Autor Thema: Ist Ignoranz Trumpf?  (Gelesen 5989 mal)

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Offline Ludovico

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Ist Ignoranz Trumpf?
« am: 27.04.2018 | 12:55 »
Hi Leute,

als ich neulich etwas angedengelt war und mich mit Dirk bei einem Bier noch über die Vergangenheit austauschte, kam ich zu einer Erkenntnis, die ich auch in eine FB-Gruppe schrieb und die wahrscheinlich einigen Leuten hier nicht schmeckt.

Ich hole mal etwas weiter aus:

Wir schwelgten in Erinnerungen, was für tolle und grossartige Kampagnen und Erlebnisse wie früher hatten und das wir das heute nicht mehr haben (Tja, manches war früher besser). Die Gründe sind einfach:
-die Runden bestehen nicht mehr
-wir haben weniger Zeit aufwenden können bedingt durch Beruf und Familie
Und sehr wichtig!
-wir zu viele tolle Systeme und Sachen kennen und diese auch nach einer gewissen Zeit ausprobieren wollen.

Ich wette, dass das hier vielen so geht und jene, die meinen, dass das bei ihnen gar nicht so sei, denen meine Glückwünsche.

Deshalb kam ich zu folgender Erkenntnis für mich:
Ich beneide die Leute, die seit vielen Jahren in gleichbleibender Rundenkonstellation dasselbe Spiel spielen - ganz gleich, ob DSA, Vampire, SR oder DnD oder so, vielleicht noch railroadend und würfeldrehend.

Die beneide ich, denn sie loten Spiele in Tiefen aus, die vielen von uns, die über den Tellerrand geschaut haben und verschiedene Spiele spielen, gar nicht kennen.
Wenn jemand seit 20 Jahren DSA spielt, dann kann er wesentlich tiefer eindringen als jemand, der es gerade mal 1 Jahr spielt und dann zum nächsten Game wechselt. Diese alten Runden prägen ihrem Setting auch nicht bloß einen eigenen Stempel auf, sondern eher ein eigenes Brandzeichen.

Das kann ich mittlerweile vergessen bei mir, denn ich kenne zu viele Spiele, habe zu viele Ideen und immer mal den Wunsch, etwas anderes zu probieren, häufig, ohne Rückkehrmöglichkeit.

Mittlerweile fluche ich darüber, dass ich über den Tellerrand geschaut und diesen Systemen so entwachsen bin und nun auch nur schwerlich noch jemals eine solche Runde ins Leben rufen kann. Ich hatte großartige Runden mit 7te See 1st und bei ADnD und DSA 3 hatte ich jahrelang einen Heidenspaß als Spieler. Mittlerweile mag ich die Spiele nicht mehr mit der Kneifzange anfassen.

Auch was Leitstile und Abenteueraufbau angeht, mach ich mir manchmal mehr um die Struktur Gedanken als um den Inhalt. Und das stört mich erheblich. Ich will immerhin auch Story erleben und nicht über Spotlight-Verteilung oder der Vermeidung von Railroading nachdenken.

Wenn ich selbst spiele, analysiere ich und störe mich an fehlenden Player Empowerment oder Railroading. Früher hab ich gelacht, wenn der SL mich nach einem Krit fragte, wieviel Lebenspunkte mein Charakter hat. Heute würde ich mit den Zähnen knirschen.

Zitat
Deshalb erstmal an jene, mit ihren alteingesessenen Runden:
Wenn Deine Runde toll ist und Du Spass hast, dann ist es egal, was und wie Du leitest, ob es DSA mit viel Railroading und Stimmungsspiel pur ist oder DnD, dass nur rein taktisch gespielt wird bei Dir, dann ignoriere alle Unkenrufe, wie blöd dies, das und jenes sei, wie toll dagegen jenes, dies und das sei, dann geniesse es.
Und wenn Du eine Runde hast, die sich über viele Jahre am gleichen System in der gleichen Konstellation erfreuen kann und erfreut, dann hast Du den Jackpot gezogen.
Dann kannst auf all jene, die so viele tolle Spiele und Techniken und so weiter kennen und Dein Spiel doof finden und sich aufregen, mitleidig belächeln.

