Autor Thema: Dungeon World fuer D&D Spieler  (Gelesen 4846 mal)

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Offline Talwyn

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Dungeon World fuer D&D Spieler
« am: 25.01.2018 | 00:21 »
Aloha! Weil auf dem D&D Board die Frage aufkam, was Dungeon World besser macht als D&D 5E, dachte ich mir ich ergreife an dieser Stelle die Gelegenheit, einen kleinen "Blogbeitrag" zu verfassen, der - soviel gleich vornweg - diese Frage nicht beantworten wird, stattdessen aber versuchen soll, dem geneigten D&D-Spieler zu erklaeren, wo die Unterschiede - und die Gemeinsamkeiten - von Dungeon World und D&D liegen. Als weiteren Disclaimer moechte ich anmerken, dass ich selbst bislang Dungeon World nur vom Lesen kenne, und mich gerade tierisch darauf freue, naechste Woche meine erste DW-Runde zu starten, wobei ich die Rolle des Spielleiters uebernehmen werde. Dieser Thread dient also auch ein bisschen dazu, mein eigenes Verstaendnis des Systems zu reflektieren und meine wirren Gedanken zu Dungeon World zu ordnen. Falls ich also kompletten Unsinn verzapfe, bitte ich die anwesenden DW-Veteranen mich umgehend und gnadenlos zu korrigieren.

Spiele ueber Dungeons
Fangen wir der Einfachheit halber mit den Gemeinsamkeiten von D&D und Dungeon World an. Es ist kein Zufall, dass beide Spiele das Wort "Dungeon" im Titel fuehren, denn im Grunde behandeln sie beide dasselbe Thema, oder aehneln sich in dieser Hinsicht doch zumindest stark. Grundsaetzlich sind sowohl D&D als auch DW Fantasy-Rollenspiele, in denen die Spieler in die Rolle von Abenteurern schluepfen, die sich in einer von toedlichen Gefahren gespickten Welt Ruhm und Reichtum erwerben wollen. Dazu stellen sich die Helden allerlei ueblen Monstern und Boesewichten in den Weg, deren traditionelles Habitat das unterirdische Gewoelbe darstellt. In beiden System wird das Konzept des Verlieses dabei allerdings relativ weit gefasst: Man koennte im Kontext von D&D und DW sagen, dass ein Dungeon eine beliebige raeumlich klar abgegrenzte Oertlichkeit voller Herausforderungen und Gefahren ist. Diese Oertlichkeit kann dabei das klassische Verlies sein, aber auch eine natuerliche Hoehle, eine Festung, ein verwunschener Wald oder eine Ruinenstadt in der Wueste. Die Helden meistern nach und nach immer groessere Herausforderungen, und erlangen dadurch Erfahrung, die sich in wachsender persoenlicher Macht niederschlaegt, sowie in Reichtum in mannigfaltiger Form (Muenzen, Edelsteine, verzauberte Schwerter, Festungen - you name it).

D&D als Erbe von Chainmail
Man kann auf Grund der erlaeuterten Gemeinsamkeiten also sicher behaupten, dass beide Spiele dasselbe Genre bedienen, naemlich letzten Ende das der heroischen Fantasy, wobei das Ganze mit zunehmender Stufe der Helden in beiden Faellen in Richtung epische Fantasy abdriftet. Es ist auch kein Geheimnis, dass Dungeon World sich in gewisser Hinsicht als Erbe von D&D betrachtet, oder anders ausgedrueckt: Ohne D&D wuerde es Dungeon World in der vorliegenden Form nicht geben.
Damit hat es sich dann aber aus meiner Sicht auch mit den Gemeinsamkeiten, denn auch wenn beide Spiele im selben Genre zu verorten sind, ist das, was sie dann innerhalb dieses Genres machen etwas ganz anderes. Man muss sich naemlich jenseits des Genres anschauen, woher die beiden Spiele kommen. D&D ist, wie allgemein bekannt, urspruenglich aus dem Wargaming Bereich, genauer aus dem Spiel Chainmail hervorgegangen. Urspruenglich ging es hier also um eine Taktiksimulation, die dann im Lauf der Zeit um den narrativen Aspekt des Rollenspiels erweitert wurde - eine Entwicklung, die vermutlich zur Zeit von AD&D 2nd Edition ihren Hoehepunkt erreicht hat. Trotzdem sind die Wurzeln von D&D auch heute noch klar zu erkennen. Dungeon World hingegen, mag sich zwar als Hommage an das Genre von D&D und dessen Metasetting verstehen, als Spiel kommt es jedoch aus einer ganz anderen Richtung, naemlich aus der Gruppe der Erzaehlspiele, die auf der Apocalypse World Engine basieren, griffig gelabelt als "Powered by the Apocalypse" oder kurz PbtA.
Reduziert man aktuelle Editionen von D&D auf ihr Kampfsystem, bleibt letztlich eine Abwandlung der Urvaters Chainmail uebrig, klar die Regeln von heute unterscheiden sich natuerlich erheblich von denen des Originals, aber letztlich bleibt die Abwicklung in Runden uebrig, die Bedeutung der genauen Position der einzelnen Kampfteilnehmer, sowie weitere zentrale Konzepte wie Hit Points und Armor Class. Im Grunde ist das Kampfsystem von daher auch heute noch ein weitgehend eigenstaendiges Spiel, das wenig bis gar nichts mit dem narrativen Modus Operandi zu tun hat, in den das Spiel zwischen den Kampfbegegnungen wechselt. Tatsaechlich trifft auf die meisten Editionen von D&D zu, dass die narrative Ebene des Spiels eigentlich kaum als Spiel bezeichnet werden kann. Vielmehr handelte es sich weitgehend um freies Erzaehlen mit dem Spielleiter als Schiedsrichter, der dann qua Handwedeln darueber entscheidet, welche Konsequenzen die Handlungen der Charaktere haben (stark vereinfacht ausgedrueckt). Tatsaechlich waren die Non-Weapon Proficiencies noch in AD&D 2nd Edition eine optionale Regel. So etwas wie ein wirklich detailliertes Skillsystem wurde erst mit D&D 3E zum Kernbestandteil des Systems erhoben, wodurch auch ausserhalb der Kaempfe ein bisschen mehr Spiel im traditionellen Sinn des Wortes stattgefunden hat. Den Hoehepunkt dieser Entwicklung stellt dann sicherlich die 4. Edition mit dem Konzept der Skill Challenge dar.
In der aktuellen Edition von D&D ist man hingegen wieder weitgehend zu den Wurzeln zurueckgekehrt, das Skill System ist sehr einfach und wird von so manchem Spieler auch eher als Rueckschritt empfunden. Ein gaengiger Vorwurf an D&D 5E ist, dass das System den SL oftmals zur Handwedelei zwingt, weil viele Dinge einfach nicht praezise geregelt sind. Befuerworter der neuen Edition vertreten die Ansicht, dass die Abwesenheit allzu detaillierter Regeln wieder das eigentliche Rollenspiel in den Vordergrund ruecken, und letztlich haben beide Seiten durchaus Argumente fuer ihre Sicht der Dinge, so dass man hier letztlich nur festhalten kann, dass das wohl eine Frage des persoenlichen Geschmacks ist.
Objektiv laesst sich hingegen nicht abstreiten, dass in variierender Auspraegung je nach Edition, es in D&D schon immer einen Bruch gegeben hat, an der Stelle, wo das Spiel vom freien Erzaehlen zum Kampf und wieder zurueck wechselt. Ploetzlich laeuft das Spiel in Runden ab, die Charaktere agieren in einer durch die Initiative etablierten festen Reihenfolge und es ist sehr klar definiert, was sie tun koennen, sobald sie an der Reihe sind.
Dieses "Spiel im Spiel" kann man nun moegen oder nicht, festzuhalten ist aber zumindest, dass es existiert, und dass das Spiel zwei ganz unterschiedliche Modi hat, naemlich Kampf und freie Erzaehlung, die unterm Strich wenig miteinander zu tun haben. Natuerlich sind sie miteinander verknuepft, diese Verknuepfung ist jedoch vergleichsweise lose und der Bruch im Spielfluss ist deutlich zu spueren. Ein Running Gag aus meiner eigenen jahrelangen D&D-Erfahrung lautet: Der Ork stuermt mit erhobener Axt auf euch zu und bruellt: "Initiaatiiiveee!" Er illustriert sehr schoen den erwaehnten Bruch.

