Hallo!
Als DSA-sozialisierter Spieler fand ich in DSA 3 immer die sog. schlechten Eigenschaften toll, die den guten Eigenschaften (Mut, Klugheit, Körperkraft etc.) gegenüber gestellt waren. Die schlechten Eigenschaften waren etwa Neugier, Goldgier, Aberglaube, Raumangst... Jeder SC verfügte über dieselben schlechten Eigenschaften, hatte jede aber auf einem anderen Wert, auf den gewürfelt wird.
Was ich daran auch toll fand, war, wie das Spiel dadurch gesteuert wurde. Die schlechten Eigenschaften hatten, gerade weil jeder sie hatte, einen Impact auf das Spiel der sich für mich deutlich von dem Einfluss komplexer Vor- und Nachteils-Systeme unterscheidet.
Etwas anderes, was ich unheimlich toll finde, ist, wie in Cortex Plus über Distinctions der Charakter gesteuert wird. So hatte ich etwa in Firefly einen Schiffsarzt bzw. ehemaligen Militärarzt gespielt, der Alkoholiker war. Der Umstand des Alkoholiker-seins kam ständig im Spiel vor, also wirklich in jeder Sitzung mehrfach. In Marvel Heroic Roleplay gibt es sogar einen Mechanismus, der für jeden Charakter konkrete Handlungen bestimmt, die XP geben.
Mir gefiel das unheimlich gut - quasi wie eine Anleitung zum Rollenspiel (dieses Charakters).
Nun brüte ich über BRP und überlege, wie ich etwas ähnliches erzeugen könnte. Vor Augen habe ich eine HârnWorld-Kampagne, in der man bodenständige Abenteurer spielt - also etwa junge Priester, landlose Ritter, Kundschafter und ähnliches. (Bodenständig, aber kein Bauerngaming.) Die Idee wäre eine Glücksritter-Kampagne, in der man von Dorf zu Dorf zieht und Probleme löst, wie sie auftauchen. Und dann eben der Gedanke, dass es toll wäre, irgendwie solche Steuerungsmechanismen einzubauen, die wie eine Anleitung funktionieren, wie man das Spiel spielt oder um in Theoriesprache zu reden, etwas, das dabei hilft, eine kreative Agenda aufzubauen.
Ich bin also von Elementen ausgegangen, die ich als SL gerne im Spiel bei den Charakteren sehen würde und positiv belohnen, die vielleicht aber auch manchmal schwierig umzusetzen wären, und ich möchte Dinge markieren können, wo Spieler vom "geraden Weg" abkommen.
Was ich nicht wollte sind die Passions aus Pendragon. Das sind ja eher Charaktereigenschaften, so wie auch die schlechten Eigenschaften in DSA. Was ich mir überlegt habe soll eher eine Art Ruf-System sein, vergleichbar eher mit den Allegiances aus Stormbringer oder Magic World. (Vielleicht auch aus Renaissance Deluxe, da muss ich noch mal reingucken ob ich für die konkreten Mechanismen etwas verwenden könnte.) Allerdings eben genauer aufgeschlüsselt, da die beiden doch sehr abstrakt bzw. allgemein sind.
Ich habe mir nun erstmal positive Eigenschaften überlegt: Wahrhaftigkeit, Solidarität/Barmherzigkeit, Loyalität/Treue, Tapferkeit, Gerechtigkeit. Nun fände ich es viel, wenn jeder SC alle diese Werte führen würde. Daher würde ich den Spielern es überlassen, zwei oder drei der Werte auszusuchen. Die starten bei Null. In jeder Situation, in der man eine dieser Eigenschaften zur Geltung bringen kann, würde man 1 Punkt hinzuverdienen. Tapferkeit 3 würde also nicht sagen, wie mutig oder feige man ist, sondern nur, in wievielen Situationen man bisher seinen Mut beweisen konnte und sich somit einen entsprechenden Ruf erarbeitet hat - aber vielleicht auch, wie sehr das Schicksal deshalb auf einen scheint. Auf diese Weise erarbeitet man sich einen Ruf, den man wiederum gewinnbringend einsetzen kann. So könnte jemand der für seine Gerechtigkeit bekannt ist vielleicht eher überzeugen, in einer Situation als Schlichter aufzutreten. Ein Ritter, der vor einem Kampf eine motivierende Rede schwingt, erhält Vorteile durch Tapferkeit. Barmherzige Charaktere sind besonders beim einfachen Volk beliebt und können dort Vorteile genießen usw.
