Autor Thema: Politische und gesellschaftskritische Rollenspiele - Aktuell, Zukunft und Impact  (Gelesen 6477 mal)

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Online Ludovico

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Moin Leute,

in der Vergangenheit gab es eher weniger Spiele, die einen politischen oder gesellschaftskritischen Ton hatten und wenn, dann war es sehr dezent.
Auf Kickstarter und auch dank Teylens hervorragenden Hinweisen darauf, was es so an Neuigkeiten dort an Rollenspielen gibt, erscheint es mir, dass sich das nun ändert.
Hinzu kommt eine Initiative namens New Agenda Publishing, die wohl auch dafür sorgen wird, dass es mehr politische und gesellschaftskritische RPGs geben wird.

Meine Fragen:
a) Was gibt es aktuell? (Mir ist u.a. Sigmata bekannt)
b) Wie sieht eurer Meinung nach die Zukunft aus? Wird es mehr solcher Spiele geben? Wenn ja, wieso oder wieso nicht? Welche inhaltliche Ausrichtung werden sie haben?
c) Wie steht ihr zu diesen Spielen?

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Sigmata - This Signal kills Fascists
New Agenda Publishing
« Letzte Änderung: 2.02.2018 | 10:20 von Ludovico »

Offline 1of3

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Ich bin mir noch nicht ganz sicher, welche Spiele du genau meinst. Hast du mal ein paar Beispiele?

Ansonsten aber:

Zitat
b) Wie sieht eurer Meinung nach die Zukunft aus? Wird es mehr solcher Spiele geben?

Ja. Aus dem einfachen Grund das mit Kickstarting, Patreon und generell Verfügbarmachung übers Internet es viel einfacher ist auch Nischen-Nischen-Nischenprodukte zustande zu bekommen.

Offline felixs

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a) Weiß ich nicht.
b) Keine Ahnung.
c) Ich glaube nicht, dass Spiele das geeignete Medium für politische Einflussnahme sind. Erstens gehe ich davon aus, dass man ohnehin nur die erreicht, die schon überzeugt sind. Anderen fällt die politische Botschaft entweder nicht auf oder sie interessiert das Spiel schlicht nicht. Zweitens fallen mir keine Beispiele dafür ein, dass in einem nicht-argumentativen Medium Inhalte überzeugend (für nicht-ohnehin-schon-Überzeugte) dargestellt werden. Man könnte noch überlegen, ob die emotionale Ebene nicht überzeugend sein könnte. Dem steht meines Erachtens die Notwendigkeit des aktiven und selbstständigen Agierens beim Rollenspiel entgegen. Während passiv rezipierte Medien (Filme, Bücher) möglicherweise emotional überzeugend sein können, funktioniert das bei Szenarien, wo die zu Überzeugenden selbst diese überzeugende Emotion kreieren müssten, nicht.
Abgesehen davon scheint mir, dass man für die Einbindung politischer und sozialkritischer Inhalte kein speziell dafür ausgelegtes Rollenspiel braucht. Das geht in jedem System, wenn man will.
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Maischen

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Was mich reizen würde wären Sittengemälde vergangener Zeiten die zu schreienden Ungerechtigkeiten führen. (Das könnte auch das Bedürfnis der Spieler steigern, hier mittels ihrer SCs einzugreifen.)

Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sich hierfür viele Spieler begeistern lassen würden.

Online Ludovico

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Ich bin mir noch nicht ganz sicher, welche Spiele du genau meinst. Hast du mal ein paar Beispiele?

Hab oben zwei Links eingefügt.
Sigmata ist als Beispiel dabei.

Ich würde vielleicht sogar Blue Rose einordnen (nach dem, was ich darüber gelesen habe).

Offline achlys

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Was mich reizen würde wären Sittengemälde vergangener Zeiten die zu schreienden Ungerechtigkeiten führen. (Das könnte auch das Bedürfnis der Spieler steigern, hier mittels ihrer SCs einzugreifen.)

Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sich hierfür viele Spieler begeistern lassen würden.
Geht Blue Beards Bride nicht in diese Richtung? Das hat ja durchaus eine solide Fangemeinde, auch hier im Forum.

Offline KhornedBeef

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Ich bin auch etwas skeptisch, was die Kritik und Auseinandersetzung mittels Rollenspiel mit politischen Inhalten betrifft, aus dem gleichen Grund wie felixs: Welche Gruppe setzt sich denn mit "Realer Marxismus - Das Spiel" an den Tisch?
Das Problem ist eben wie gesagt dass die wesentlichen Entscheidungen da in der Gruppe getroffen werden. Ausnahmen:So etwas wie Con-Spiele. Aber auch da müsste es schon sehr subtil sein.
Mich würde eher ein Moral- als ein Politik-Thema interessieren. Für "gut" hält sich jeder, aber was heißt das? Aber, wie auch schon genannt, damit beschäftigen sich auch jetzt schon Spielrunden, weil es sehr gut außerhalb der Regeln funktioniert.
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Offline Chruschtschow

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Zu (a)
Es gab und gibt einen ganzen Haufen Zeug.

Die Dorp hat mit "Ihr Name ist Mensch" erst Ende 2017 rausgebracht. Da wird Flucht bzw. Umgang mit Flüchtlingen thematisiert.

Cyberpunk?!? Das ganze Genre fußt auf der Kritik daran, wie sich die Menschheit im Spannungsfeld von Technologie und Raubtierkapitalismus in die nächste Dystopie stürzt. Und überhaupt jede ... verdammte ... Dystopie - und da gibt es einige - ist eine Projektion von Entwicklungen, die vom Autor als falsch oder zumindest problematisch wahrgenommen werden.

The Trial of Poland gibt es auch von einem Tanelorni auf deutsch, wenn ich mich recht erinnere. Panzer gegen Solidarność? Kannst du machen.

Um mal ein paar deutliche Punkte zu nennen. Manchmal haben das Autoren auch mehr oder weniger subtil untergebracht. Da stößt man beim aufmerksamen Schauen, Spielen, Lesen ja immer wieder drauf. Beispielsweise habe ich letztens mal endlich XCom2 gestartet. Leute werden millionenweise genetisch sortiert und dann massenweise per Zug zu Orten verbracht, wo sie abgeschieden vom Rest der Menschheit aufgelöst? Ja, sehr subtil. Nicht.

Zu (b)
Die Entwicklung zeigt doch schon,  dass das immer mehr werden. Der Rollenspielmarkt ist anscheinend gewachsen - siehe "Rollenspiel ist tot"-Thread - und Autoren wie auch Konsumenten scheinen diverser als je zuvor. Kickstarter und Internet ermöglichen die Veröffentlichung auch von obskurem Kram. Gamergate ist damals ja auch in den Rollenspielbereich rein geschwappt. Sachen wie ConTessa mit Spielrunden, die erst für Frauen, später für andere Spielergruppen auf Cons organisiert wurden. Das alles hinterlässt natürlich Spuren in dem, was veröffentlicht wird. Selbstredend gibt es Leute, die ihre Meinungsfreiheit davon bedroht sehen, dass plötzlich auch andere Meinungen in ihrem Lieblingshobby geäußert werden. Aber auch das ist ja nur ein Abbild einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung.

Zu (c):
Grundsätzlich erst ein Mal mehr Meinungen, mehr gut. Mehr Spiele, mehr gut. :)
Es muss ja keiner das gesellschaftskritische Zeug spielen. Klar, es gibt einige Vollhonks, die daraus den Niedergang des Abendlandes und den Sturz des heiligen Gary konstruieren. Einfach mal nach dem "Alt-right GM" suchen und nachlesen, warum "women ruin everything". ::) Aber wer Meinungsfreiheit propagiert, muss sich halt auch manchmal anhören: "Ich finde deine Art zu spielen ziemlichen Mist."
« Letzte Änderung: 2.02.2018 | 11:21 von Chruschtschow »
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Offline KhornedBeef