Und zu dem, was ich mich gerade frage:

Ist Ignoranz in unserem Hobby nicht doch Trumpf?

Hätte ich mich nie für andere Spiele, Player Empowerment, etc. interessiert, sondern wäre bei einfachen unkomplizierten Rollenspiel ohne viel Nachdenken geblieben, könnte ich mir schnell und problemlos neue Runden auch nach einem Umzug suchen und würde nicht über Dinge nachdenken, die mich als einzigen stören, was mir die Runde verleidet.
« Letzte Änderung: 27.04.2018 | 13:07 von Ludovico »

Offline Hotzenplot

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Re: Ist Ignoranz Trump?
« Antwort #1 am: 27.04.2018 | 13:05 »
Ich mag ja deinen Schreibfehler in der Überschrift. Ist Ignoranz Trump? Lass ihn so stehen. :)


Ich kann für mich sagen:
"Toleranz ist Trumpf". Allerdings sehen Toleranz und Ignoranz sich zuweilen recht ähnlich, von außen betrachtet.

Ich habe sowohl in meinen langjährigen DSA-Runden (wovon ich noch in einer aktiv bin) Spaß, als auch in all den zusätzlich hinzugekommenen Runden durch die Horizonterweiterung der letzten Jahre, maßgeblich beeinflusst durch dieses schöne Forum hier. Es geht also beides.  :-*
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Mein größenwahnsinniges Projekt - Eine DSA-Großkampagne mit einem Haufen alter Abenteuer bis zur Borbaradkampagne:
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Offline nobody@home

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Re: Ist Ignoranz Trump?
« Antwort #2 am: 27.04.2018 | 13:06 »
Frei nach Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber ich glaube trotzdem, daß dem Fadentitel zusätzlich noch irgendwo ein 'f' abhanden gekommen sein muß. ~;D

Offline JS

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Re: Ist Ignoranz Trump?
« Antwort #3 am: 27.04.2018 | 13:07 »
"Ist Ignoranz Trump?"

Ja, sicher, aber... was hat das mit deinem Beitrag zu tun?
:D

Ich habe sowohl in meinen langjährigen Runden Spaß als auch in all den zusätzlich hinzugekommenen Runden durch die Horizonterweiterung der letzten Jahre. Es geht also beides.

Das gilt auch für mich.
« Letzte Änderung: 27.04.2018 | 13:09 von JS »
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Offline KhornedBeef

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Re: Ist Ignoranz Trump?
« Antwort #4 am: 27.04.2018 | 13:07 »
Ich sage mal diplomatisch, man muss mit jedem Überangebot irgendwie umgehen lernen. Natürlich macht Ignoranz irgendwie zufrieden, diese Gewissheit, die Gesamtheit des Daseins zu überblicken und auszuschöpfen.
Aber, was ist denn mit den ganzen Augenöffner-Momenten, die dich so in neue Richtungen ziehen? Würdest du nicht sagen, dass diese dir etwas hinzugefügt haben?
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Offline Ludovico

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Re: Ist Ignoranz Trump?
« Antwort #5 am: 27.04.2018 | 13:09 »
Frei nach Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber ich glaube trotzdem, daß dem Fadentitel zusätzlich noch irgendwo ein 'f' abhanden gekommen sein muß. ~;D

Ups! Gleich korrigiert.
Aber gut war der Vertipper wirklich.

@Khorned Beef
Ich kann mich nicht an eine denkwürdige Ingame-Szene in den letzten 10 Jahren erinnern.
Die Augenöffner-Momente hatte ich mit 7te See 1st mit Gummipunkten und auch Player Empowerment (die Runde ist sicher schon seit 14 Jahren nicht mehr). Danach fällt mir nix mehr ein, bis auf meine Vorliebe für Ubiquity.
« Letzte Änderung: 27.04.2018 | 13:12 von Ludovico »

Offline KhornedBeef

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #6 am: 27.04.2018 | 13:17 »
Und das liegt an den vielen Systemen und nicht, pardon, daran, dass man altersbedingt nicht mehr so hyper ist oder andere Ansprüche hat? Ist Rollenspiel das einzige, wo es dir so geht? Job, Musik, Menschen, Nachrichten?
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Offline felixs

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #7 am: 27.04.2018 | 13:21 »

Ich beneide die Leute, die seit vielen Jahren in gleichbleibender Rundenkonstellation dasselbe Spiel spielen - ganz gleich, ob DSA, Vampire, SR oder DnD oder so, vielleicht noch railroadend und würfeldrehend.