Narration powered by the Apocalypse
Dungeon World geht hier als PbtA Spiel einen anderen Weg. Als Apocalypse World Spiel stellt es die Fiktion in Mittelpunkt des Geschehens. Die Spieler und der SL beschreiben jeweils was ihre Charaktere bzw. NSC tun (und wie die Welt darauf reagiert), und durch diese Beschreibungen werden dann letztlich Regelmechanismen ausgeloest. Das Ergebnis einer solchen Regelanwendung ist dann letztlich wieder eine Erweiterung oder Veraenderung der bislang etablierten Fiktion. Das klingt abstrakt und Bedarf der Illustration anhand eines konkreten Beispiels:
Der Paladin in unserer D&D Gruppe verfuegt ueber das Feat "Great Weapon Master", dass es ihm erlaubt, zu Gunsten hoeheren Schadens einen Abzug auf den Angriffswurf in Kauf zu nehmen. Anfangs hat der Spieler noch blumig beschrieben, wie sein Charakter weit mit dem Schwert ausholt und dann so fest zuschlaegt wie er nur kann, doch spaetestens nach der dritten Anwendung wurde daraus ein lapidares: "Ich zieh dem Oger eins mit GMW ueber." Auf Grund der Tatsache, das Kaempfe in D&D nicht selten Gefahr laufen in einem langwierigen Runterwuerfeln von Trefferpunkten zu enden, ist dem Spieler hier auch kaum ein Vorwurf zu machen: Irgendwann hat man die sich aufdraengenden Beschreibungsvarianten fuer eine Verwendung der selben Faehigkeit einfach erschoepft.
In Dungeon World hingegen widerspricht die erwaehnte Aktionsbeschreibung direkt den Regeln des Spiels. Der Spieler nennt nicht die eingesetzte Faehigkeit (in DW als Spielzug oder Move bezeichnet). Stattdessen beginnt alles mit der Beschreibung dessen was der Charakter auf Ebene der Fiktion tut. Diese Beschreibung loest nun einen Spielzug aus, der seinerseits aus einem Wuerfelwurf und einem Ergebnis besteht. Das Ergebnis hat oft eine Komponente, die sich auf die Regeln bezieht, und IMMER eine auf der Ebene der Fiktion, das heisst die Situation aendert sich durch die Aktion des Charakters auf irgendeine Weise. Im besten Fall erreicht der Charakter dass, was er bei seiner Aktion im Sinn hatte. Oft ist es aber so, dass der Erfolg einen Preis in Form von Konsequenzen hat: Der Paladin schafft es, dem Oger mit seinem Zweihaender eine klaffende Wunde zuzufuegen, doch die Klinge bleibt im Hueftgelenk der Kreatur stecken, welche vor Schmerz aufheult und nun ihrerseits ihre mit rostigen Eisenstacheln versehene Keule in der Schulter unseres Helden versenkt. Scheitert der Wuerfelwurf fuer den Spielzug komplett, so darf der SL nun seinerseits einen Spielzug ausfuehren. So koennte der Oger den Hieb des Paladins mit seiner Keule parieren, wodurch unser strahlender Held entwaffnet wird.
Dadurch gilt, dass am Anfang um am Ende jedes Spielzugs die Fiktion steht: Spielzuege werden durch Beschreibungen auf Ebene der Fiktion ausgeloest (und nicht durch die Ankuendigung des Spielers, dass sein Charakter "Hauen und Stechen" gegen den Oger einsetzt). Nachdem der regeltechnische Teil des Spielzugs abgewickelt wurde, wird nun ausserdem neue Fiktion etabliert. So muss jeder Spielzug die Situation veraendern, selbst wenn die Veraenderung manchmal vielleicht nicht besonders gross ist. Es mag auf den ersten Blick nicht als signifikanter Unterschied zu D&D erscheinen - doch dort aendern viele Aktionen der Spieler im Kampf auf Ebene der Fiktion erstmal nicht viel bis gar nichts: Ein Oger, der 20 Schadenspunkte erlitten hat ist noch immer exakt genau gleich gefaehrlich und kampfbereit wie ein voellig unversehrter Artgenosse. An der grundsaetzlichen Situation hat sich deswegen nach einem nicht fatalen Treffer erstmal nichts geaendert.
WIchtig ist auch, dass Dungeon World nicht zwischen Kampf und freier Erzaehlung entscheidet. Das Spiel kennt durchgaengig nur einen einzigen Modus, und der funktioniert so, dass die Spieler beschreiben, was ihre Charaktere tun. Durch diese Beschreibungen werden Regelmechanismen in Form von Spielzuegen ausgeloest, die harte regeltechnische Auswirkungen haben und ausserdem das Spiel auf Ebene der Fiktion vorantreiben, indem sie gegenwaertige Situation - mal mehr, mal weniger stark - veraendern. Dadurch entsteht einfach ein ganz anderer Flow und die Handlung entwickelt sich stetig weiter. Die Narration bleibt in Bewegung und das Tempo bleibt dabei weitgehend konstant. Bei den taktischen Kaempfen von D&D hingegen gerinnt die Zeit gerne mal zu Honig, und fuer einen Kampf, der tatsaechlich kaum eine Minute dauert kann am Spieltisch schnell mal eine halbe Stunde und mehr verstreichen.