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Wo du es gerade sagst ("mehr Meinungen, mehr gut"): Das ist der einzige Nachteil den ich mir mühevoll aus den Fingern saugen kann, noch mehr Zersplitterung durch mehr Systeme. Mit Phantasie auch "Sorry ich würde gerne mit euch spielen, aber ich bin voll auf rechtslibertäre anti-queerness genderneutrale Spiele umgestiegen", aber eigentlich halte ich das für Bullshit. Die Leute spielen, wie sie spielen, da verlaufen die wichtigeren Trennlinien. Es werden überwiegen die gleichen, kompatiblen Leute sein, die sich auf gerade diese Nische, in welcher Ausprägung auch immer, einlassen können. Alles gut, denke ich.
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Offline Teylen

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Meine Fragen:
a) Was gibt es aktuell? (Mir ist u.a. Sigmata bekannt)
b) Wie sieht eurer Meinung nach die Zukunft aus? Wird es mehr solcher Spiele geben? Wenn ja, wieso oder wieso nicht? Welche inhaltliche Ausrichtung werden sie haben?
c) Wie steht ihr zu diesen Spielen?

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Sigmata - This Signal kills Fascists
New Agenda Publishing
Zu der Frage nach aktuellen Spielen / Projekten / Verlagen:

P&P Spiele

SIGMATA: This Signal Kills Fascists
Ein P&P Spiel welches den (gewaltsamen) Widerstand gegen faschistische Systeme thematisiert.
The Watch RPG
Ein P&P Spiel welches die Geschlechtsdebatte aufgreift.
Misspent Youth RPG: Sell Out with Me!
Ein Spiel welches das verraten oder festhalten der eigenen Ideale im Kontext jugendlicher Revolution gegen das System thematisiert.
Night Witches
Ein Spiel über die weiblichen, russischen Piloten während des zweiten Weltkriegs.
Grey Ranks
Ein Spiel, welches die Charaktere in die Rolle (ungeübter) Kämpfer um 1944 setzt.
Montsegur 1244
Ein Spiel welches die Charaktere in die historische Rolle der Leute auf der Burg Montsegur um 1244 setzt (Religion).
Hunde im Garten des Herrn
Ein Spiel, das die Spieler als Missionare/Richter einer an die Mormonen angelehnte Religion durch den wilden Westen schickt. (Politik)
Harlem Unbound, a Cthulhu roleplaying game sourcebook
Ein Ergänzungsband für Cthulhu welche das Schwarze Harlem der Zwanziger Jahre als Spielfläche öffnet und dabei auch Rassismus wie Diskriminierung thematisiert. [Absichtlich dahingehend entwickelt]
Monsterhearts
Nutzt den Urban Fantasy Ansatz um Sexualität, Pubertät und Geschlechtsidentität zu thematisieren.

LARP

#Feminism - A Nano Game Anthology
Recht präzise das was der Name sagt. Wurde von Pelgrane Press letzte Woche noch ergänzt.
The Forgotten
An "This War of Mine" angelehntes LARP - wobei man am Tisch sitzen bleibt - wo man Leute spielt die sich in einem Kriegsgebiet in einem Keller verschanzt haben.

Es gibt im LARP noch weitaus mehr Beispiele, allerdings sind das so zwei neuere und zugänglichere. Gerade das "Nordic LARP" hat eine Tradition politische Themen aufzugreifen und umzusetzen. (Baltic Warriors bzgl. Umweltverschmutzung, Just a little Lovin' bzgl. der LGTB-Szene in Frisco zur AIDS-Epedmie und weitere)

Verlage

New Agenda Publishing
Ist ein Verlag von afro-amerikanern (Eloy Lasanta, Misha, Jerry) der gezielt afro-amerikanischen/Schwarzen Entwicklern wie Designern eine Plattform geben möchte.
Darker Hue Studios
Ist ein Verlag / Autor der ebenfalls explizit um Inklusion bemüht ist.
MVmediaa
Ist ein Verlag der bewusst "Schwarze Spekulative Fiction" publiziert und auch ein RPG im Programm hat.
Desweiteren versuchen mittlerweile weitere Verlage das Feld der Designer wahlweise über die Geschlechter oder die Ethnien hinweg zu durchmischen. Das heißt Cam Banks, Magpie Games, Onyx Path und anderen schreiben Suchen nach Schreibern so aus das sie entweder explizit Frauen, Nicht-Weiße sowie Minderheiten einladen oder nur Bewerbungen von solchen annehmen.

