Eine Nahkampfwaffe, die uns wahrscheinlich noch längere Zeit erhalten bleiben wird, ist das gute alte Messer.
Nahkampfwaffen an sich verlieren ja auch nicht ihre Wirkung, nur weil es was Besseres gibt.
Nur werden sie immer unwichtiger, je mehr man auf beiden Seiten an der Eskalationsschraube dreht und sich das auch in der benutzten Technik niederschlägt - dann brauchen sie schnell bestimmte Rahmenbedingungen oder werden zur reinen Hinterhaltswaffe.
Panzerungen die von den schwersten Streithämmern, geführt von den stärksten Kämpfern, nicht durchschlagen werden konnten wurden von schweren Musketenkugeln von vorn bis hinten durchschlagen, mit allem was sich dazwischen befand.
Das stimmt so beides nicht.
Nur weil die Rüstung nicht durchschlagen wird, heißt das ja nicht, dass auf der anderen Seite gar keine Wirkung eintritt.
Und andersrum hat so mancher Rüstungsmacher durchaus Werbung damit gemacht, dass seine Rüstungen auch Feuerwaffen standhalten - da sind dann eben auch nicht alle Feuerwaffen gleich und man muss etwas genauer hinschauen.
Die letzte Stellschraube ist dann die Entwicklung von Körperpanzerung. Panzerung gewinnt immer am Ende jeder Rüstungsspirale. Am Ende der Nahkampfwaffenzeit hatte die Rüstung gesiegt. Die besten Ritterrüstungen konnten von kaum einer Waffe noch durchdrungen werden. Pfeile und Armbrustbolzen prallten einfach ab, genauso wie viele der schwersten Handwaffen.
Rein technisch und logisch kann Rüstung bzw. Schutz den Wettlauf nie endgültig gewinnen. Man kann höchstens den Aufwand für den Angreifer so weit erhöhen, dass er den Schutz mit seinen Mitteln nicht wirksam überwinden kann. In der Praxis schließt man "nur" den Großteil der Bedrohungen aus und verlegt sich gegen die spezialisierten Gegenmaßnahmen auf andere Methoden.
Erst die Schusswaffe änderte das und machte die Nahkampfwaffe damit auf einen Schlag wertlos.
Das sind zu viele Schritte auf einmal.
Die Schusswaffen haben erst mal nur die Risikobetrachtung verändert, und das auch nicht auf einen Schlag, sondern Jahrhunderte (!) nach ihrem ersten Auftreten. Erst als Schusswaffen die häufigste Bedrohung darstellten, gingen die dicken Rüstungen zurück - nämlich auf die Stellen, die man unter gegebenen Umständen halbwegs sinnvoll vor Schusswaffen schützen konnte und jene, die so wichtig waren, dass man sie wenigstens gegen die anderen Angriffe schützen wollte. Damit landet man dann z.B. bei Kürassieren.
Zugleich behielten aber die Nahkampfwaffen ironischerweise genau deswegen ihre Wirksamkeit, weil die Rüstungen nicht mehr primär auf den Schutz vor Nahkampfwaffen ausgerichtet waren. Natürlich konnte man sie in direkter Konkurrenz zu Feuerwaffen nur noch unter bestimmten Umständen einsetzen, aber auf einen Schlag wertlos waren sie keineswegs in dem Moment, in dem es die ersten tauglichen Feuerwaffen gab.
Und das gilt ohnehin jeweils alles nur im militärischen Kontext. Zivil kam dieser Zeitpunkt wesentlich später und da stellt sich eher die Frage nach den sozialen und legalen als den strategischen Rahmenbedingungen, was jeweils verfügbar ist. Da ist Panzerung extrem selten und die Schusswaffe wesentlich weniger nützlich - freilich hat sie immer noch die Nase vorn, aber der Abstand ist wesentlich kleiner.
Seitdem holt Körperpanzerung wieder auf und die ist mittlerweile so weit, dass heute die besten Körperpanzerungen wieder imstande sind fast alle Schusswaffenprojektile zu stoppen. Aktuell beschränkt sich dieser Schutz noch vor allem auf Torsopanzerung, aber das ist nur eine Frage der Zeit.
Kurz: Nein.
Aktuelle Körperpanzerungen werden wie immer auf die aktuellen Bedrohungen ausgerichtet.
Vor Langwaffen wird man sich aber auch mit anderen Werkstoffen nicht flächendeckend schützen können, selbst wenn die bleiben, wie sie sind.
Und die Schusswaffe hat noch enorm viel Luft nach oben - sowohl was die Geschosskonstruktion angeht als auch die reine Leistung.
Wenn da mal Handlungsbedarf
entsteht, verschwinden zuerst die Mittelpatronen und die Kampfentfernungen werden ggf. etwas kürzer, aber für mehr muss da schon deutlich mehr passieren.
In spätestens 20-30 Jahren ist das Zeitalter der Feuerwaffe dann effektiv vorbei. Zumindest militärisch betrachtet bezüglich der Konfrontation moderner Armeen.
Wenn man das ein paar Schritte weiter führt, sehen wir mittelfristig wieder "echte" Schwere Infanterie mit motorunterstützter Vollrüstung und den dazu passenden Waffen.
Die ist dann gegen die üblichen Schusswaffen weitestgehend geschützt, aber immer noch nicht gegen die Panzerabwehrwaffen, die heute sowieso schon weit verbreitet sind.
Und auch nicht gegen die Waffen, die sie selbst führt - da ist der Schritt z.B. zur Maschinenkanone ja relativ naheliegend.
Da sind dann aber auch der logistische Fußabdruck und die Einsatzumstände ganz andere.
Für den Leichten Infanteristen ändert sich wohl nur die eigene Bewaffnung und auch das nicht zwingend weg von kinetischem Flachfeuer.
Bereits heute drehen sich westliche Soldaten offen gegen Feindbeschuss um besser gezielt zurück schiessen zu können.
Du sagst es selbt: Um besser zurück schießen zu können - das geht
auch auf den Faktor Panzerung zurück, aber eben deswegen, weil man sich damit nicht mehr wie früher lehrbuchmäßig leicht seitlich hinstellen kann, ohne ins Eiern zu kommen (davon abgesehen, dass man im Stress sowieso frontal zur Bedrohung dreht).
Das hat aber alles nichts damit zu tun, dass man dem Gegner die Platte hin hält, damit der da auch schön drauf schießt. Dieser Quark hält sich aber wie jede Scheißhausparole sehr hartnäckig.