*alten Thread ausgrab*
Rassismus im Rollenspiel - ein heikles Thema, das mich schon eine ganze Weile umtreibt (ich poste erst jetzt, weil ich gerade von einer längeren
-Abwesenheit zurückkehre, was damit zusammenhängt, dass ich schon seit einiger Zeit nicht mehr regelmäßig rollenspiele (was auch was mit dem Rassismusproblem zu tun hat, wie ich das wahrnehme - siehe unten) und auch nicht weiß, ob ich mir überhaupt noch eine neue Runde suchen soll, weil ich jetzt ein anderes Hobby pflege, das mich ganz gut ausfüllt ("Verräter!")). Dem (EDO-)Fantasy-Rollenspiel mit seinen Elfen (richtiger: Elben), Zwergen, Orks und sonstigem "Gedöns" wird ja gern Rassismus vorgeworfen, wobei man aber bedenken muss, dass der Rassebegriff des Rollenspiels nicht derselbe ist wie der, der realweltlichen Rassismen zugrunde liegt - in rollenspielerischen Begriffen gibt es in unserer Welt nur
eine Rasse, nämlich
Menschen.
Aber ich störe mich schon seit einiger Zeit an gewissen rollenspielerischen Rassenklischees, vor allem an Ideen wie der einer "bösen Rasse" wie Orks und diverse Untote, die man ohne Gewissensbisse töten kann und soll. (Zwei andere Probleme sind beispielsweise die unsäglichen Elfenwitze sowie Kulturbeschreibungen, die auf unreflektierten kolonialzeitlichen Klischees, wie religiös fanatischen Wüstennomaden oder primitiven Dschungelbewohnern, die nicht bis drei zählen können, basieren.) Das ist ein weit verbreitetes Muster, auch schon in der Literatur, und es spricht Bände, dass Tolkien, der uns ja die Orks "geschenkt" hat, mit seiner eigenen Konzeption heftig am Hadern war, und in seinen letzten Lebensjahren, meine ich irgendwo gelesen zu haben, zu dem Ergebnis kam, dass die Orks gar nicht von Natur aus böse (wenngleich auf widernatürliche Weise "gezüchtet" ), sondern eher so was wie Hunde seien - sehr schlaue Hunde mit Händen, die sich wie normale Hunde zu allen möglichen Schandtaten abrichten lassen.
Zusammen mit der Gewaltlastigkeit der meisten Rollenspielszenarien, so habe ich jedenfalls das Gefühl, sorgen solche Rassenkonstrukte bei progressiv eingestellten Rollenspielern (wie mir) leicht für kognitive Dissonanzen, die viele davon möglicherweise dazu bringen, dieses Hobby wieder aufzugeben. Was dazu führt, dass die Szene einen konservativen bis reaktionären Bias bekommt, die Szenarien von der Tendenz her noch gewaltlastiger und rassismusproblematischer werden, was wiederum weitere progressiv eingestellte Rollenspieler zum Ausstieg bewegt, usw.
Jedenfalls habe ich in den letzten Jahren von der lokalen Rollenspielszene (es mag anderswo anders sein) den Eindruck gewonnen, dass sich da eine Spirale dieser Art dreht, und ein großer Teil der Szene (wenn auch wohl nicht die Mehrheit) politisch eher rechts steht. Vor drei Jahren beispielsweise besuchte ich hier in der Region ein monatliches Rollenspielertreffen, das an jenem Tag ungewöhnlich schwach besucht war, und es war die Rede davon, dass das daran lag, dass viele Stammgäste an jenem Tag zu der zeitgleichen Kundgebung des lokalen Pegida-Ablegers gegangen wären, wo wohl Lutz Bachmann (der Gründer der Dresdner Pegida) einen Gastauftritt hatte. Aber vielleicht war da auch nur Ironie im Spiel.)
Also vielleicht so ähnlich wie mit den Skinheads, die auch nicht alle rechtsextrem sind, aber die große Zahl rechtsextremer Skinheads haben die ganze Subkultur dergestalt in Verruf gezogen, dass nicht-rechte Jugendliche aussteigen bzw. sich dreimal überlegen, ob sie damit überhaupt "anfangen" - es gibt aber auch Gegenbewegungen innerhalb der Skinheadszene wie z. B. die SHARP-Bewegung, die sich der Vereinnahmung der Skinheadkultur durch die extreme Rechte widersetzen. (Nein, ich bin kein Skinhead, habe damit nichts am Hut, aber das ist eben ein Beispiel, wie eine Szene nach rechts "abkippen" kann - und wie die Massenmedien Vorurteile schüren.)
Das ist jedenfalls mein subjektiver Eindruck, und der mag täuschen. Rechte Arschgeigen findet man heutzutage ja fast überall, und vielleicht ist das in der Rollenspielszene gar nicht so krass, wie es mir erscheint. Aber man muss meiner Meinung nach schon fast ein Stück schizophren sein, um im wirklichen Leben für Frieden, Gewaltfreiheit und Völkerverständigung zu sein, in der Rollenspielrunde aber mit Lust und Laune irgendwelche Kreaturen abzuschlachten, weil die von Geburt an "böse" sind. Da passt was nicht so recht zusammen, finde ich.
In meinen eigenen Welten gibt es jedenfalls keine "bösen Rassen". Derzeit bastele ich an zwei Welten (
Der Elbenpfad,
Globaler Frühling), zwei weitere (
Das Spalier,
Rosæ Crux) liegen auf Eis. Dort stellt sich die Sache so dar:
1. Der Elbenpfad (historische Fantasy): Es gibt nur Menschen. Elben und Zwerge sind lediglich Menschenvölker, die
kulturell den gleichnamigen Fantasyrassen ähneln. Keine Unterschiede in den Spielwerten.
2. Globaler Frühling (Nahzukunft): Nur Menschen, genau wie in der realen Welt von heute.
3. Das Spalier (Space Opera): Es gibt diverse außerirdische Intelligenzen, keine davon ist "böse". Zu regeltechnischen Fragen habe ich mir da noch keinerlei Gedanken gemacht, das Ding liegt auf Eis, und Pläne für ein Rollenspiel gibt es noch keine.
4. Rosæ Crux (Modern Fantasy/Alternativgeschichte): Elben und Zwerge sind "nur" Menschen, wie auf dem Elbenpfad. Ob es Orks und Trolle gibt, weiß ich noch nicht, wenn ja, stammen sie von (degenerierten?) Neandertalern ab und sind so was wie sehr intelligente Hunde mit Händen, nicht von Natur aus böse, aber zu missbrauchen (so ähnlich wie das Tolkien sich auf seine letzten Tage anscheinend mit den Orks überlegt hat).
Natürlich gibt es in allen vier Welten Rassisten, aber deren Behauptungen sind dort genauso infame Lügen wie bei uns auch!