Daneben rückt die gesamte Welt der Dunkelheit weiter in das politische, was auch wieder mit dem Ankündigungstext zum neusten Werwolf: Die Apokalypse Logo hervorgehoben wurde.

Die jeweiligen Listen sind nicht unbedingt vollständig.
Ich denke das es dahingehend eher mehr wird, auch wenn ich nicht unbedingt die "Riesenwelle" erwarte.

Ich halte es für eine begrüßenswerte Entwicklung.
« Letzte Änderung: 2.02.2018 | 12:58 von Teylen »
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Online nobody@home

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Ketzerische Gegenfrage: gibt's überhaupt nichtpolitische Rollenspiele, oder transportieren die, von denen wir das glauben, nicht auch selber schon (eventuell vom Verfasser nicht mal bewußt beabsichtigte) politische Botschaften, die uns nur einfach deshalb nicht auffallen, weil sie mit unseren eigenen schon vorhandenen Überzeugungen mehr oder weniger zufällig übereinstimmen? 8]

Offline Teylen

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Ein Kriterium nachdem ich die Beispiel-Spiele ausgewählt waren, ist das sie von den Autoren bewusst in einem politischen Kontext geschrieben in Hinblick darauf designed wurden sowie die Autoren von sich aus angeben damit eine Aussage außer "seit unterhaltet!" treffen wollen.

Das heißt Convention of Thorns, als White Wolf (Dziobak) LARP, würde ich nicht nennen. Es thematisiert das fiktionale Event, das politisch ist, hat aber daneben eigentlich keine realweltlichen Bezüge, außer das Menschen auch Politik machen.
Das heißt End of the Line, als White Wolf (PDA) LARP, würde ich eher nicht nennen. Es thematisiert zwar menschliche Abgründe, Drogen, Abhängigkeit, ist allerdings nicht auf eine politische, gesellschaftliche Thematik hin ausreichend fokussiert.
Das heißt Parliament of Shadows, als White Wolf (PDA) LARP, würde ich auf jeden Fall nennen. Weil man europäische Lobbyisten im europäischen Parlament sogar mit echten europäischen Parlamentariern spielt und die Organisatoren dies stark betonen.
« Letzte Änderung: 2.02.2018 | 11:47 von Teylen »
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Offline Blechpirat

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War da nicht noch eines, dass sich mit Kolonalisierung befasst?

Offline Teylen

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Wobei ich es eher für ein Brettspiel als für ein RPG hielt - bei sehr oberflächlicher Betrachtung.

Ansonsten habe ich meinen vorherigen Post noch um Beispiele ergänzt.
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Offline Thandbar

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Ketzerische Gegenfrage: gibt's überhaupt nichtpolitische Rollenspiele, oder transportieren die, von denen wir das glauben, nicht auch selber schon (eventuell vom Verfasser nicht mal bewußt beabsichtigte) politische Botschaften, die uns nur einfach deshalb nicht auffallen, weil sie mit unseren eigenen schon vorhandenen Überzeugungen mehr oder weniger zufällig übereinstimmen? 8]

Sehe ich im Kern ebenso, ich würde aber noch hinzufügen, dass Rollenspiele auch politische Narrative weitertragen können, die heute gar nicht mehr als politisch wahrgenommen werden und auch nicht Teil unserer politischen Überzeugungen "im richtigen Leben" sind. (Also die Wiederherstellung der 'rechtmäßigen' Königslinie, die Vertreibung der Barbaren aus den Grenzlanden etc.)

