Der Maßstab der Welt ist riesig, wird dann bis auf ein paar Details auf „westen = Meer“, Norden = Eis“, „Osten = Dschungel“ und „süden = heiß“ gekürzt, zusammen mit einer Hand voll Städten und einer Insel in der Mitte, wo der Feind beheimatet ist. Geht es noch lustloser?
Das war vielleicht in der 1. Edition so, aber die ist bald alt genug um Auto fahren zu dürfen. Aber ich kenne kaum ein Spiel, in dem das Setting so detailliert und ausgiebig erklärt wird wie in den Grundbüchern der 2. oder 3. Edition.
Außerdem finde ich das Setting eigentlich relativ einzigartig: Die komplette Welt ist eine Insel in einem Meer aus Chaos, jedes Ding in der Welt, egal ob Person, Wesen, Gegenstand oder Konzept, funktioniert nicht nach naturwissenschaftlichen, sondern nach esoterischen oder alchemistischen Gesetzmäßigkeiten, die im Himmel festgeschrieben oder von mächtigen Wesen bestimmt werden. Gleichzeitig ist diese Maschinerie an allen möglichen Stellen geflickt, kaputt oder korrumpiert und die Grundaufgabe der Charaktere ist es im Prinzip, das Ganze wieder geradezurücken. Weltrettung ist praktisch die Mission aller Exalts, auch wenn die Fraktionen und Individuen da sehr verschiedene Ansichten haben, wie das überhaupt aussehen soll.
Dass dabei auf bekannte Motive zurückgegriffen wird, wenn es passt, finde ich besser, als wenn man auf Teufel-komm-heraus einfach alles anders macht nur damit es anders ist. Gerade bei Personen, Gegnern und Kulturen ist bei Exalted jede Menge exotischer Kram unterwegs, da muss man den Regler nicht nur aus Prinzip noch höher drehen.
- - -
Was die Komplexität der Regeln angeht, habe ich einerseits das Problem, dass das Spiel eigentlich keinen einfachen Einstieg bietet. Auch bei D&D4 oder Pathfinder gibt es für einen Anfangscharakter relativ wenige Optionen und bei den Klassen ist erklärt, was meine mechanische Aufgabe in der Gruppe ist, welche Werte für mich relevant sind und welche Spielweise mit welcher Ausrichtung funktionieren kann. Bei Exalted muss ich mir einen neuen Charakter relativ frei aus einer riesigen Menge von Optionen zusammenbauen, die alle ganz kompliziert voneinander abhängen, die mir prinzipiell alle zugänglich sind und für die ich das wenig intuitive System ziemlich gut durchschauen muss, um sinnvolle Entscheidungen treffen zu können. Das ist eher so, als würde ich einem Neuling meine Magic-Sammlung hinknallen und ihn auffordern, ein Deck zu bauen, ohne dass er vorher einmal richtig spielen konnte.
Das andere Problem ist, dass die Kompetenzen sehr extrem werden und gleichzeitig auseinanderlaufen. Für einen spezialisierten Kämpfer muss ein SL Herausforderungen bauen, die andere SCs onehitten können. Umgekehrt kann der Kämpfer mit seinen Werten auf die Ersatzbank gehen, wenn eine geistige/soziale/magische Herausforderung auf einen entsprechenden Charakter angepasst wurde, der bis zum Hals in den passenden Charm-Bäumen steckt. Natürlich kann ich bei Exalted Monster verhauen, aber der ganze Fluff legt einem doch nahe, dass Nationen lenken, Artefakte bauen und Götter verführen auch wichtige Spielinhalte sind und dass es Sinn macht, einen Charakter in der Richtung zu bauen. Das führt für mich ein bisschen zum Shadowrun-Syndrom, wo der Straßensamurai irgendwelche Wachleute wegknallt, der Decker in der Matrix rumnudelt, der Schamane Geister im Astralraum vermöbelt und der Rigger Dogfights mit Konzerndrohnen austrägt und der SL im Prinzip mit jedem Spieler sein eigenes Spiel spielt.