Soviel erstmal zu meinem persoenlichen Verstaendnis von Dungeon World, und wie es sich zu D&D verhaelt. Mir ist bewusst, dass dieser Text bei vielen Lesern wohl einige Fragezeichen hinterlassen wird. Fuer diesen Fall kann ich nur waermstens die Dungeon World Episoden des System Matters Podcasts empfehlen, die das Spiel sehr anschaulich vorstellen und einem sehr guten Eindruck davon vermitteln, wie es funktioniert. Ich wurde auf diese Weise angefixt und habe mich letztlich dazu verleiten lassen, Geld auf das Crowdfunding der deutschen Uebersetzung von Dungeon World zu werfen.

Ich persoenlich finde die Konzepte hinter Dungeon World spannend und erfrischend anders als ich es aus D&D gewoehnt bin. Ausserdem schaetze ich sehr, dass das Spiel tatsaechlich sehr einfach ist, was die Regelseite angeht. Damit steht es im krassen Gegensatz zu einem anderen Indiespiel, das ich sehr schaetze, dessen Regeln jedoch ein ziemlicher Block sind. Die Rede ist von Burning Wheel und seinen Derivaten Mouse Guard und Torchbearer, doch dazu vielleicht an anderer Stelle mehr.
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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #1 am: 25.01.2018 | 00:27 »
ich frage mich ja immer ob DW auch Kampagnen tauglich ist oder eher ein Oneshot System...
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Offline Talwyn

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #2 am: 25.01.2018 | 00:39 »
ich frage mich ja immer ob DW auch Kampagnen tauglich ist oder eher ein Oneshot System...

Ich sehe es definitiv als Kampagnensystem. Diese Annahme wird vom Text des Regelwerks mehrfach bestaetigt, das mit den Fronten auch sehr konkrete Werkzeuge dafuer bereitstellt wie man Kampagnen initiiert und am Leben haelt.
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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #3 am: 25.01.2018 | 05:47 »
Es ist definitiv möglich mehr als nur OneShots damit zu spielen. Meine Wohlfühlzone für PbtA-Spielen liegt bei ca. 7-12 Spielsitzungen in denen man ganze Welterschütternde Kampagnen spielen kann. Ob ich jedoch zwei Jahre lang (~100 Sitzungen) an der gleichen Geschichte mit den gleichen Charakteren spielen würde, bezweifle ich jedoch stark. Glücklicherweise habe ich schon PbtA Runden mit 7-12 Sitzungen gespielt, welche jede andere Runden mit multiplen Spieljahren in den Schatten gestellt haben.

Im besten Fall ist man mit ca. 22 Spielsitzungen auch mit einem Charakter auf Stufe 10 angelangt und dann wird es eh Zeit für einen neuen!
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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #4 am: 25.01.2018 | 07:28 »
ok das klappt aber nur wenn jeder d'accord ist das die Spielwelt ueber die sitzungen gemeinsam dynamisch weitergebaut wird. also eher geeignet fuer anfangs lose beschriebene welten als ein bereits vorgefertigtes setting mit klaren Prämissen u metaplot (zB Dark Sun o Draginlance) ?
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Offline Talwyn

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #5 am: 25.01.2018 | 08:16 »
Das ist eine weitere Annahme, die Dungeon World macht. Die Welt ist weitgehend undefiniert und kristallisiert sich im Lauf des Spiels heraus.
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Offline droesig

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #6 am: 25.01.2018 | 08:18 »

Wenn man doch beliebig bauen und weiterbauen kann, dann kann man sich doch auch darauf einigen vorgefertigte Settings zu "bauen" (sprich: nehmen).

Offline Talwyn

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #7 am: 25.01.2018 | 09:02 »
Das wird vermutlich nicht funktionieren bzw. ist aus meiner Sicht nicht empfehlenswert, weil die Welt organisch aus den Ereignissen waehrend des Spiels entsteht. Man kann dabei natuerlich versuchen das Ganze in eine bestimmte Richtung zu lenken, jedoch verpasst man aus meiner Sicht einen grossen Teil dessen, was Dungeon World besonders macht, wenn man krampfhaft versucht Athas oder Faerun aus der Narration abzuleiten. Der Gedanke hinter der ganzen Chose ist ja auch, dass ein existierendes Setting die Moeglichkeiten der Narration letzten Endes einschraenkt. Klammert man sich an den Kanon eines etablierten Settings, so hat das Einfluss auf die Geschichte, die man erzaehlt. Bestimmte Fakten sind dann einfach gesetzt und diese haben Einfluss auf das, was am Spieltisch passiert. NSC X wohnt halt laut Settingbeschreibung in Stadt Y, und die liegt leider am anderen Ende des Kontinents. Will man nun mit NSC X interagieren, muss man entweder die Geschichte dementsprechend anpassen (die SC unternehmen eine laaange Reise statt mit den Dingen fortzufahren, mit denen sie sich gerade unmittelbar beschaeftigt haben) oder das Setting veraendern. Dungeon World sieht deswegen vor, dass sich das Setting nach den Notwendigkeiten der Geschichte entwickelt. Dabei hat man dann alle Freiheiten, die Welt ad hoc so zu gestalten, dass sie einen nach Moeglichkeit dabei unterstuetzt die Geschichte in eine spannende Richtung zu entwickeln und das Tempo der Erzaehlung hoch zu halten.