Einige der vorgestellten Titel scheinen mir manifest tagespolitisch zu sein, also zum Beispiel auf Trumps Wahlkampagne anzuspielen. Ich empfinde das schon als einen *sehr* unterschiedlichen Ansatz, obwohl ich Dein grundlegendes Argument auf alle Fälle überzeugend finde. 
« Letzte Änderung: 2.02.2018 | 11:54 von Thandbar »
"Du wirst direkt in diesem Moment von einer Zilliarde grünkarierter Kakerlakeneinhörner in Tweedanzügen umzingelt, die mit Fallschirmen aus gebeiztem Vanillepudding aus der nächstgelegenen Dattelpalme springen und dich zu ihrer Avonberaterin krönen - und die Krone ist aus Dr. Frankensteins bösartig mutiertem Killernougat! Streich dir 78000 Hirnschadenspunkte ab und mach sofort eine Jodelimprovisation!"

Offline Hotzenplot

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a) Was gibt es aktuell? (Mir ist u.a. Sigmata bekannt)
Habe bisher keines der Spiele gespielt und kenne nur die hierzuforum üblicherweise genannten RGPs. Interesse hätte ich schon, ABER...
Zitat
b) Wie sieht eurer Meinung nach die Zukunft aus? Wird es mehr solcher Spiele geben? Wenn ja, wieso oder wieso nicht? Welche inhaltliche Ausrichtung werden sie haben?
Ich sehe die Zukunft eher kritisch, was die Massentauglichkeit angeht. Rollenspiele, die auch am Tisch den Fokus auf gesellschaftskritische Themen haben, könnte ich nur mit solchen Leuten spielen, die in einem ähnlichen Meinungsspektrum schwimmen wie ich und die ich so einschätze, dass ich mit ihnen gesellschaftspolitische Themen besprechen kann, ohne dass sich jemand später auf den Schlips getreten fühlt. Das schränkt die Mitspielerauswahl für mich extrem ein, denn es handelt sich dabei um eine Handvoll Freunde.
Zitat
c) Wie steht ihr zu diesen Spielen?
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http://www.tanelorn.net/index.php?topic=91369.msg1896523#msg1896523

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Ich führe meinen Talion von Punin in der Borbaradkampagne im Rollenhörspiel
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Pyromancer

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Rollenspiele als Mittel zur politischen Bildung gibt es im ernsthaften Bereich schon immer, als Mittel zur Diplomaten- und Offiziersausbildung oder für Schulklassen/Jugendorganisationen, die Bundestag/UNO etc. spielen und dabei etwas lernen sollen z.B.
Eines der ersten Rollenspiele, die "zum Spaß" gespielt wurden (Braunstein), hatte auch einen ausdrücklich realhistorischen/politischen Hintergrund, mit Revoluzzern, Offizieren, der etablierten politischen Kaste und herannahenden Armeen in einem kleinen deutschen Grenzdorf während der napoleonischen Kriege. Das Thema ist also nicht neu.

An halbwegs aktuellen politisch-politischen Spielen gibt es z.B. Die Verhandlung um Polen, 30 Days, Executive Decision, Krisensitzung. Bezeichnenderweise sind die alle als One-Shot ausgelegt.

Interesse hätte ich schon, ABER...Ich sehe die Zukunft eher kritisch, was die Massentauglichkeit angeht. Rollenspiele, die auch am Tisch den Fokus auf gesellschaftskritische Themen haben, könnte ich nur mit solchen Leuten spielen, die in einem ähnlichen Meinungsspektrum schwimmen wie ich

Richtig interessant wird das Thema in meinen Augen erst, wenn man das Rollenspiel als Medium nimmt, um sich eben spielerisch mit Meinungen auseinanderzusetzen, die man nicht teilt. So kann man vielleicht noch etwas lernen.

