Autor Thema: Woher die Abwehrhaltung?  (Gelesen 11254 mal)

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Offline D. M_Athair

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #75 am: 21.06.2018 | 21:05 »
Was mir daher eher unangenehm aufstößt [...] sind Spieleentwickler, die mir ihr neues superdolles System als das Größte seit der Erfindung des Fernsehens und geschnitten Brot anpreisen, dann auf mein Nachfragen, warum man für ihr Genre/ ihre Welt nicht auf System X mit Mechanik Y zurückgegriffen hätte oder zumindest eine bestimmte Abwicklungsart adaptiert hätte, die dasselbe eleganter und in kürzerer Zeit erreiche nur mit einem leeren, erstaunten Blick preisgeben, dass sie keine Ahnung haben, wovon ich gerade rede.

Zuletzt erlebt bei einer Autorin von Private Eye, das meiner Meinung nach ein Regelsystem hat, dass das Genre (Ermittlungen zur Zeit von Sherlock Holmes) nicht sehr gut abbildet, da Ermittlungsergebnisse wie bei Cthulhu erwürfelt werden (Finden wir die wichtige Spur oder ist das Abenteuer hier zu Ende?).
Als ich Gumshoe als Alternative ansprach - Fehlanzeige.
Ist, finde ich, ne andere Baustelle.

Zum Beispiel noch:
Private Eye hab ich jetzt nicht. Nicht so ganz mein Thema. Die Regeln scheinen mir auch ne Mischung aus BRP, Freiforum und "German Cthulhu" (= die Regeln sind relativ egal), was besonders wegen des letzten Punktes nicht so meines ist. Allerdings habe ich mit Maelstrom Gothic (Spunk, Ermittlung, viktorianisches England) und Dark Streets (dreckiges georgianisches England, rohe Ermittlungsarbeit) zwei W100-Spiele, die ich ganz hervorragend finde. Besser als das, was Gumshoe liefert. Warum? Weil der Ermittlungs-Metamechanismus, für das, was die Spiele (Maelstrom Gothic & Dark Streets) jeweils wollen, Rotz wäre. Für Mutant City Blues finde ich den dagegen toll. In der starken Abwandlung wie er in The Cthulhu Hack vorkommt, mag ich ihn auch.

In anderen Worten: Ich glaube schon, dass Du Recht hast, wenn Du das Regeldesign von Private Eye als eher schlampig ansiehst. Genauso bin ich davon überzeugt, dass Gumshoe dafür nicht zwangsläufig die richtige Lösung ist oder ein W100-System per se unpassend. [Was gegen den Gumshoe-Mechanismus bei PE spricht: Der dort unerwünschte Immersionsbruch.]


Um jetzt die Brücke zu schlagen:
Ja, Spieleentwickler sollten sich ein bißchen auf dem Laufenden halten, gerade um sagen zu können, was das eigene Spiel besonders macht und welche Ansprüche es verwirklicht bzw. umsetzen will. Wenn Spieledesigner bzw. Verleger, Autoren oder Verlags-Veräufer auf Messen das nicht können, dann ist das blöd. Denn dann werden gern mal allgemeine Lobhudel-Worte (wie man sie von amerikanischen RSP-Sachen kennt) ausgepackt, die Aversionen erst erzeugen können.
« Letzte Änderung: 21.06.2018 | 21:15 von D. Athair »
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Offline YY

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #76 am: 21.06.2018 | 21:12 »
Denn dann werden gern mal allgemeine Lobhudel-Worte (wie man sie von amerikanischen RSP-Sachen kennt) ausgepackt, die Aversionen erst erzeugen können.

Das ist meiner Wahrnehmung nach zum großen Teil ein interkulturelles Problem - für die Amis ist das völlig normal und gerade in Deutschland stört man sich daran ganz gerne (nehme mich da explizit nicht aus, im Gegenteil).
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Offline Feuersänger

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #77 am: 21.06.2018 | 21:33 »
@YY:
Wenn du wüsstest, wieviele Fanboys es gerade unter Motorradfahrern gibt, die sich extrem über entweder "ihre" Marke (v.a. bei BMW, Ducati oder Harley) oder ihren bevorzugten Motorradtyp definieren und alles andere abqualifizieren... die machen auch nicht gerade Werbung für unseren Stand. ::)

Aber grundsätzlich gilt da freilich genau wie unter Autofahrern: Jeder, der langsamer fährt als ich, ist ein Idiot, und jeder der schneller fährt, ein Wahnsinniger. :p
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"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

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Offline Jiba

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #78 am: 21.06.2018 | 21:45 »
Eine kleine Theorie dazu... ich weiß nicht, ob das schon angeklungen ist: Prinzipiell kann Systemhopping auch schlicht und ergreifende eine Überforderung / Übersättigung sein (jetzt mal ganz unabhängig von Zeit und Geld).