Als kleines Gegenbeispiel kann ich z.B. die Storm Kings Thunder Runde anfuehren, in der ich gerade als Spieler aktiv bin. Gefuehlt sind wir hier staendig damit beschaeftigt Ueberlandreisen zu planen um von A nach B zu kommen, weil wir in allen moeglichen Orten im Norden Faeruns Dinge zu erledigen haben. Das Ganze fuehlt sich ein bisschen an wie eine Schnitzeljagd. Man hetzt von A nach B nach C und erledigt Dinge, die teilweise zum aktuellen Zeitpunkt auch noch nicht erkennbar miteinander verknuepft sind. Wir arbeiten quasi die Eintraege in unserem Questlog ab, welches uns diktiert wohin wir gehen und was wir zu tun haben. Die ganze Chose fuehlt sich nicht wirklich wie eine Geschichte mit einem inneren Zusammenhang an. Klar: Dieser Zusammenhang wird sich wohl im Lauf der Zeit herauskristallisieren, aber bislang - und wir haben inzwischen immerhin schon ein gutes Jahr einmal im Monat an der Kampagne gespielt - ist das Ganze eher ziemliches Stueckwerk.
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Offline 1of3

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #8 am: 25.01.2018 | 09:28 »
Interessant. Ich hätte die Unterschiede ganz anders geschrieben.

Zitat
Es gibt keine variablen Schwierigkeiten und externen Modifikatoren. Zu jedem Zeitpunkt ist klar, ob ein Wurf ein voller oder ein Teilerfolg oder ein Griff ins Klo war. Über Schwierigkeiten müsst und werdet ihr nicht reden. Die einzige Zahl, die ihr ansagen müsst, ist ggf. angerichteter Schaden.

Ihr müsst euch nicht absichern. D&D hat viele Strategie im Vorhininein mit Buffs etc. Das gibts in Dungeonworld nicht. Ihr dürft annehmen, dass eure Charaktere regelmäßig auf die Mütze kriegen. Und genau dafür, also versemmelte Würfe, bekommt ihr XP.

Nachforschungen, Intrigen und Verhandlungen kürzt das Spiel erheblich ab. Solange ihr ein plausibles Vorgehen nennen könnt, könnt ihr auch würfeln. Und das hat dann merkliche Effekte. Die stehen auf dem Übersichtsbogen.

Ansonsten steht alles auf dem Bogen da.

Das sind so die relevanten Sachen, die ich D&D-Spielern mitteilen würde.


Wenn man doch beliebig bauen und weiterbauen kann, dann kann man sich doch auch darauf einigen vorgefertigte Settings zu "bauen" (sprich: nehmen).

Talwyn hat das schön formuliert. Ich versuchs mal kürzer. So beliebig ist das nicht. Das ist einerseits durch die Würfelei eingeschränkt, andererseits hat die SL mit ihren Fronten und Prinzipien ziemlich klare Anhaltspunkte, was sie am besten tun soll.


Offline LordBorsti

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #9 am: 25.01.2018 | 12:24 »
ich frage mich ja immer ob DW auch Kampagnen tauglich ist oder eher ein Oneshot System...

Einige Mechaniken von Dungeon World entfalten ihre volle Wirkung erst im Kampagnen-Spiel (z. B. Bonds). Nach meiner Erfahrung am Spieltisch brauch man so ca. zwei Dutzend Spielabende um die Charaktere von Stufe 1 auf Stufe 10 hochzuspielen und es gibt auch nach Stufe 10 Optionen seinen Charakter weiter zu entwickeln. Dungeon World ist aus meiner Sicht ideal für kurze Kampagnen von ein bis zwei Dutzend Spielabenden. Für längere Kampagnen würde ich zu feiner auflösenden Regelwerken greifen wie z.B. Burning Wheel oder auch das gute alte DSA.
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Offline Tintenteufel

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #10 am: 25.01.2018 | 14:38 »
Aloha! Weil auf dem D&D Board die Frage aufkam, was Dungeon World besser macht als D&D 5E, dachte ich mir ich ergreife an dieser Stelle die Gelegenheit, einen kleinen "Blogbeitrag" zu verfassen, der - soviel gleich vornweg - diese Frage nicht beantworten wird, stattdessen aber versuchen soll, dem geneigten D&D-Spieler zu erklaeren, wo die Unterschiede - und die Gemeinsamkeiten - von Dungeon World und D&D liegen. Als weiteren Disclaimer moechte ich anmerken, dass ich selbst bislang Dungeon World nur vom Lesen kenne, und mich gerade tierisch darauf freue, naechste Woche meine erste DW-Runde zu starten, wobei ich die Rolle des Spielleiters uebernehmen werde. Dieser Thread dient also auch ein bisschen dazu, mein eigenes Verstaendnis des Systems zu reflektieren und meine wirren Gedanken zu Dungeon World zu ordnen. Falls ich also kompletten Unsinn verzapfe, bitte ich die anwesenden DW-Veteranen mich umgehend und gnadenlos zu korrigieren.

Spiele ueber Dungeons
Fangen wir der Einfachheit halber mit den Gemeinsamkeiten von D&D und Dungeon World an. Es ist kein Zufall, dass beide Spiele das Wort "Dungeon" im Titel fuehren, denn im Grunde behandeln sie beide dasselbe Thema, oder aehneln sich in dieser Hinsicht doch zumindest stark. Grundsaetzlich sind sowohl D&D als auch DW Fantasy-Rollenspiele, in denen die Spieler in die Rolle von Abenteurern schluepfen, die sich in einer von toedlichen Gefahren gespickten Welt Ruhm und Reichtum erwerben wollen. Dazu stellen sich die Helden allerlei ueblen Monstern und Boesewichten in den Weg, deren traditionelles Habitat das unterirdische Gewoelbe darstellt. In beiden System wird das Konzept des Verlieses dabei allerdings relativ weit gefasst: Man koennte im Kontext von D&D und DW sagen, dass ein Dungeon eine beliebige raeumlich klar abgegrenzte Oertlichkeit voller Herausforderungen und Gefahren ist. Diese Oertlichkeit kann dabei das klassische Verlies sein, aber auch eine natuerliche Hoehle, eine Festung, ein verwunschener Wald oder eine Ruinenstadt in der Wueste. Die Helden meistern nach und nach immer groessere Herausforderungen, und erlangen dadurch Erfahrung, die sich in wachsender persoenlicher Macht niederschlaegt, sowie in Reichtum in mannigfaltiger Form (Muenzen, Edelsteine, verzauberte Schwerter, Festungen - you name it).