Offline KhornedBeef

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Ketzerische Gegenfrage: gibt's überhaupt nichtpolitische Rollenspiele, oder transportieren die, von denen wir das glauben, nicht auch selber schon (eventuell vom Verfasser nicht mal bewußt beabsichtigte) politische Botschaften, die uns nur einfach deshalb nicht auffallen, weil sie mit unseren eigenen schon vorhandenen Überzeugungen mehr oder weniger zufällig übereinstimmen? 8]
Nein nein nein *lalalala* davon will ich nichts hören. Dieses ganze "alles ist politisch!" führt doch nur ins Unglück.
Wenn ich beim Eismann lieber Stracciatella als Zitrone bestellen, kann man nach dem Schema da auch ein politisches Statement draus machen. Das macht es nicht besser.
Versteh mich nicht falsch, ist schon ok, den advocatus diaboli zu spielen. Da ist auch nichts "Ketzerisches", es ist bloß, mMn, grotesk falsch.
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Offline Hotzenplot

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Richtig interessant wird das Thema in meinen Augen erst, wenn man das Rollenspiel als Medium nimmt, um sich eben spielerisch mit Meinungen auseinanderzusetzen, die man nicht teilt. So kann man vielleicht noch etwas lernen.
Sehe ich auch so, allerdings habe ich wenig Vertrauen darauf, dass es funktioniert und beim spielerischen bleibt. Ich vermute eher, dass sich die realpolitischen Meinungen nicht vom Spieltisch entfernen lassen, eben weil man ein politisches Spiel spielt. Und wenn das so ist, dann sehe ich eben die Gefahr, dass ich mich ernsthaft außerhalb des Spiels einer Meinung ausgesetzt sehe, die ich nicht nur nicht teile, sondern möglicherweise zutiefst verabscheue. In diesem Fall ist für mich der Spaß - und damit auch meine Hauptmotivation, um Rollenspiel zu betreiben - verloren.
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Offline Lichtbringer

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Also ich finde solche Projekte sehr faszinierend, auch weil ich immer daran interessiert bin, Rollenspiel als Medium weiterzuentwickeln.

Ich halte sie auch für effektiv, aber nicht auf dem direkten Wege. Das Problem mit solchen Ansätzen, die sehr ausgesprochen solche Themen angehen, ist, dass vor allem die Bereits-Überzeugten überhaupt Interesse daran haben. Deshalb werden sie auf dem direkten Wege wenig Überzeugungsarbeit leisten können.

Aber ihre Existenz und Präsenz sorgt für eine Normalisierung, so dass auch im Mainstream der Rollenspiele mehr gesellschaftliche Fragen thematisiert werden. Und eine Bereicherung des Hobbys finde ich gut.

Übrigens funktioniert alle gute politische Überzeugungsarbeit/Propaganda so. Man versucht nie, jemanden direkt zu überzeugen. Man bestärkt diejenigen, die schon überzeugt sind, in ihrem Glauben, so dass sie die Agenda gegenüber dem Rest der Gesellschaft lauter und überzeugter vertreten und sich die gesellschaftliche Norm in die gewünschte Richtung verschiebt.

Offline Chruschtschow

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[...] ABER...Ich sehe die Zukunft eher kritisch, was die Massentauglichkeit angeht.

Massentauglichkeit ist in dem Bereich nur bedingt Designziel. Schau mal in andere Medien. Da gibt es auch immer wieder politisch Brisantes, Gesellschaftskritisches. Nehmen wir mal den Film Syriana (2005). George Clooney. Matt Damon. Mitte der 2000er. Noch ein paar interessante Namen. Vergleich mal den Ertrag mit Ocean's Twelve (2004) und Ocean's Thirteen (2006), bei denen die beiden ebenfalls Zugpferde waren.

Es muss nicht alles für alle mundgerecht zugeschnitten sein. Haggis / Brägenwurst / Fugu wird nie für alle lecker, aber ich will's auch keinem verwähren. ;)

Und wie du sicher mitbekommen hast, rege ich mich manchmal auch einfach gerne auf. Also absolut mein Ding.
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Offline Blechpirat

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In dem Zusammenhang wurde hier mal ein Spiel genannt, in dem ein skandinavischer Metal-Sänger seine Nazi-Ideen zu einem Rollenspiel zusammengeschrieben hat. Sollte sich da jemand dran erinnern, könnten wir das auch mal nennen, um zu zeigen, dass es in beide Richtungen geht.

