Gut, aber was ist die Alternative? Alles vorbereiten? D.h. ich habe viel Material das wertlos verpufft. Nichts vorbereiten? Dann stehe ich auch ohne Vorbereitung da.
Ich meine die Fragen übrigens ernst - ich bereite gerne Dinge vor, mag eine erinnerungswürde Story und will die Spieler nicht in eine Richtung drängen. Geht das überhaupt?
Ja, das geht. Mache ich auch so. (auch wenn ich das letzte mal wegen eines Special Guest Stars tatsächlich mal hetzen und railroaden musste, aber das ist eine andere Story...
)
Graham Walmsley hat in seinem "
Play Unsafe" ganz hübsch erläutert, dass auch ein improvisationslastiges Spielleiter durchaus von guter Vorbereitung profitiert - vorausgesetzt, der Spielleiter hält nicht auf Zwang an seinen Ideen fest.
Für mich ist bei der Vorbereitung wichtig, dass ich
gut antizipieren kann.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass ich
zuverlässige Spieler brauche. Und das erschöpft sich nicht darin, regelmäßig halbwegs pünktlich aufzutauchen und Würfel & Charakterbogen dabei zu haben. Das beinhaltet nämlich auch, dass die Spieler ihren Charakter so spielen, wie sie ihn vorgestellt und (gemeinsam mit SL / der Gruppe) entwickelt haben. So wie abgesprochen halt. Ich bin da ganz bei Schopenhauer:
"Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will."
Alles hat nämlich weniger was mit Spieler
freiheit zu tun, sondern ganz schnell auch mal mit Spieler
willkür. Ersteres ist erwünscht, letzteres toleriere ich nicht (denn alle, auch der SL, wollen Spaß haben).
Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, wie häufig im Tanelorn der Begriff "Spielleiterwillkür" auftaucht, und wie selten der Begriff "Spielerwillkür"? Das wäre mal einen eigenen Thread wert. Wie spiele ich als Spieler meinen Charakter gut (u. a. im Sinne von "frei aber nicht willkürlich"). Spieler scheinen aber an sich so perfekt zu sein, dass Diskussionen da völlig überflüssig sind.
Wiiiichtig!Denn: Beim Vorbereiten / Antizipieren arbeite ich doch als SL auf Grundlage der Charakterflags, der (im Idealfall dokumentierten) Gruppendynamik und der Vorlieben der einzelnen Spieler. Darauf muss ich mich
verlassen können (und bei meiner HEX Runde kann ich das beispielsweise seit Jahren). Wenn ich dann vorbereite, bin ich in den allermeisten Fällen sehr nah an dem, was dann tatsächlich im Spiel passiert, ohne dass ich da Wahlmöglichkeiten oktroyierte. Natürlich habe ich einen Fahrplan (mit Alternativrouten, Abkürzungen, Umleitungen, Unfällen, etc.). Und da sind gewisse Stationen halt fixer vorgesehen, als andere. Meine "Fahrgäste" haben aber schließlich auch eine Panoramareise an einen gewisses Ziel mit gewissem Service und Sehenswürdigkeiten gebucht und nicht ein Ticket für nen Autoscooter aufm Jahrmarkt (man kommt nirgendwo her, es geht nirgendwo hin, aber Hauptsache es knallt und rummst). Wer sowas nämlich spielen will, ist bei meiner Vision von Rollenspiel falsch, auch wenn ich actionlastige Spiele bevorzuge.
Also ist es
elementar wichtig, zwischen einem Railroading zu unterscheiden, dass Spielerentscheidungen entwertet, weil die
Vorbereitung der SL schlecht war und Railroading, das Spielerentscheidungen entwertet, weil sie
willkürlich und entgegen den mit der Gruppe (implizit oder explizit) getroffenen Vereinbarungen ist. So viel Moderator gestehe ich mir als SL dann doch zu. Zumal in vielen Gruppen der SL der Hauptverantwortliche für Dinge wie Gruppendynamik, Story-Arcs und Spieltheorie im Allgemeinen ist, während die Spieler doch häufig "nur" konsumieren.
Bei mir persönlich ist es so, dass je detailierter ich vorbereitet bin, desto besser kann ich am Tisch auch improvisieren. Meine Spieler überraschen mich ja trotzdem häufig! Aber dann in positivem Sinne - mit noch cooleren Sachen, mit Problemen, die sie sich selbst aufladen damit das Spiel interessanter wird, manchmal auch mit Abkürzungen. Und dann muss ich als SL auch laufen lassen und umstricken. Gut, wenn ich dann die Dinge trotzdem im Blick habe, und fundierte Entscheidungen (Improvisationen) treffen kann. Bei guter Vorbereitung und zuverlässigen Spielern ist Railroading weder auf die legitime noch auf die illegitime Art nötig. Manchmal dann auch weniger Improvisation, aber das macht ja keinen Unterschied am Spieltisch.
In summa:
- Vorbereitungen können ebenso hilfreich wie hinderlich dabei sein, auf Entwicklungen am Spieltisch zu reagieren (Walmsley: "Hold ideas lightly").
- Vorbereitung und ein "Fahrplan" sind nicht gleich Railroading.
- Wenn keine Spielerentscheidungen entwertet oder aufgehoben werden, ist es per definitionem kein Railroading.
- Es gibt (mindestens) zwei Formen von Railroading:
- Railroading aufgrund fehlerhafter Vorbereitung der SL, die legitime, nachvollziehbare Spielerentscheidungen im Sinne vorher definierter Rahmenpunkte entwertet
- Railroading, das Spielerentscheidungen entwertet / aufhebt, die entgegen der vorher vereinbarten Rahmenpunkte stehen, und nicht begründbar / Nachvollziehbar sind