Wenn ich so zurückdenke, in meine Rollenspielanfangszeit in den frühen 0er Jahren... da war die Riege der Systeme für mich wahnsinnig überschaubar: DSA, D&D, WoD, Cthulhu, Shadowrun... manchmal kam wer mit Exoten wie Traveller, L5R, 7te See oder Kult um die Ecke. Sicher, damals gab es schon kleine und nicht so kleine Perlen und Geheimtipps, klar, aber die waren im Netz auch noch nicht so präsent.

Ich habe das Gefühl heute ist die Rollenspielszene sehr viel stärker vernetzt, das Neue liegt nur einen Link entfernt. Und dann haben wir noch Kickstarter, was jederzeit auch die kleinsten Nischen im Hobby bedienen kann.

Womit wir beim OP wären: Eine Abwehrhaltung muss nicht bedeuten, dass jemand nichts Neues kennenlernen will. Er wird sich nur vielleicht dagegen entscheiden, weil er dann auswählen müsste... und das fällt eben immer schwerer. Sich in das zurückzuziehen, was man kennt, ist leichter. Man hat sein Leib- und Magensystem, man hat seine Spieler, man bleibt dabei. Etwas Neues anzuschleppen ist auch mit sozialem Aufwand verbunden, denn man muss das Ganze schmackhaft machen. Man muss das Ganze dann auch selbst bewerben. Und das kann wiederum in einem Meer an Möglichkeiten wahnsinnig anstrengend sein.

Heute kann ich davon ausgehen: Jeder Rollenspieler, mit dem ich spreche, hat irgendein Spiel zu Hause im Schrank, das ich noch nie gespielt habe. Inzwischen überfordert mich das auch, weil es die Trennung zwischen Mainstream- und Special Interest irgendwo aufbricht. Heute ist alles Special Interest und es gibt viele Spiele bei mir im Schrank, die ich niemals in der Tiefe werde bespielen können, wie ich das will, weil sie so obskur sind (und das ohne wirklich obskur zu sein... von den meisten Spielwelten etwa gibt es für andere Systeme ebenfalls Ausprägung um Ausprägung... keine objektiv besser oder schlechter als die andere).

Wenn ich bei meinen Leisten bleibe, vermeide ich die Übersättigung, die der Markt nun einmal im Moment mit sich bringt. Es gibt quasi alles schon. Und nur weil ich z.B. auf Film Noir oder Wuxia oder Mantel-und-Degen stehe, heißt das noch nicht, dass derjenige, der ebenfalls darauf steht, das gleiche Film Noir oder Wuxia oder Mantel-und-Degen-Spiel im Schrank stehen hat.

Es ist eine ständige Verhandlung über das, was man spielen will. Bleibe ich bei dem, was ich schon habe, dann weiß ich, was ich habe und muss mir nicht im Zweifel neue Spieler suchen.

Ein zweiter Punkt ist, dass man in seinem Leib und Magen-System in der Regel gut ist. Wer jahrelang dasselbe Spiel spielt, der erreicht auf Regel- und auf Settingebene einfach eine Qualität, die eine flüchtige Bekanntschaft nicht hergibt. Bei vielen Spielen, die mich interessieren, steige ich tatsächlich deshalb nicht ein, weil es in meinem Freunden und Bekanntenkreis schon Leute gibt, die sich genau auf das oder etwas Ähnliches, das dann in Konkurrenz treten würde, spezialisiert haben. Ich müsste zu sehr arbeiten, um dieses Level zu erreichen.

Aber, zusammenfassend: Beim Altbewährten bleiben ist inzwischen sehr verführerisch... weil es einfach zu viel Anderes gibt.
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Offline YY

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #79 am: 21.06.2018 | 22:10 »
@YY:
Wenn du wüsstest, wieviele Fanboys es gerade unter Motorradfahrern gibt, die sich extrem über entweder "ihre" Marke (v.a. bei BMW, Ducati oder Harley) oder ihren bevorzugten Motorradtyp definieren und alles andere abqualifizieren... die machen auch nicht gerade Werbung für unseren Stand. ::)

Bei den Mopeten erlebe ich das ja nur als Außenstehender, aber das Prinzip ist überall gleich...

Kannst dir ja vorstellen, was ich mir über die Jahre auf dem Schießstand schon an Unsinn bezüglich meiner neumodischen Plastikkrücken anhören durfte.
Dankbarerweise gibt es da eine objektive Instanz, auf die gerade die verbohrten Altschützen derart konditioniert sind, dass sie sich nach dem Blick auf die Scheibe nicht mehr selbst in die Tasche lügen können...dann ist wenigstens für den Tag Ruhe ;D

Und andersrum sind da einige dann total erstaunt, wenn ich mich über ihren alten Kram freue - nur weil ich (meine) Gründe dafür habe, den alten Scheiß nicht zu benutzen, heißt das ja nicht, dass es nicht trotzdem cooler alter Scheiß sein kann  ;)

Heute kann ich davon ausgehen: Jeder Rollenspieler, mit dem ich spreche, hat irgendein Spiel zu Hause im Schrank, das ich noch nie gespielt habe.