Worüber ich auch noch nachdenke sind mögliche Eigenschaften wie Friedfertigkeit, Rafinesse/List oder so etwas wie "kluge Weitsicht", aber da wird es schnell schwammig und ich weiß nicht, ob ich das so deutlich bewerten könnte. Friedfertigkeit wohl am ehesten noch.
Genaue Schwellenwerte wie sich das auswirkt müsste ich im Spiel erproben.
Dem möchte ich aber auch negative Eigenschaften gegenüberstellen, die zum Teil den positiven widersprechen. Noch mal zum Wort "Eigenschaft", das sind insofern Eigenschaften, als dass sie von NPC den SC zugeschrieben werden, aber wie gesagt sind es keine festen Charakterzüge, die ein Charakter hat. An negativen Eigenschaften habe ich bisher: Habgier/Erbarmungslos – Feigheit – Egoismus/Illoyalität – Ungerechtigkeit/Grausamkeit – Unaufrichtig/Verlogen
Erste Rückmeldung war bisher, dass Feigheit ja erstmal nichts negatives sei. In dem Spielkontext halte ich Feigheit aber schon für eine negative Eigenschaft, wenn dies mit einem Charakter assoziiert wird. In der Regel strebt man ja auch nicht danach, feige zu sein oder strengt sich dafür an. Habgier soll insbesondere der Barmherzigkeit gegenüber stehen und Egoismus eher der Loyalität. Tendentiell werden die schlechten Eigenschaften eher als Malus fungieren, der als feige bekannte Truppenführer hat in seiner Truppe vielleicht Moralprobleme und der illoyale Charakter wird es schwer haben, von anderen Vertrauen geschenkt zu bekommen. In manchen Kreisen können die schlechten Eigenschaften natürlich auch positiv wirken, eine grausame Spielfigur kommt vielleicht in manchen illegalen Kreisen gut an oder für spezielle Zwecke ("Der Schlächter von Thay, jemanden wie Euch können wir hier gut gebrauchen"), negativ sind die Eigenschaften insofern, als dass sie im Spiel eben als unerwünscht deklariert sind.
Bei den schlechten Eigenschaften würde ich mir vorstellen, dass da schon jeder Spielercharakter potentiell über alle verfügt, relevant wird es aber nur, wenn Situationen auftreten, die tatsächlich entsprechend bewertet werden.
Zum Teil sind die Übergänge fließend oder schwer zu trennen, in einer unklaren Situation hätte der Spieler die Entscheidungsgewalt, für welche Eigenschaft er eine Situation anrechnet.
Wie schon angedeutet können die Eigenschaften sich bei Proben auswirken.
Ferner überlege ich, das Steigerungssystem an die Eigenschaften zu koppeln. Anstatt sich Häkchen bei den Fertigkeiten zu machen würde man für gewonnene Eigenschaftspunkte im positiven Bereich Steigerungen durchführen können.
Für die negativen Eigenschaften würde ich keine "XP" vergeben oder gar abziehen, sondern eher in Form von Rückschlägen arbeiten, also so, dass es Schwellenwerte gibt, ab denen man dann mit Reaktionen und Konsequenzen rechnen muss.
P.S. Ich weiß nicht, ob der Post vielleicht in die Werkstatt besser passen würde. Ich entwickle diese Regel halt im Kontext eines Basic Roleplaying Spiels, wobei ich eine Mischung aus Stormbringer 5th, dem großen gelben BRP-Buch und Hausregeln zugrunde lege. Daher ist mir wichtig, dass es sich da auch gut einfügt und darauf sollte der Schwerpunkt liegen. Total "forgige" Regelelemente und Meta-Regeln wären z.B. unerwünscht. Für mich stehen bei den Regeln drei Merkmale im Vordergrund: Spielbarkeit, Nutzen und Immersion. Wenn eine Regel in einem Bereich völlig versagt, fliegt sie raus. Spielbarkeit und Nutzen sehe ich als Ausdifferenzierung des Begriffes der "Funktionalität", den man in Zusammenhang mit Regeln oft liest. Funktionalität ist aus meiner Sicht die Spielbarkeit einer Regel in Hinblick auf ihren Nutzen (was will eine Regel erreichen und setzt sie das so um, dass sie das auf flüssige Weise erreicht).