Es ist nie zu spät.

Ich habe meinerseits meinen Fokus sehr stark eingeengt, mache nur noch wenig, das dafür dann aber intensiver. Nicht nur beim Rollenspiel, auch bei Brettspielen und (vor allem) beim Tabletop.
Natürlich schaue ich noch, was es so gibt und lese auch interessiert mit. Aber ich habe auch gelernt, realistisch einzuschätzen, was ich spielen möchte, wofür ich Zeit habe, wofür ich Mitspieler finde.
Weniger (Zeug) ist mehr (Zeit und Genuss).*

*Solange es nicht zu wenig ist. Das ist dann schlimmer als Überfluss.
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Offline Ludovico

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #8 am: 27.04.2018 | 13:24 »
Und das liegt an den vielen Systemen und nicht, pardon, daran, dass man altersbedingt nicht mehr so hyper ist oder andere Ansprüche hat? Ist Rollenspiel das einzige, wo es dir so geht? Job, Musik, Menschen, Nachrichten?

Es liegt daran, dass ich Spiele nicht mehr in der Tiefe erkunden kann, weil gleich das nächste interessante an der Ecke wartet und weil ich schwieriger Runden finde, weil ich kritischer bin als früher.

@felixs
Ich versuche das auch zur Zeit mit Ubiquity. Aber es ist nicht leicht. Ich hab eine tolle Runde gerade, aber da muss ich auch mal sehen, wie es weitergeht. Einmal im Monat spielen, ist mir zu wenig. Würde ich DSA oder SR spielen, hätte ich viel schneller und einfacher andere tolle Rollenspieler kennengelernt, mit denen ich schon länger zusammenspiele.
So musste ich ganz schön viele Frösche küssen.
« Letzte Änderung: 27.04.2018 | 13:27 von Ludovico »

Offline Chiarina

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #9 am: 27.04.2018 | 13:26 »
Was verstehst du denn unter "Tiefe"?
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

Offline JS

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #10 am: 27.04.2018 | 13:31 »
Ich mag lange bestehende Runden und lange Kampagnen, in denen sich die Regeln immer mehr bei allen und in allen Details festigen und die Charaktere einen richtig langen Weg miteinander gehen. Allerdings siegte stets auch nach einigen Jahren die Neugier auf Neues und eine gewisse Ermüdung beim Blick auf das Bestehende. Vor allem verspüre ich keine Systemlangeweile oder Ignoranz gegenüber Neuem, denn faszinierenderweise kommt immer mal wieder etwas auf den Markt, das mich überraschen und/oder begeistern kann - und das nach 30 Jahren aktiven Rollenspielens und stetiger Metierbeschäftigung.
:)
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Offline Selganor [n/a]

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #11 am: 27.04.2018 | 13:32 »
Was verstehst du denn unter "Tiefe"?

Vermutlich den Kram den man nicht schon bei den ersten paar Sitzungen mitkriegt sondern erst wenn man mal 20-30 Sitzungen/Abenteuer mit einem System (und dann am Besten noch als Kampagne) hinter sich hat.

Kann ja durchaus sein, dass ein System die ersten paar Sitzungen noch Spass macht, dann aber nach 10-15 Sitzungen einfach in sich zusammenfaellt weil der "High-Level-Content" einfach so nicht passt oder das System irgendwelche anderen Probleme hat.

Wenn man das System nur hin und wieder (und immer wieder ab "Stufe 1") spielt kommt man vermutlich nie an dieses Stellen und kann es fuer deutlich "besser" halten als es tatsaechlich ist ;)
Abraham Maslow said in 1966: "It is tempting, if the only tool you have is a hammer, to treat everything as if it were a nail."

