Das hier ist ein Superbeispiel für Diskussionsverläufe, wie sie wirklich ärgerlich sind.
Es geht damit los, dass Ucalegons Archipelago-Beispiel für einen Außenstehenden zu viel voraussetzt. Das Beispiel ist zu knapp und nur angerissen, außerdem werden zu viele Fachausdrücke aus dem System hineingepackt, die nicht erklärt werden. Zunächst hätte die Feststellung gereicht, dass ein Charakter in Archipelago zu Beginn jeder Sitzung einen "destiny point" zugewiesen bekommt. Das ist ein zentrales Geschehen, auf das der Charakter in der laufenden Sitzung zusteuert.
Ich greife das Beispiel mal auf und versuche es zu erklären:
Bei Traveller versucht eine Gruppe, an eine Ausgrabungsstätte auf einem fernen Mond heranzukommen. Die Grabungsstätte ist gut geschützt, daher werden Fertigkeitswürfe fällig. Die Ergebnisse reichen für einen Erfolg der Mission nicht aus, daher suchen die Spieler nach einer alternativen Herangehensweise. Sie kommen auf die Idee, den Schutztruppen auf dem Mond die Nachschubwege abzuschneiden. Der entsprechende Angriff auf ein Versorgungsraumschiff erfordert erneut einige Fertigkeitswürfe. Die Aktion gelingt. Die Schutztruppe der Station ist nun gezwungen sich selbst aktiv um ihre Versorgung zu kümmern und schickt deshalb ein eigenes Raumschiff los. Die Schutztruppe ist nun dezimiert und schwächer und die Charaktere nutzen die Gelegenheit für einen weiteren Versuch, an die Ausgrabungsstätte heranzukommen.
Bei Archipelago wird einem Charakter vielleicht zu Beginn der Runde der "destiny point": Du erfährst das Geheimnis der Ausgrabungsstätte zugewiesen. Der Spieler freut sich und erzählt, wie er mit seinem Raumschiff dorthin fliegt, um sich vor Ort anzuschauen, was es dort Aufregendes zu sehen gibt. Weil es wie ein simpler Spaziergang erzählt wird, sagt ein Mitspieler "That might not be quite so easy". Der Spieler entscheidet daraufhin, dass die Ausgrabungsstätte von einer starken Schutztruppe abgeschirmt ist und beginnt, von seinem Infiltrationsversuch zu erzählen. Die Gruppe ist sich nicht sicher, ob das ohne weiteres zum Erfolg führt und verlangt, dass eine Entscheidungskarte gezogen wird. Auf der Karte steht: "No, but ...you gain insight or knowledge that will be useful in the future". Damit ist der Infiltrationsversuch vorerst gescheitert, ein Mitspieler entscheidet aber nun, dass der Charakter bei seinem Versuch erfahren hat, wie abhängig die Station von den monatlichen Versorgungsraumschiffen ist. Dieses Wissen lässt den Plan entstehen, vor dem nächsten Infiltrationsversuch eines dieser Versorgungsraumschiffe abzufangen um die Schutztruppen zu schwächen.
Das Geschehen ist in beiden Fällen gleich. Der Weg des Systems dorthin ein anderer. Im Travellerbeispiel würfelt man sich durch zwei Actionszenen hindurch, bei Archipelago reicht ein Satz eines Mitspielers und das Ziehen einer Karte. Welches System eine Gruppe wählt, ist wohl Geschmackssache. Archipelago ohne weitere Erklärungen mit "Wenn ich dieses Beispiel so lese, frage ich mich echt, wie ich jemals auf den Gedanken gekommen bin, so zu spielen könnte toll sein." zu kommentieren, finde ich aber despektierlich... und wenig wohlwollend, um mal mit Lord Verminaards eigenen Worten zu sprechen.
Aber zurück zum Thema des Stranges: Archipelago ist zufälligerweise ein (zugegeben seltenes) Beispiel für ein spielleiterloses Kampagnensystem. Das heißt, es ist gar nicht dazu geeignet, durch Abgrenzung von traditionelleren Kampagnenrollenspielen den One-Shot-Gegenpol darzustellen. Das System ist hier ein besonders schlechtes Beispiel. Ich bin sicher, dass Ucalegon das sehr gut weiß. Warum er Lord Verminaards abwertende Beurteilung trotzdem mit dem Argument "Weil das one-shot-Rollenspiel ist, gell?" zu erklären versucht, ist mir rätselhaft. Archipelago ist gerade kein One-shot-Rollenspiel... und dieser Sachverhalt ist in meinen Augen superspannend und verdient eigentlich eine nähere Betrachtung. Dazu kommt es aber nicht, weil die persönlichen Befindlichkeiten zu groß sind. Schade...
Ihr werdet jedenfalls mit euren relativ unterschiedlichen Standpunkten keine fruchtbare Auseinandersetzung führen können, wenn ihr nicht beide die Argumente des anderen wohlwollend betrachtet.