D&D als Erbe von Chainmail
Man kann auf Grund der erlaeuterten Gemeinsamkeiten also sicher behaupten, dass beide Spiele dasselbe Genre bedienen, naemlich letzten Ende das der heroischen Fantasy, wobei das Ganze mit zunehmender Stufe der Helden in beiden Faellen in Richtung epische Fantasy abdriftet. Es ist auch kein Geheimnis, dass Dungeon World sich in gewisser Hinsicht als Erbe von D&D betrachtet, oder anders ausgedrueckt: Ohne D&D wuerde es Dungeon World in der vorliegenden Form nicht geben.
Damit hat es sich dann aber aus meiner Sicht auch mit den Gemeinsamkeiten, denn auch wenn beide Spiele im selben Genre zu verorten sind, ist das, was sie dann innerhalb dieses Genres machen etwas ganz anderes. Man muss sich naemlich jenseits des Genres anschauen, woher die beiden Spiele kommen. D&D ist, wie allgemein bekannt, urspruenglich aus dem Wargaming Bereich, genauer aus dem Spiel Chainmail hervorgegangen. Urspruenglich ging es hier also um eine Taktiksimulation, die dann im Lauf der Zeit um den narrativen Aspekt des Rollenspiels erweitert wurde - eine Entwicklung, die vermutlich zur Zeit von AD&D 2nd Edition ihren Hoehepunkt erreicht hat. Trotzdem sind die Wurzeln von D&D auch heute noch klar zu erkennen. Dungeon World hingegen, mag sich zwar als Hommage an das Genre von D&D und dessen Metasetting verstehen, als Spiel kommt es jedoch aus einer ganz anderen Richtung, naemlich aus der Gruppe der Erzaehlspiele, die auf der Apocalypse World Engine basieren, griffig gelabelt als "Powered by the Apocalypse" oder kurz PbtA.
Reduziert man aktuelle Editionen von D&D auf ihr Kampfsystem, bleibt letztlich eine Abwandlung der Urvaters Chainmail uebrig, klar die Regeln von heute unterscheiden sich natuerlich erheblich von denen des Originals, aber letztlich bleibt die Abwicklung in Runden uebrig, die Bedeutung der genauen Position der einzelnen Kampfteilnehmer, sowie weitere zentrale Konzepte wie Hit Points und Armor Class. Im Grunde ist das Kampfsystem von daher auch heute noch ein weitgehend eigenstaendiges Spiel, das wenig bis gar nichts mit dem narrativen Modus Operandi zu tun hat, in den das Spiel zwischen den Kampfbegegnungen wechselt. Tatsaechlich trifft auf die meisten Editionen von D&D zu, dass die narrative Ebene des Spiels eigentlich kaum als Spiel bezeichnet werden kann. Vielmehr handelte es sich weitgehend um freies Erzaehlen mit dem Spielleiter als Schiedsrichter, der dann qua Handwedeln darueber entscheidet, welche Konsequenzen die Handlungen der Charaktere haben (stark vereinfacht ausgedrueckt). Tatsaechlich waren die Non-Weapon Proficiencies noch in AD&D 2nd Edition eine optionale Regel. So etwas wie ein wirklich detailliertes Skillsystem wurde erst mit D&D 3E zum Kernbestandteil des Systems erhoben, wodurch auch ausserhalb der Kaempfe ein bisschen mehr Spiel im traditionellen Sinn des Wortes stattgefunden hat. Den Hoehepunkt dieser Entwicklung stellt dann sicherlich die 4. Edition mit dem Konzept der Skill Challenge dar.
In der aktuellen Edition von D&D ist man hingegen wieder weitgehend zu den Wurzeln zurueckgekehrt, das Skill System ist sehr einfach und wird von so manchem Spieler auch eher als Rueckschritt empfunden. Ein gaengiger Vorwurf an D&D 5E ist, dass das System den SL oftmals zur Handwedelei zwingt, weil viele Dinge einfach nicht praezise geregelt sind. Befuerworter der neuen Edition vertreten die Ansicht, dass die Abwesenheit allzu detaillierter Regeln wieder das eigentliche Rollenspiel in den Vordergrund ruecken, und letztlich haben beide Seiten durchaus Argumente fuer ihre Sicht der Dinge, so dass man hier letztlich nur festhalten kann, dass das wohl eine Frage des persoenlichen Geschmacks ist.
Objektiv laesst sich hingegen nicht abstreiten, dass in variierender Auspraegung je nach Edition, es in D&D schon immer einen Bruch gegeben hat, an der Stelle, wo das Spiel vom freien Erzaehlen zum Kampf und wieder zurueck wechselt. Ploetzlich laeuft das Spiel in Runden ab, die Charaktere agieren in einer durch die Initiative etablierten festen Reihenfolge und es ist sehr klar definiert, was sie tun koennen, sobald sie an der Reihe sind.
Dieses "Spiel im Spiel" kann man nun moegen oder nicht, festzuhalten ist aber zumindest, dass es existiert, und dass das Spiel zwei ganz unterschiedliche Modi hat, naemlich Kampf und freie Erzaehlung, die unterm Strich wenig miteinander zu tun haben. Natuerlich sind sie miteinander verknuepft, diese Verknuepfung ist jedoch vergleichsweise lose und der Bruch im Spielfluss ist deutlich zu spueren. Ein Running Gag aus meiner eigenen jahrelangen D&D-Erfahrung lautet: Der Ork stuermt mit erhobener Axt auf euch zu und bruellt: "Initiaatiiiveee!" Er illustriert sehr schoen den erwaehnten Bruch.