Offline felixs

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #12 am: 27.04.2018 | 13:32 »
Ich versuche das auch zur Zeit mit Ubiquity. Aber es ist nicht leicht. Ich hab eine tolle Runde gerade, aber da muss ich auch mal sehen, wie es weitergeht. Einmal im Monat spielen, ist mir zu wenig. Würde ich DSA oder SR spielen, hätte ich viel schneller und einfacher andere tolle Rollenspieler kennengelernt, mit denen ich schon länger zusammenspiele.

Aber ein System zu haben, das einem halbwegs gefällt, ist ja auch wichtig.
Ich würde Midgard gerade auch ungern gegen DSA tauschen.
Und der Punkt ist ja gerade, eben nicht irgendwas zu spielen. Vielleicht ist es sogar besser, nicht zu spielen - anstatt etwas zu spielen, das man gar nicht spielen will.
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Offline Viral

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #13 am: 27.04.2018 | 13:38 »
@Ludovico
Ich stimme dir zu. Ich leite seit Jahren Ad&d mit dem Schwerpunkt Planescape. Aber die Runde hat über die Jahre Verluste und neue hinzugekommene Spieler problemlos verkraftet. Meine Runde hat wohl so lange überlebt, da das Spiel wohl spannend ist (offenes Würfeln) und das Setting ein angenehmes Level an Weirdness hat. Es gab da auch TPKs und heroische Aktionen die durchaus denkwürdig waren.

Aber ich gucke auch über den Tellerrand hinaus. Dabei teste und spiele auch auch neuen Kram in von er Ad&d Runde unabhängigen losen Rollenspielrunde.

Offline bobibob bobsen

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #14 am: 27.04.2018 | 13:45 »
Vielleicht ist man auch einfach älter und satter geworden. Wo man sich früher für irgendetwas begeistern konnte ist es inzwischen einfach nur noch normal/egal.
Ein Bekannter von mir hat ganz aufgehört. Begründung: er hat schon alles im RS erlebt was es zu erleben gibt. Ok den Punkt habe noch längst nicht erreicht.

Ich habe allerdings ein Talent Gruppen zusammen zu halten. Deshalb kann ich auch Kampagnen mit einer Dauer von 5-10 Jahren planen und bin mir dabei ziemlich sicher das wir das Ende auch gemeinsam erleben.

Offline Zarkov

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #15 am: 27.04.2018 | 13:46 »
Daß langlaufende Kampagnen ihre ganz eigene Dynamik und einen eigenen Reiz entwickeln können, ist sicher richtig, und wer für diese Art Spiel keine Zeit mehr hat oder keine stabilen Runden mehr findet, wird sicher die alten Freuden vermissen. Für mich persönlich muß ich aber sagen, daß die alte Unwissenheit nicht gerade ein Segen war.

So gesehen bin ich wohl einer der „Glücklichen“. Seit ich die Sache durchdachter, bewußter und weniger naiv anpacke, sind meine Runden und Spielerlebnisse sehr viel besser, spannender und denkwürdiger geworden, jedenfalls für mich als Spielleiter. (Ich hoffe doch, wenigstens ab und zu auch für die Mitspieler.)

Tatsächlich habe ich früher nie lange Kampagnen gespielt, weil ich das damals überwiegend ziemlich dröge fand. Es gab oft gute Momente und manchmal – sehr selten – auch richtig gute Einzelsitzungen, aber auf Dauer wäre das den Preis nicht wert gewesen. Nach ein, zwei Sitzungen bin ich als Spieler oft geflüchtet, als Spielleiter habe ich das Spiel nach drei Sitzungen oft einschlafen lassen, weil es unglaublich anstrengend war, für mich langweilig, oder auch so vorbereitungsintensiv, daß es mir jeden Spaß auf Dauer vermiest hat.

