne One-Shot braucht Fokus, muss vorankommen, will schließlich in einer einzigen Sitzung (oder einer begrenzten Zahl von Sitzungen) ein Abenteuer oder einen Plot von Anfang bis Ende durchbringen und den Beteiligten ein Gefühl des Abschlusses vermitteln. Er kann und will keine langfristigen Entwicklungen nachvollziehen, daher braucht er z.B. keine großen Entwicklungspotentiale bei Charakteren, und kann direkt mit Badass Motherfuckers starten. Siehe Liquid, siehe FATE. Die Struktur des One-Shots orientiert sich am Pacing, das entweder (traditionell) durch die starke Hand des SL, oder (neuerdings) durch den Currency Flow des Regelwerks, theoretisch natürlich auch auf andere Weise erreicht werden kann. Es ist nicht viel Raum für Irrungen, Wirrungen und Rückschläge. Dazu passt, dass sowohl in Liquid als auch in FATE die Charaktere mechanisch kaum scheitern können. Es geht natürlich auch anders, alles getrimmt auf ein knallhartes Finale mit saftiger TPK-Chance, das ist jetzt weniger mein Stil aber genauso One-Shot-Style.
Die Kampagne hingegen lebt nicht vom Pacing, sondern von der Kontinuität, und sie braucht Wiederholungsreiz. Sie muss daher Abwechslung bieten und kann das auch, weil sie dazu die Zeit hat. Sie muss Entwicklungspotential bieten und damit auch den Spielern in ihrem Verlauf neue Handlungsoptionen eröffnen, hier hat D&D ein echtes Erfolgsmodell mit dem Stufenaufstieg, der beides bewerkstelligt. Die Kampagne ermöglicht es, langfristige Entwicklungen zu verfolgen, organisch ihren Lauf nehmen zu lassen. Sie ermöglicht es, hohe Komplexität und hohen Detailgrad aufzubauen, und dann auch damit zu arbeiten. Sie erlaubt es, zu scheitern, es noch mal zu versuchen, und wieder zu scheitern, ehe man letztlich erfolgreich ist. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, den jeder Computerspieler kennt, das Spiel, das dich wirklich fesselt, ist doch das Spiel, bei dem du manchmal fluchend den Bildschirm einschlagen willst. Und hier ist auch eine interessante Frage für die, die narrative Kampagnenspiele entwickeln wollen: Wir wissen, wie dieses Prinzip bei herausforderungsorientierten Spielen funktioniert, und wie überaus effektiv es ist. Aber finden wir für unsere Erzählspiele ein passendes Äquivalent? Oder ist das vielleicht nicht so wichtig, weil, wie Crimson King schreibt, je länger man spielt, es sowieso alles ineinander fließt?
Wo jetzt das One-Shot-artige Spiel aufhört und das Kampagnenspiel anfängt, hat wohl mehr mit der Intention der Beteiligten zu tun, als mit der tatsächlichen Zahl der Sitzungen. Fokussiert, zielgerichtet, mit hartem Pacing: One-Shot-artiges spiele. Offen, langfristig angelegt, mit der Bereitschaft zu Detailliertheit und Komplexität: Kampagnenspiel.