Narration powered by the Apocalypse
Dungeon World geht hier als PbtA Spiel einen anderen Weg. Als Apocalypse World Spiel stellt es die Fiktion in Mittelpunkt des Geschehens. Die Spieler und der SL beschreiben jeweils was ihre Charaktere bzw. NSC tun (und wie die Welt darauf reagiert), und durch diese Beschreibungen werden dann letztlich Regelmechanismen ausgeloest. Das Ergebnis einer solchen Regelanwendung ist dann letztlich wieder eine Erweiterung oder Veraenderung der bislang etablierten Fiktion. Das klingt abstrakt und Bedarf der Illustration anhand eines konkreten Beispiels:
Der Paladin in unserer D&D Gruppe verfuegt ueber das Feat "Great Weapon Master", dass es ihm erlaubt, zu Gunsten hoeheren Schadens einen Abzug auf den Angriffswurf in Kauf zu nehmen. Anfangs hat der Spieler noch blumig beschrieben, wie sein Charakter weit mit dem Schwert ausholt und dann so fest zuschlaegt wie er nur kann, doch spaetestens nach der dritten Anwendung wurde daraus ein lapidares: "Ich zieh dem Oger eins mit GMW ueber." Auf Grund der Tatsache, das Kaempfe in D&D nicht selten Gefahr laufen in einem langwierigen Runterwuerfeln von Trefferpunkten zu enden, ist dem Spieler hier auch kaum ein Vorwurf zu machen: Irgendwann hat man die sich aufdraengenden Beschreibungsvarianten fuer eine Verwendung der selben Faehigkeit einfach erschoepft.
In Dungeon World hingegen widerspricht die erwaehnte Aktionsbeschreibung direkt den Regeln des Spiels. Der Spieler nennt nicht die eingesetzte Faehigkeit (in DW als Spielzug oder Move bezeichnet). Stattdessen beginnt alles mit der Beschreibung dessen was der Charakter auf Ebene der Fiktion tut. Diese Beschreibung loest nun einen Spielzug aus, der seinerseits aus einem Wuerfelwurf und einem Ergebnis besteht. Das Ergebnis hat oft eine Komponente, die sich auf die Regeln bezieht, und IMMER eine auf der Ebene der Fiktion, das heisst die Situation aendert sich durch die Aktion des Charakters auf irgendeine Weise. Im besten Fall erreicht der Charakter dass, was er bei seiner Aktion im Sinn hatte. Oft ist es aber so, dass der Erfolg einen Preis in Form von Konsequenzen hat: Der Paladin schafft es, dem Oger mit seinem Zweihaender eine klaffende Wunde zuzufuegen, doch die Klinge bleibt im Hueftgelenk der Kreatur stecken, welche vor Schmerz aufheult und nun ihrerseits ihre mit rostigen Eisenstacheln versehene Keule in der Schulter unseres Helden versenkt. Scheitert der Wuerfelwurf fuer den Spielzug komplett, so darf der SL nun seinerseits einen Spielzug ausfuehren. So koennte der Oger den Hieb des Paladins mit seiner Keule parieren, wodurch unser strahlender Held entwaffnet wird.
Dadurch gilt, dass am Anfang um am Ende jedes Spielzugs die Fiktion steht: Spielzuege werden durch Beschreibungen auf Ebene der Fiktion ausgeloest (und nicht durch die Ankuendigung des Spielers, dass sein Charakter "Hauen und Stechen" gegen den Oger einsetzt). Nachdem der regeltechnische Teil des Spielzugs abgewickelt wurde, wird nun ausserdem neue Fiktion etabliert. So muss jeder Spielzug die Situation veraendern, selbst wenn die Veraenderung manchmal vielleicht nicht besonders gross ist. Es mag auf den ersten Blick nicht als signifikanter Unterschied zu D&D erscheinen - doch dort aendern viele Aktionen der Spieler im Kampf auf Ebene der Fiktion erstmal nicht viel bis gar nichts: Ein Oger, der 20 Schadenspunkte erlitten hat ist noch immer exakt genau gleich gefaehrlich und kampfbereit wie ein voellig unversehrter Artgenosse. An der grundsaetzlichen Situation hat sich deswegen nach einem nicht fatalen Treffer erstmal nichts geaendert.
WIchtig ist auch, dass Dungeon World nicht zwischen Kampf und freier Erzaehlung entscheidet. Das Spiel kennt durchgaengig nur einen einzigen Modus, und der funktioniert so, dass die Spieler beschreiben, was ihre Charaktere tun. Durch diese Beschreibungen werden Regelmechanismen in Form von Spielzuegen ausgeloest, die harte regeltechnische Auswirkungen haben und ausserdem das Spiel auf Ebene der Fiktion vorantreiben, indem sie gegenwaertige Situation - mal mehr, mal weniger stark - veraendern. Dadurch entsteht einfach ein ganz anderer Flow und die Handlung entwickelt sich stetig weiter. Die Narration bleibt in Bewegung und das Tempo bleibt dabei weitgehend konstant. Bei den taktischen Kaempfen von D&D hingegen gerinnt die Zeit gerne mal zu Honig, und fuer einen Kampf, der tatsaechlich kaum eine Minute dauert kann am Spieltisch schnell mal eine halbe Stunde und mehr verstreichen.

Soviel erstmal zu meinem persoenlichen Verstaendnis von Dungeon World, und wie es sich zu D&D verhaelt. Mir ist bewusst, dass dieser Text bei vielen Lesern wohl einige Fragezeichen hinterlassen wird. Fuer diesen Fall kann ich nur waermstens die Dungeon World Episoden des System Matters Podcasts empfehlen, die das Spiel sehr anschaulich vorstellen und einem sehr guten Eindruck davon vermitteln, wie es funktioniert. Ich wurde auf diese Weise angefixt und habe mich letztlich dazu verleiten lassen, Geld auf das Crowdfunding der deutschen Uebersetzung von Dungeon World zu werfen.

Ich persoenlich finde die Konzepte hinter Dungeon World spannend und erfrischend anders als ich es aus D&D gewoehnt bin. Ausserdem schaetze ich sehr, dass das Spiel tatsaechlich sehr einfach ist, was die Regelseite angeht. Damit steht es im krassen Gegensatz zu einem anderen Indiespiel, das ich sehr schaetze, dessen Regeln jedoch ein ziemlicher Block sind. Die Rede ist von Burning Wheel und seinen Derivaten Mouse Guard und Torchbearer, doch dazu vielleicht an anderer Stelle mehr.

Großartig! Vielen Dank für die Zusammenfassung bzw. Gedanken, Talwyn!!

DW scheint aber demnach leider nichts für mich zu sein. Die Ansätze sind jedoch durchaus interessant.
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Offline tartex

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #11 am: 25.01.2018 | 15:01 »
Dadurch gilt, dass am Anfang um am Ende jedes Spielzugs die Fiktion steht: Spielzuege werden durch Beschreibungen auf Ebene der Fiktion ausgeloest (und nicht durch die Ankuendigung des Spielers, dass sein Charakter "Hauen und Stechen" gegen den Oger einsetzt). Nachdem der regeltechnische Teil des Spielzugs abgewickelt wurde, wird nun ausserdem neue Fiktion etabliert. So muss jeder Spielzug die Situation veraendern, selbst wenn die Veraenderung manchmal vielleicht nicht besonders gross ist. Es mag auf den ersten Blick nicht als signifikanter Unterschied zu D&D erscheinen - doch dort aendern viele Aktionen der Spieler im Kampf auf Ebene der Fiktion erstmal nicht viel bis gar nichts: Ein Oger, der 20 Schadenspunkte erlitten hat ist noch immer exakt genau gleich gefaehrlich und kampfbereit wie ein voellig unversehrter Artgenosse. An der grundsaetzlichen Situation hat sich deswegen nach einem nicht fatalen Treffer erstmal nichts geaendert.