Für mich ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren alles besser geworden in Sachen Rollenspiel. Ich genieße die Vielfalt an Spielweisen und Regelwerken und die bewußte Gestaltung des jeweiligen Spielerlebnisses. Der Kontrast zur früheren Quälerei läßt sich schwer übertreiben. Trübes Wetter herrscht bei mir immer nur, wenn ich gar keine Runde zusammenkriege. Aber selbst das ist durch die Vielfalt relativ unproblematisch – spiele ich halt eine Weile nicht mein Lieblingsding, sondern ein anderes großartiges Spiel. Eine lange, intensive Kampagne unter den neuen Voraussetzungen ist natürlich ein doppelter Leckerbissen, keine Frage. Aber früher hätte ich das so nicht hingekriegt wie heute.

Kurz, bei mir herrscht jetzt Rollenspielsommer. Für meinen verregneten, naßkalten Rollenspielfrühling verspüre ich daher keine Nostalgie.
»… hier wirkt schon uneingeschränkt das sogenannte Lemsche Gesetz (Niemand liest etwas; wenn er etwas liest, versteht er es nicht; wenn er es versteht, vergißt er es sofort) …«*

Offline Teylen

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #16 am: 27.04.2018 | 13:48 »
Ich halte die Fähigkeit sich über einen langen Zeitraum hinweg für ein System begeistern zu können und den eigenen Spielstil durchzuziehen nicht für ausgeübte Ignoranz.
 
Meines Erachtens ist es mehr ein Zeichen einer inneren Gelassenheit sowie einer gewissen Charakterstärke.
Das heißt ich persönlich kann mich weiterhin an Vampire in der dritten oder vierten Edition erfreuen. Obwohl ich zwei Billies voll mit Rollenspielen besitze, alle RPG Kickstarter verfolge und dieses oder jenes Produkt begeistert feiere.
Es fehlt mir dahingehend das verlangen ein perfektes Spiel zu finden (ebenso wie der Glaube daran das es ein perfektes Spiel gibt), ich sehe nicht die Not oder Sinn unbedingt zu Vergleichen und ich bin hinsichtlich des Spielens neuer Spiele relativ gelassen (manchmal spiele ich sie, manchmal nicht).
Wobei ich nun meine Rollenspiel-Vergangenheit, denke ich, nicht besonders nostalgisch/positiv betrachte. Mehr so normal halt.

Nun, und hinsichtlich des Spielstil muss man einfach die Charakterstärke haben laut quäkende Leute mit anderen Geschmack einfach ignorieren zu können. Respektive das Gequake als Geschmacksfrage einzuordnen. Das heißt ich sehe da ebenso wenig Motivation meinen Spielstil zu ändern nur weil es ggf. Leute gibt die es scheiße finden, als wie ich eine Ananas-Pizza verschmähen würde nur weil Leute um die einen Aufstand machen.

Eventuell kann man das beharren auf einem Spiel auch als Konzentrationsfähigkeit betrachten?
Ich mein, klar es gibt ein rauschen an Hunderter anderer Spiele, aber davon muss man sich ja nicht ablenken lassen.
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Offline 1of3

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #17 am: 27.04.2018 | 13:49 »
Ist Ignoranz Trump?

The medium is the massage.

Und, was Thema angeht: Nein.

Offline Chruschtschow

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #18 am: 27.04.2018 | 14:29 »
Ich bin auch glücklicher mit den schnelllebigeren Rollenspielzeiten. Die jahrelangen DSA-, D&D-, Shadowrun-, StarWarsD6- und Hastenichtgesehen-Kampagnen waren schön. Aber stellenweise war es auch schwerfällig und langwierig, teils auch schlicht langweilig, wenn ich kritisch zurück schaue. Und heute habe ich meinen Crazy Indie Shit. Oder die OSR, an der ich mich regelmäßig versuche. Oder halt klassischen Kram. Yay, das Rollenspielschlaraffenland passt einfach mit seinem reichhaltigen Füllhorn unterschiedlichster Stile super zu meinem erratischen Zeitbudget.  ;D

Klar, damals waren die Sommer warm und trocken, Schnee im Winter und die Brötchen auch noch billiger. ;)
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Offline Grey

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #19 am: 27.04.2018 | 14:42 »
Ich habe mich auch schon lange gefragt, ob vielleicht einfach nur meine Erinnerung verklärt ist und die Runden damals auch nicht "besser" waren als heute.

