Erstmal vielen Dank für die vielen konstruktiven Antworten! Es wurden ja einige Rückfragen gestellt, daher möchte ich mal antworten soweit ich kann:
Hast du mal ein Beispiel, wie das bei dir schief geht?
Ich hatte neulich ein offenes Szenario vorbereitet, in dem ich mir ein Geflecht verschiedenartiger Gilden ausgedacht habe, die sich Einfluss in einem neu besiedelten Landstrich sichern wollen. Die Spielergruppe sollte dabei ihre (selbsterschaffene) Gilde repräsentieren.
Ich hab dann verschiedene Anlaufpunkte für SC-Interaktion eingeplant, also Vertreter der Gilden, die sie kennenlernen können, habe sie Sabotage durch andere Gilden spüren lassen, habe die Möglichkeit aufgezeigt, durch die Eroberung bestimmter Resourcen ihre Machtposition zu stärken etc.
All das blieb ungenutzt, stattdessen wurde im Endeffekt versessen kleinkörnig am eigenen Charakterspiel, am Mitleiden, am moralischen Urteilen, und an der SC-internen Intrigenspinnerei festgebissen. Da kein großer Wert auf das Gildenpolitische Geschehen gelegt wurde, habe ich die dort angedachten Ereignisse ablaufen lassen, die ohne Eingreifen der Helden schnell im Blutbad geendet haben. Die Spieler haben daraufhin angefangen Informationen über die verheerenden Attentate zu sammeln, und um das ganze spätestens dann etwas anzuheizen habe ich sie handwedelnd zu den Hauptverdächtigen der Attentate gemacht. Daraufhin erfolgte dann eine herrschaftskritische Protesthaltung der SCs gegen die "bevormundende Exekutive"... so Dinge, die wenn man PARANOIA spielt vielleicht ganz witzig sein mögen, wenn man in der Soziologie-Vorlesung sitzt vielleicht ganz interessant sind, aber mit Spielwelt und Spielsystem erstmal nichts am Hut haben.
Du stellst hier nicht genügend Fakten für Ratschläge zur Verfügung.
Daher:
Welches System? System matters!
Welche Spieler? Spieler mattern auch!
System: Größtenteils Eigenbau, ich würde sagen eine halbwegs gut gelungene Mischung aus Shadowrun und Savage Worlds in Fantasy. Aber ab und an leite ich auch DSA, SaWo, DnD-Ableger und so.
Spieler: Ja das ist schwer zu beschreiben. Wir sind alle mitte/ende 20, teils aus der Informatiker-, teils aus der Geisteswissenschafts-Ecke. Wenn wir uns über Rollenspiel unterhalten (primär über Systembau, damit einhergehend aber auch über gewünschten Spiefluss), wird stets ein proaktiver Spielstil bevorzugt, und da wir uns auch teils mit Videospiele-Design auseinandersetzen sollte eigentlich auch das Bewusstsein über "Zum Spielstil passende Mechanismen" da sein, aber irgendwie schaffen diese ganzen theoretischen Grundlagen es nicht ins Spiel. Dort ist dann gefühlt eher - ich sag mal ganz dreist: pseudokooperatives Charakterspiel der im Prinzip einzige Fokus.
Hm, mir kommt gerade so der Gedanke, dass ein wenig mehr "cuteness" der SL erlaubt die härteren Konsequenzen auch wirklich durch zuziehen. Oder umgekehrt, zu viel Realismus birgt durch die Nähe und "Hineinversetzbarkeit" die Gefahr als SL (zu sehr) mit den Spielern zu sympathisieren und dann in letzter Konsequenz die Spieler zu verschonen. Sachen, die man bei Munchkin macht würde man bei Shadowrun, DSA oder Vampire nicht machen.
Oh ich bin sicher, da haben viele der Mitlesenden so oder so keine Skrupel, mich eingeschlossen.
Aber "Bring sie in Schwierigkeiten" ist ohnehin nicht die Lösung, die auch aus dem Threadstart herauslese.
Meine "bring sie in Schwierigkeiten"-Versuche (Warhammer 2nd Ashes of Middenheim und Cthuluh) sind meistens durch viel Charakterspiel und wenig Szenariointeraktion entweder zu sachten Seifenopern verkümmert (in den Fällen war das tatsächlich die angesprochene Art von Rücksicht), oder aber sie haben durch Untätigkeit zu TPKs geführt, die zwar konsequent aber im Endeffekt dann auch ziemlich unspaßig waren.
Es muss nicht gleich Hexcrawl sein, aber der Sandbox-Ansatz würde Antworten auf den allergrößten Teil der Fragen liefern. Lediglich die Frage nach der Relevanz lässt sich nicht so einfach beantworten. Für den sollen die Inhalte Relevanz haben? Welcher Art soll die Relevanz sein?
Ich bin nicht übermäßig improvisationssicher, weshalb ich ausgearbeitete Szenarien gegenüber Sandboxes vorziehe, aber beides funktioniert ja eher schlecht, wenn die Gruppe sich davon abkapselt. Also ich bräuchte Hooks, die für die Spieler/SCs relevant sind, und gleichzeitig so in die Spielwelt verankert sind, dass man sich nicht abseits der Spielfeld in seinen Charakter reinsteigert.
Ich mag Hotzenplotzigkeit.
Banause