Wobei es beim Ansatz von Dungeon World natürlich auch die Gefahr gibt, irgendwo "stecken zu bleiben".

Z.B. habe ich mit meinem Fighter eine ganze Reihe von tollen Ausweichmanövern und Grappels beschrieben, bin dann aber nie zum Angriff gekommen. Nach 15 Minuten war dann auch irgendwie die Luft raus.

Ich hatte die Erwartungshaltung, dass ich auch mal zum Angriff kommen würde, bzw. dass meine Grappels als Angriffe zählen. Weil der Spielleiter aber die Regeln hinter der Fiktion für uns verborgen hat, war mir nicht klar, dass ich aus seiner Perspektive meine Beschreibungen nie einen Hack&Slash-Move auslöste, sondern immer nur Defy Danger machte.

Wenn ich einfach gesagt hätte: "Ich ziehe dem Gegner jetzt eine mit dem Schwert rüber!", hätte ich das Problem nicht gehabt.

Es gibt also schon einige Fallen, in die man hier tappen kann. Die andere, die mir aufgefallen ist, ist das Abgleiten in Slapstick bei Teilerfolgen. (Siehe allgemeiner Dungeon-World-Thread.)

« Letzte Änderung: 25.01.2018 | 15:06 von tartex »
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Offline Edwin

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #12 am: 25.01.2018 | 15:06 »
Zur Kampagnensache:

DW haben wir etwa ein Jahr gespielt, mit einer Frequenz von einer Sitzung pro Woche, Spielzeit 2-2,5 h je.

Wir waren bei 2/3 der Zeit mit allen Chars bei Stufe 10. Die Gruppe wurde dann getrennt. Der 10er Druide ging in den Süden und traf dort auf einen Mid-Level Wizard und einen Mid-Level Paladin.

Der Level 10 Fighter und der level 10 Thief gingen in den Norden und trafen dort einen Mid-Level Cleric.

Nord- und Südgruppe wurden dann abwechselnd gespielt.

Das Spiel trug so schon gut über ein Jahr, allerdings hatten wir dann stark das Gefühl, es "durchgespielt" zu haben: die meisten Klassen waren gespielt worden, und innerhalb der Klassen gibt es auf Level 10 dann nicht mehr so viel Variation (die meisten Moves wurden irgendwann genommen).

Heute würde ich sagen: DW hat sehr viel Spaß gemacht, aber irgendwie habe ich damit abgeschlossen.

EDIT: um den Bogen zum Thema zu schlagen - wenn man etwas länger DW spielt, hat man relativ schnell große Teile des "Crunches" bespielt. Das steht im krassen Gegensatz zu DnD, wo man ja selten und nur sehr langsam in die höchsten Level vordringt und nie die enorme Auswahl von Rassen, Klassen, Feats, Zaubern etc. bespielt haben wird.
« Letzte Änderung: 25.01.2018 | 15:17 von Edwin »
Guten Tag! Ja, ich bin ein sprechendes Pferd mit einer Kerze auf dem Kopf, aber kommunizieren Sie doch bitte mit mir so unbefangen wie mit bipedalen vernunftsbegabten Lebewesen auch!

Offline Arldwulf

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #13 am: 26.01.2018 | 09:55 »
Mit Dungeon World hatte ich bisher in jedem Fall jede Menge Spaß, gerade Anfangs. Auch als langjähriger D&D Spieler. Und ich konnte anschließend auch einige Sachen in meine D&D Runden übernehmen. Gerade die Bonds bieten sich dort als Möglichkeit an, und generell finde ich sollte man als Spielleiter viel Improvisation und beschreibendes Spiel fördern.

Aber da kommt das ganze auch zu den Problemen, die Mechanik mit der DW Konflikte löst ist letztlich eher beschreibungsfeindlich und hilft dem Spielleiter und Spielern nur sehr wenig dabei aus den Beschreibungen der Aktionen Konsequenzen abzuleiten. Ohne diese sind Beschreibungen aber letztlich sinnlos.

Letztlich fühlte sich das ganze darum ein wenig wie zwischen den Stühlen an. Früher, bevor ich zu D&D kam spielte ich mal reine Freiform Rollenspiele. Die hatten nur eine Regel, der Spieler sagt was er macht, der Spielleiter was passiert. Teilweise ganz ohne Würfel, ohne festgelegte Mechanik. Umgedreht bieten heutige D&D Versionen dem Spielleiter und den Spielern viel Material wie man sehr verschiedene Konsequenzen aus verschiedenen Aktionen ableiten kann.

Aus Designsicht bin ich inzwischen der Meinung dies ist der bessere, beschreibungsfreundlichere Ansatz, insbesondere dann wenn das System zusätzlich zu diesen vorhandenen Schablonen für Aktionen auch noch dazusagt: Das ist noch nicht alles, improvisier! Hier sind Hilfsmittel wie du das machen kannst!

Dungeon World hat mir wirklich Spaß gemacht, doch nach sehr schneller Zeit fühlte sich die Konfliktresulution so an als ob man dort die Probleme beider Welten ohne ihre Vorteile hat. Quasi das Gefühl die schöne Beschreibung welche man sich ausgedacht hat für die eigene Aktion wird letztlich zunichte gemacht weil sie von dem System in Schublade A oder B einsortiert wird welche anschließend die entsprechende Standardkonsequenz - wenn auch angepasst an die aktuelle Situation - ausspuckt. Oben geht Talwyn gut darauf ein, dass bei DW zuerst beschrieben und dann die Mechanik genutzt wird. Ich glaube inzwischen aber, ob ein Spiel beschreibungsfreundlich ist entscheidet sich nicht an der Reihenfolge in der man seine Komponenten nutzt, sondern darin wie gut die Beschreibung in Spielmechanik umgesetzt werden kann. Und hier bleibt das System leider vieles schuldig.

Gut funktioniert DW meiner Meinung nach wenn die Situationen sich so oft abwechseln, dass dies nicht auffällt. Oder man nur kurz spielt, z.B. in One Shots.