Dann haben wir hier unsere Heroen-Gruppe mit ein paar totalen Neuanfängern aufgemacht. Und plötzlich waren sie wieder da: Die denkwürdigen Momente, das Schwanken zwischen atemloser Spannung und wieherndem Gelächter, das ganze Grandiose der "guten, alten Zeit".

Meine Lehre daraus: Ja, früher haben wir wirklich "besser" gespielt. ;) Und wir können es auch wieder tun. Man braucht gelegentlich etwas frisches Blut in der Gruppe: Neulinge, die noch nicht die Mechaniken im Blick haben und über Optimierungsmöglichkeiten nachdenken, sondern einfach nur spielen. Ich hoffe, unsere Mädels bleiben da noch lange unverdorben.

Was das Thema "zu viele tolle Systeme" betrifft: Zu meinen Hochzeiten, als ich noch pro Woche mindestens 2 Spielsitzungen hatte, habe ich zu etwa 90% meine Stammsysteme bespielt und in den restlichen 10% der Zeit mal in was Neues reingeschnuppert: Andere Genres, Avantgarde, Indy-Kram usw. Ich glaube, das war (für mich) eine gute Mischung, um sowohl 1-2 Systeme "in der Tiefe" zu ergründen, als auch über den Tellerrand zu schauen und mir neue Impulse zu holen. Es lässt sich durchaus beides unter einen Hut bringen.
Ich werd' euch lehren, ehrbaren Kaufleuten die Zitrusfrucht zu gurgeln!
--
Lust auf ein gutes Buch oder ein packendes Rollenspiel? Schaut mal rein! ;)

Offline Quaint

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #20 am: 27.04.2018 | 14:45 »
Ignoranz bringt garnix. Ich denke, das ist lediglich etwas Wehmut, weil man weniger Zeit und Energie fürs Hobby hat. Ich habe krankheitsbedingt relativ viel Zeit, und dann klappt das auch jetzt noch mit langen Kampagnen und immer mal zu Sachen zurückzukehren die sich bewährt haben. Und ich denke, dadurch, dass da eher moderner Kram oder Eigenbau-Sachen gespielt werden, haben alle Beteiligten sehr viel mehr Spaß als damit unreflektiert irgendwelche railroadigen Kaufabenteuer durchzunudeln.
Wenn ich da zurückdenke, was wir damals teils für einen Schmarrn zusammengespielt haben. Und mich zumindest hat das schon gestört, auch wenn mir damals noch nicht klar war, wie man sich Abhilfe verschaffen kann.
Besucht meine Spielkiste - Allerlei buntes RPG Material, eigene Systeme (Q-Sys, FAF) und vieles mehr
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Pyromancer

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #21 am: 27.04.2018 | 14:50 »
Die langen Kampagnen heute sind viel schöner als die langen Kampagnen damals. Das liegt auch daran, dass ich heute mehr Erfahrung habe und dadurch auch mehr verstehe und ein besserer Spieler bin als damals.

Offline Kowalski

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #22 am: 28.04.2018 | 02:39 »
kurz: Nein

mittel: Die Spielsysteme mit denen wir die meiste RSP Zeit verbracht haben müssen nicht zwingend die "besten" sein. Auch die neuen sind es nicht.

lang:
Ok. Ich kann das nicht pauschal für jeden und alle beschreiben sondern nur für mich und meine Rollenspielhistorie.
Bei den anfänglichen Regelwerken: Sternengarde, D&D Basis, DSA, Traveller, Midgard, Mers, Rolemaster, Palladium hat immer etwas gefehlt. Die Systeme hatten ihre Macken und man MUSSTE sie verhausregeln wenn man auf Sachen traf die einem nicht ins Konzept passten. Das war in der Natur der Sache begründet und man hat das auch gerne und viel gemacht.
Ob dann Regeln aus Abenteuern, Dragon Artikeln, oder 3rd Party Supplements, egal, Hauptsache es hat Sinn gemacht und das Flair und die Potenz der SCs und NSCs gesteigert.
Man hat sich ein System zusammen geschustert das ungefähr das leistete was man von ihm erwartete.

