Eben. Und es ist ja nicht so, dass Splittermond nicht eh schon von Grund auf eine Optionsflut an taktischen Möglichkeiten mit sich bringt. Wo man sich bzw. der GMV schon fragt, ob man wirklich für manche Sachen oder Aktionen eine (offizielle) Abhandlung in Ticks braucht? Da stellt sich natürlich auch die Frage: Wie viel Ticks benötigt man, um 1Kg Hartwurst zu kaufen?
Angenommen, dass die Transaktion circa 5 Minuten dauern kann, würde es nach dem Vorschlag aus dem GRW ungefähr 1000 Ticks dauern...
Im Ernst, hier zeigt sich der Unterschied im Geschmack. Ja, man hätte ein wesentlich simpleres System anbieten können, indem man zwischen schnelle, normal schnelle und langsame Aktionen unterscheidet, die entsprechend 5, 10 oder 15 Ticks kosten. Und dann ordnet man die entsprechenden Aktionen im Kampf diesen Kategorien zu: Ein Faustschlag ist eine schnelle Aktion, braucht nur 5 Ticks, ein Schwertangriff ist normalschnell, ein Angriff mit der Streitaxt eine langsame Aktion.
Doch das war den Entwicklern offensichtlich zu grob. Sie wollten mehr Stellschrauben haben, mehr Komplexität. Weil ihnen das Spiel so mehr Spaß macht!
Splittermond ist nicht allein als ein Geschichtengenerator oder eine Schnellanweisung zum Improv-Theater. Es ist vor allen Dingen ein Spiel und mehr Auswahlmöglichkeiten bedeuten mehr Varianz bei einem Spiel. Bei dem Schach erhöhe ich die Varianz der möglichen Taktiken durch mehr unterschiedliche Figuren, bei Go durch eine Vergrößerung des Spielbretts.
Durch Mechanismen wie Splitterpunkte oder "Einmal pro Spielsitzung"-Meisterschaften wird deutlich, dass es bei Splittermond legitim ist, als Spieler Entscheidungen aus einer Metaperspektive zu treffen. Ein immersives Spiel ist in Splittermond Kür und keine Pflicht.
Ich komme halt eher aus einer narrativen Ecke, als SL bin ich wohl eine Mischung aus Story-Teller & Method Actor. Und der Simulationist findet sich nur in begrenztem Maße bei mir wieder. Wenn es allzu komplex oder simulativ wird, dann steige ich aus. [...] Aber eigentlich reicht das dann auch vollkommen an (taktischer) Optionsvielfalt-mir zumindest. Und selbst nur mit dem GRW kommen auch die SIM-Freaks voll auf ihre Kosten. So dass man sich doch echt fragen muss: Warum dann das Ganze noch mehr (künstlich) aufblähen und noch komplexer durch noch mehr Zeugs wie Mondstahlklingen machen? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Großteil oder die Mehrheit der Spieler tatsächlich auf so viel taktischen Zusatz abfährt geschweige denn, das zum Spielen braucht oder nutzt.
Ich liebe das MSK. Ich wäre traurig, wenn ich nicht damit spielen könnte. Die Möglichkeiten, die mir dort in Form von Waffenverbesserungen und besondere Materialien angeboten werden, erfreuen mich sehr. Ich liebe es, mit den Regeln herumzuspielen, herauszufinden, wie sie miteinander verbunden sind, und welche neue Möglichkeiten sie mir im Spiel erlauben. Und ja, ich liebe Videospiele wie Monster Hunter, in der man ein mächtiges Monster nach dem anderen tötet, um neue und bessere Waffen und Rüstungen zu erhalten, mit dem man noch mächtigere Monster jagen kann, für noch bessere Ausrüstung.
Aber das macht mich nicht zu einem schlechteren Rollenspieler. Es macht mich zu einer anderen Form von Rollenspieler, dem Taktiker, den Problemlöser*.
Unser Hobby ist daher vielschichtig, weil man es mit unterschiedlichen Zielen spielen kann:
- Als Storyteller ist mein Ziel eine sinnvolle, interessante Geschichte (z.B. ein Kriminalfall wie "Der Fall der ertrunkenen Katze").
- Als Method Actor ist mein Ziel das glaubwürdige Ausspielen eines Charakters (z.B. einen Ex-Alkoholiker, der mit einer Flasche Whiskey als Bestechung konfrontriert wird).
- Als Taktiker ist mein Ziel die Lösung des Problems, dass mir im Spiel begegnet (z.B. wer ist der Mörder und wie überführe ich ihn?)
Und für mich ist das die eigentliche Königsdisziplin als Spielleiter: Die unterschiedlichen Ziele der Spieler unter einem Hut bringen, indem ich beispielsweise den Taktiker ein Problem gebe, dass er in Ruhe lösen kann, ohne dass er vom Method Actor gestört wird, der zum Beispiel ein wichtiges Puzzlestück zerstört, weil das zu seinem Charakter passt.
Diese unterschiedlichen Ziele schlagen sich dann auch in der Gestaltung eines Rollenspielsystems wieder: Meiner Meinung nach ist die zunehmende Komplexität durch die Regelerweiterung kein Designfehler, wenn es ganz bewusst das Ziel der Splittermond-Entwickler ist.
Und zum Thema: Ja, ich habe die Befürchtung, dass mit zunehmender Komplexität 'reine' Taktik-Diskussionen im/beim Kampf (um Kaisers Bart) zunehmen-und darauf habe ich als SL eigentlich keinen Bock.
Meiner Meinung nach wird es nicht schlimmer werden, als das, was du auf HG1 erleben wirst. Du wirst vielleicht aber eher auf so etwas stoßen wie "Ja, der Angriff übertrifft meine VTD um 9 Punkten, aber ich wehre trotzdem mit einer Aktiver Abwehr ab." Das wird dich als Story Teller vielleicht mehr nerven, weil es die Geschichte abbremsen kann.^^;
* Und außerdem auch Storyteller, was dazu führt, dass ich auf der einen Seite gerne mit bestimmten Mechaniken experimentiere, aber auch häufig mal Fünfe gerade sein lasse. Bei mir ist es nicht erforderlich, dass alles streng nach Regeln abläuft.
Beispielsweise hatten wir zuletzt einen Kampf gegen einen Koloss, der theoretisch 7 Marker benutzt, während die Gruppe von mehreren NSCs unterstützt wurde. Anstatt nun aber jeden NSC einzeln auszuspielen, habe ich einfach festgelegt, dass ihre Bemühungen einen Teil der Marker des Kolosses an sich binden und die Gruppe aus 3 SCs sich auch nur mit 3 Markern herumschlagen musste.
Außerdem interpretiere ich Würfelergebnis auch etwas freier. Als der Koloss einen Zauberpatzer warf, erklärte ich es damit, dass einer der NSCs ihm einen Wurflanze in den Rachen geworfen hat.
Kurz: Ich habe da eine relativ abstrake Herangehensweise an die Regeln.