Aber noch besser ist es die guten Ideen daraus zu klauen, nach D&D (oder ein anderes System) mitzunehmen und dort dann davon zu profitieren. Gerade mit Bonds in D&D hab ich gute Erfahrungen gemacht.
« Letzte Änderung: 26.01.2018 | 10:11 von Arldwulf »

Offline aikar

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #14 am: 31.01.2018 | 08:04 »
Das Spiel trug so schon gut über ein Jahr, allerdings hatten wir dann stark das Gefühl, es "durchgespielt" zu haben: die meisten Klassen waren gespielt worden, und innerhalb der Klassen gibt es auf Level 10 dann nicht mehr so viel Variation (die meisten Moves wurden irgendwann genommen).
Kann es sein, dass hier einfach falsche Erwartungen an das Spiel gestellt werden? Ich hatte es immer eher so verstanden, dass Dungeonworld sich durch die Story und den Weltenbau trägt, eben nicht durch den Charaktercrunch.
d.h. im Zweifelsfall würde ich einfach eine neue Kampagne(n)welt starten.
Wenn den Spielern natürlich die regeltechnische Entwicklung der Charaktere sehr wichtig ist, ist es wahrscheinlich nicht das richtige Spiel für die Gruppe. Da fällt DW wohl eher in eine Ecke mit z.B. Fate.
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline Ginster

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #15 am: 31.01.2018 | 08:38 »
Kann es sein, dass hier einfach falsche Erwartungen an das Spiel gestellt werden? Ich hatte es immer eher so verstanden, dass Dungeonworld sich durch die Story und den Weltenbau trägt, eben nicht durch den Charaktercrunch.

Das war auch mein erster Gedanke. Dennoch kann ich verstehen, dass sich die Playbooks irgendwann verbraucht haben.

Offline Arldwulf

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #16 am: 31.01.2018 | 10:50 »
Kann es sein, dass hier einfach falsche Erwartungen an das Spiel gestellt werden? Ich hatte es immer eher so verstanden, dass Dungeonworld sich durch die Story und den Weltenbau trägt, eben nicht durch den Charaktercrunch.
d.h. im Zweifelsfall würde ich einfach eine neue Kampagne(n)welt starten.
Wenn den Spielern natürlich die regeltechnische Entwicklung der Charaktere sehr wichtig ist, ist es wahrscheinlich nicht das richtige Spiel für die Gruppe. Da fällt DW wohl eher in eine Ecke mit z.B. Fate.

Das Problem ist: Der Charaktercrunch ist die Beschreibung der Entwicklung des Charakters in der Geschichte. Das ganze lässt sich nicht so einfach trennen, gerade in einem System welches so stark darauf aus ist die Mechanik auf diese Charakterentwicklung und Bindung an Story und Gruppenmitglieder zu beschränken.

Offline Olibino

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #17 am: 31.01.2018 | 12:41 »
Ich starte demnächst eine Dungeon World Kampagne. Eine der Sachen, die ich noch nicht so richtig durchdrungen habe sind die Bonds. Welche positiven Erfahrungen habt ihr denn damit gemacht? Wie haben sie das eigentliche Spiel bereichert?

Das Spiel trug so schon gut über ein Jahr, allerdings hatten wir dann stark das Gefühl, es "durchgespielt" zu haben: die meisten Klassen waren gespielt worden, und innerhalb der Klassen gibt es auf Level 10 dann nicht mehr so viel Variation (die meisten Moves wurden irgendwann genommen).
Es gibt ja zu Dungeon World (auf Englisch) hunderte von zusätzlichen Playbooks, z.B. bei DriveThroughRPG. Einige auch umsonst oder als Bestandteil von den größeren Erweiterungsbänden.

Offline Feuersänger

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #18 am: 31.01.2018 | 12:53 »
Wir haben das vor ein paar Jahren mal ausprobiert. Leider kannte sich in der Anfangskonstellation niemand mit den Feinheiten des Systems aus, und wir haben mehr oder weniger versucht es wie D&D zu spielen. Sprich, jeder Treffer macht HP-Schaden und so. Erst gegen Ende hat uns Elfenlied ein Licht aufgesteckt, dass im Gegenteil bei einem Hack&Slash-Ergebnis <10 meistens irgendwas anderes passieren und HP-Schaden die Ausnahme sein sollte. Aber dann ist die Gruppe eh eingeschlafen.

Wenn man den Bogen raushat mit den Konsequenzen, und alle Spieler auf der gleichen Welle schwimmen, also generell eher narrativ orientiert sind, kann es wohl schon gut für eine längere Kampagne funzen. Insbesondere da man ja mit den Leveln auch neue Fähigkeiten bekommt und so.
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Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

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Offline Arldwulf

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #19 am: 31.01.2018 | 13:42 »
Ich starte demnächst eine Dungeon World Kampagne. Eine der Sachen, die ich noch nicht so richtig durchdrungen habe sind die Bonds. Welche positiven Erfahrungen habt ihr denn damit gemacht? Wie haben sie das eigentliche Spiel bereichert?

Aus meiner Sicht sind sie ein sehr gutes Mittel um Beziehungen der Charaktere untereinander und zur Spielwelt zu etablieren und dafür zu sorgen, dass sie nicht einfach nur im Hintergrund bleiben sondern auch angespielt werden.

Da war meine Erfahrung also sehr positiv. Wie oben schon gesagt habe ich diese auch (leicht abgewandelt) nach D&D übernommen und mit dem D&D 4E Questsystem kombiniert um die mechanische Wirkung zu emulieren. Auch da waren meine Erfahrungen sehr gut...Bonds sind schlicht eine sehr schöne und sinnvolle Technik.

Offline Olibino

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #20 am: 31.01.2018 | 19:52 »
Könntest du evtl. ein Beispiel nennen?

Offline Ginster

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Re: Dungeon World fuer D&D Spieler
« Antwort #21 am: 31.01.2018 | 20:00 »
Die Bonds sind Beziehungen zwischen den Charakteren. Sie sind schnell ausgedacht, schaffen aber meist gute Fakten, die die Story voran treiben. Wenn der Dieb Charakter X etwas gestohlen hat, dann wird nebenbei vermutlich auch noch der Fakt etabliert was das ist und es wird in der Kamapgne wahrscheinlich eine Rolle spielen. Dass die Bonds potentiell mit XP verknüpft sind schafft noch einen weiteren Anreiz, sie auch auszuspielen/aufzulösen.