Erwähnenswert sind natürlich noch so ein paar Tropes, die man fast überall findet und eigentlich zutiefst im konserativen Spektrum anzusiedeln sind:

Die Gefahr kommt von Osten
Früher war alles besser
Das Böse ist häßlich
etc.

Offline Skyrock

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In dem Zusammenhang wurde hier mal ein Spiel genannt, in dem ein skandinavischer Metal-Sänger seine Nazi-Ideen zu einem Rollenspiel zusammengeschrieben hat.
Das war Mythic Fantasy Roleplaying Game (MyFaRoG) von Varg Vikernes.
Aus der Höhle des Schwarzwaldschrates - Mein Rollenspielblog

Ein freier Mensch muss es ertragen können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muss es sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.
- Ludwig von Mises

Offline Thandbar

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Ernsthaft, ich bin mit allerlei Kram in Aventurien nicht einverstanden, wäre er denn real. Ist das jetzt politisches Rollenspiel? Dark Heresy? Atomic Robo?

Ich denke, es gehört zum Umgang mit Fiktionalität gerade dazu, auch in ganz andere Schuhe schlüpfen zu können. Das heißt, ich kann meinen Samurai am Kaiu-Wall sterben lassen mit dem Namen des Kaisers auf den Lippen, ohne deshalb im wirklichen Leben von einer Wiedereinführung des Kaiserreichs zu träumen oder von der Errichtung einer großen Mauer.
Und ich denke, wir machen das im Rollenspiel ständig. Im Ars-Magica-Thread gab es auch einmal den Satz (wenn ich mich recht erinnere), dass es zu einem stimmigen Rollenspiel auch gehören kann, den Kreuzzug nicht unter allen Umständen verhindern zu wollen, sondern einen Charakter zu spielen, der unbedingt daran teilhaben möchte.
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Hellstorm

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Ich weiß nicht nicht mal ob ich einige der genanten Rollenspiele, wirklich in diese Kategorie packen würde...
"Feminism - a nano-game anthology" ist weniger ein Tisch-Rollenspiel und mehr im Bereich Nordic Larp einzuordnen.

Persönlich denke ich, das wir keine "erfolgreichen" politischen Rollenspiele finden werde. Wir werden politische Einflüsse und Veränderungen in den Erscheinungen (Gestalt) sehen (Sprache, Formulierungen usw.). Tischrollenspiel ist in seiner Natur ist aber zu passive Erfahrung. Selbst mit "Mechaniken" lassen sich solche Probleme schwer ins Spiel einbringen, da die Gruppe diese Jederzeit entfernen kann.

Politik oder "spezielle Ereignisse" lassen sich in gezielten Abenteuer vermutlich besser umsetzen. Dort passen auch die "nischenrollenspiele" rein, in denen meist ein Oneshot gespielt wird (Kagematsu z.b.).

Weiterhin denke ich auch das jedes Rollenspiel, in sich als politisch interpretiert werden kann. Sofern man danach suchen möchte. Es gab auf der Nordcon mal eine Vortrag dazu (selber leider nicht besucht, daher nur Erfahrungen aus 2ter Hand). Dort wurden die Orks häufig als Beispiel angeführt, da diese auf der einen Seite immer die go to "Bösewichte" (Töten ohne schlechtes Gewissen) und Attribute (Tribalism, Wild, Ungehobelt) bekommen. Solche Attribute lassen sich gut in Kolonial Schriften finden. Wird damit also ein Bild geschaffen mit der Aussage "Fremde, die andere Kulturen haben, darf man Umbringen?". Das kommt nun ganz darauf an, wie jeder diese Bilder interpretiert oder wahrnimmt.