Nur hatten die ersten Systeme halt genug Macken das sie sich nur für bestimmte Arten des Rollenspiels besonders eigneten.
Wollte man ein anderes Genre bespielen,  musste man zwangsläufig auch das System wechseln.
Das hat dann oft dazu geführt, das, auch weil die Systeme Qualitativ unterschiedlich waren, oder man einfach die Regeln nicht gerafft hat, man bei den klassischen Genres blieb.
Mit D&D, AD&D, Mers, Rolemaster und Midgard habe ich gefühlt und tatsächlich die ersten 5 Jahre verbracht.
Als Spieler und als Spielleiter.

Trotzdem fehlte es mir an dem richtigen Mix.
Die Helden waren Anfangs Luschen und eine gewisse Prise Realismus hat auch gefehlt.
Erst mit dem Auftauchen der generischen Rollenspiele wir Hero und GURPS bin ich angekommen.

Gleiche Mechanismen für alle Genres.
Bauen statt würfeln.
MEIN Held statt eines RNG-Findelkindes.
Optionsregeln und passende Punktepools um den gewünschten Grad an Heldentum zu realisieren
Ein gewisser Realismus der One-Shot-Kills zumindest möglich macht und eine auf einen gerichtete Schusswaffe nicht lächerlich ist (was macht eine D4 Armbrust wenn man 100 Hit Points hat? Kitzeln....)

Das hielt so lange das ich in GURPS in der Lage bin als SL zu improvisieren ohne das das die Spieler da allzu viel von merken.
Ich kann damit die Zeit die ich investieren muss auf ein Mindestmass reduzieren.

Inzwischen bin ich auch wieder für andere Konzepte zu haben. OSR hat seinen Reiz.
Savage auch.

Meine am besten im Gedächtnis verbleibenden Erinnerungen an Rollenspiele sind, neben der nostalgischen Anfangszeit, eben mit meinem Lieblingssystem verbunden.

Was hilft ist eine gewisse Lockerheit und Agnostik.
Der, der die Regeln kennt und den Spielleiter macht bestimmt welches System gespielt wird.
Das ist heute normalerweise weit weniger ein Krampf als noch am Anfang.

tl;dr:
Habt Spaß.
Spielt was ihr wollt
Trauert nicht der Vergangenheit nach sondern macht das beste aus Gegenwart und Zukunft


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Offline Scimi

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #23 am: 28.04.2018 | 04:24 »
Das Gras auf der anderen Seite ist immer grüner?

Weil du deine Ausbildung gemacht hast, bist du nie Musiker geworden. Wegen deiner Sportlerkarriere hadt du nie studiert. All deine Beziehungen gehen von deinem geilen Junggesellenleben ab. Weil du in einer Stadt aufgewachsen bist, hattest du nie diese geile Kindheit auf dem Land. Denk an all die Minuten, in denen du was gemacht hast, und von denen du heute weißt, dass du damit besser was anderes angestellt hättest…

Von all den vielen möglichen geilen Leben kriegt jeder nur eins. Aber das ist darum nicht einfach Müll. Irgendwo anders hat gerade jemand mit seiner 25jährigen DSA-Kampagne dieselbe Rollenspiel-Midlife-Crisis und fragt sich, ob seine nahezu komplette DSA-Sammlung ihn wirklich glücklich macht, während draußen in der Welt tausende Systeme gespielt werden, die ganz bestimmt all die Probleme und Macken gelöst haben, mit denen sich seine Gruppe über die Jahre herumgeschlagen hat…

Offline Radulf St. Germain

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #24 am: 28.04.2018 | 06:33 »
Die Message die ich persönlich aus dem OP herauslese ist - das Spiel soll ein Hobby sein und keine profesionelle Unterhaltung wo jeder sein Bestes gibt.

Ich habe es einem Freund mal so gesagt, als wir über die gemachten "Fehler" am vorausgehenden Abend diskutiert haben - "Ich finde es OK wenn wir uns in unserer Mittelmäßigkeit suhlen." Und das kann man, wenn man sich auf das Positive fokussiert statt überall versucht "konstruktive Kritik" zu üben. Kritik ist gut und wichtig aber noch wichtiger ist allerdings sich auch einmal einfach auf Dinge einzulassen.