Ja, die Rollenspieler, die mit dir (und mir) sprechen ;)
Oder andersrum formuliert: Die mit der Handvoll bekannter Systeme, die nicht nach links und rechts gucken, treffen wir gar nicht.


Richtig kurios im Sinne des Ursprungsbeitrages finde ich aber die, die sich alles Neue anschauen und dann zwanghaft schlecht finden.
Es ist ja jetzt nicht übermäßig verwerflich, "sein" System gefunden zu haben und dabei zu bleiben.
Und genau so ist es in Ordnung, sich Neues anzuschauen.
Aber wenn ich doch weiß, dass ich mir nichts anderes anfangen will, warum schaue ich dann noch?


Ich selbst glaube zu wissen, dass ich zumindest alles kenne, was mir gefällt. 
Von daher sind Con- und Messebesuche in dieser Hinsicht allerhöchstens die Suche nach dem einen Goldnugget, das mir doch irgendwie durchgerutscht ist - aber ich erwarte bestimmt nicht, dass mich irgendein x-beliebiges neues System total aus den Socken bläst.
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Offline Teylen

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #80 am: 21.06.2018 | 22:31 »
Denn dann werden gern mal allgemeine Lobhudel-Worte (wie man sie von amerikanischen RSP-Sachen kennt) ausgepackt, die Aversionen erst erzeugen können.
Ich verstehe das nicht. Also weshalb man platt gesagt pissig wird nur weil wer von etwas begeistert ist.
Jetzt auch aus nicht-amerikanischer Perspektive bzw. deutscher Sicht nicht so wirklich.
Ich mein, man haut doch auch nicht dem armen Götz Alsmann dahin wo es weh tut wenn er seine ultimative Lobhudelei macht (respektive hieb, nachdem Zimmer Frei! ja abgesetzt wurde)
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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #81 am: 21.06.2018 | 22:41 »
Es geht ja nicht um die "normale" Begeisterung.
Beim Ami ist aber grundsätzlich alles noch nie dagewesen, game changer und hastenetgesehen.
Da klafft dann Werbung und Wirklichkeit doch öfter mal ein bisschen auseinander.
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Offline D. M_Athair

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #82 am: 21.06.2018 | 22:54 »
Ich verstehe das nicht. Also weshalb man platt gesagt pissig wird nur weil wer von etwas begeistert ist.
Begeisterung ist toll! Ggf. will ich mich anstecken lassen. Dafür brauche ich aber richtige Infos und nicht so ärgerliche Buzz Words wie die hier:
Zitat
The game system that drives [...] is meant to be fast-moving and simple, so that it facilitates the stories the group wants to create, the imaginative places and creatures the GM needs to describe, and the mind-blowing ideas the world encourages.
Und? Aus dem Kopf: Welches System?

Beim Ami ist aber grundsätzlich alles noch nie dagewesen, game changer und hastenetgesehen.
Nicht nur beim Ami, aber da besonders. Ich hab auch nicht grundsätzlich was gegen diese Art von Übertreibung.
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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #83 am: 21.06.2018 | 22:58 »
Es geht ja nicht um die "normale" Begeisterung.
Die "ultimative Lobhudelei" geht ja auch etwas über "normale Begeisterung" raus ^^;

Nun, und ich lese zumindest die GRW Kickstarter mindestens quer.
Heißt ich bin da einiges im RPG-Sektor gewohnt.

Außerhalb von RPG schaue ich auch begeistert Ellen. Ohne das Bedürfnis den Leuten da mal zu stecken das sie es nicht so übertreiben sollen.
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Offline General Kong

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #84 am: 23.06.2018 | 16:10 »
Ich denke, das angesprochene Phänomen ist eine kulturelle Eigenheit der Amerikaner, z.T. auch der gesamten angelsächsischen Welt. Zumindest ist das mein Eindruck, nicht nur aufgrund der Empfehlungen auf Buchrücken und Spielrückseiten, sondern auch (eingeschränkt) aufgrund persönlicher Erfahrungen (bin häufiger in den USA und habe da Freunde und Bekannte).

Mir gefällt unsere abgewogene, manchmal etwas distanzierte und sehr sachliche und bisweilen sauertöpfisch-überkritische, hyperkorrekt-besserwisserische Art insgesamt besser, aber ich bin ja auch Deutscher.
Amerikaner/ Briten/ andere Ausländer kann das leicht (ver)stören.

Natürlich liegen die mit ihrer unkritischen, selbstbezogenen Jubelmanie völlig falsch ...  8)
« Letzte Änderung: 23.06.2018 | 16:12 von General Kong »
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Offline felixs

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #85 am: 23.06.2018 | 16:53 »
Natürlich liegen die mit ihrer unkritischen, selbstbezogenen Jubelmanie völlig falsch ...  8)

Ich bin der Meinung, dass das objektiv so ist. Ja.

Übrigens hat mir das z.B. