Toilettengänge, Magen-Darm-Infektionen, Lebensmitteleinkauf etc. sind auch allgegenwärtig. Spielt man das auch aus?
Der Punkt ist: Man sucht sich doch die Dinge raus, die man ausspielen möchte.
Und ich finde es merkwürdig, wenn man gern in einer Gruppe gemeinsam sexuelle Handlungen beschreibend ausspielt.
Und abgesehen davon leuchtet mir nach wie vor nicht ein, warum das aus Gründen der Plausibilität zum Plot gehören muss. Ich behaupte, dass ihr das macht, weil ihr, unabhängig von Notwendigkeiten, genau das möchtet. Könnt ihr machen, ich finde das aber seltsam.
Und ich finde die Vorstellung, dass sexuelle Erlebnisse den Charakter verändern zwar grundsätzlich denkbar (allerdings nur unter extremen Bedingungen), finde andererseits aber den Anspruch, dass es sich dabei um eine Überwindung gesellschaftlicher Tabus handelt, etwas befremdlich. Zumal wenn die Figuren vorher im Bordell waren - offensichtlich gibt es da nicht viel zu überwinden, oder? Auch das erscheint mir als konstruierter Vorwand, um das intensive Ausspielen von Sexszenen zu rechtfertigen. (Müsste man ja gar nicht - sag doch einfach, dass Du gern Sexrollenspiel machen möchtest. Mir ist das egal und wenn ich das vorher weiß, melde ich mich auch nicht für Dein Spiel an).
Aber natürlich haben wir das gespielt, weil wir es wollten. Wäre auch dämlich, wenn es anders wäre, nicht wahr?
Seltsam finde ich allerdings, dass du es seltsam findest, dass andere Leute andere Dinge im Rollenspiel spielen wollen als du. Sollte das nicht inzwischen dem letzten
Rollenspieler irgendwo im Internet klar geworden sein, dass es gar nicht seltsam ist, dass die eigene Spielweise nicht die einzige ist und die Welt rund und bunt ist - und das seine
Richtigkeit hat?
Mich würde interessieren, welche Inhalte du im Rollenspiel oder im Tabletop detailliert spielst und warum du der Meinung bist, dass sie weniger seltsam sein sollten.
Hast du vielleicht irgendwann mal einen Kampf Schlag für Schlag ausgespielt? Den Kampf als Spielleiter vielleicht selbst angefangen und den Spielern aufgezwungen? Kompliziert ermittelt, wer den anderen zuerst schlagen darf? War das irgendwie cool für dich? Hast du dich als Spieler beim Kampf vielleicht irgendwann mal sogar gefreut, als du einem Gegner so richtig eingeschenkt hast? Dabei vielleicht sogar gelacht - obwohl du mit jemandem gespielt hast, den du in der Realität auf keinen Fall erschlagen wolltest? Käme dir das bei dir selbst oder bei anderen nicht auch irgendwie seltsam vor?
In der Literatur wie in der bildenden Kunst gibt es zwei große Themen in der Fantasy. Gewalt und Erotik. Mir scheint, du hast aus irgend einem Grund beim Rollenspiel irgendwelche Probleme mit dem zweiten. Mit dem ersten nicht? Woher kommt das?
Schaust du vielleicht gerne Game of Thrones? Wie gefallen dir dort die ganzen Sexszenen? Bist du denen abgeneigt? Oder findest du sie nur langweilig? Gefällt dir besser, wenn in einem Film jemand in zwei Teile zerhackt wird und in seinem Blut verendet? Oder gefällt es dir besser, wenn er einfach nur getötet wird und die Filmemacher auf Kunstblut verzichten? Ist das alles seltsam? Oder ist nur alles seltsam, das dich nicht interessiert? Ist es subjektiv oder objektiv seltsam? Oder ist es seltsam, weil du denkst dass schon diejenigen es seltsam fanden, die dich erzogen haben und dir ihre Werte vermittelt haben?
Wir haben die Sexszenen übrigens ziemlich erwachsen gespielt. Keiner war übermäßig emotional evolviert. Ich kann auch mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass keiner irgendwie selbst sexuell erregt war. Wir haben das einfach gespielt, weil wir es interessant fanden und weil wir es konnten und weil wir nicht zu verklemmt sind, um es zu peinlich zu finden. Dennoch war es für mich in gewisser Weise aufregend, weil es nicht oft thematisiert wird und schon allein vom rhetorischen Anspruch etwas völlig Neues war.
Und darüber hinaus finde ich es auch interessant abseits von Pornographie einfach mal mit anderen über Sex zu reden. Nicht weil ich es geil finde, sondern weil das ein wichtiges Thema ist, in dem man nicht an irgendwelche Grenzen des Wissens stößt. Außerdem weiß ich aus der psychologischen Paartherapie, dass das Thema extrem unterschätzt wird. Wer sich damit nicht befassen will, darf es natürlich jederzeit sein lassen, aber wer das bei anderen seltsam findet, könnte eventuell selbst seltsam sein.
Vielleicht hast du aber auch nur eine total seltsame Vorstellung von dem im Kopf, was wir gemacht haben könnten, die sich aber kaum mit dem tatsächlichen Geschehen deckt?
Wer weiß es schon?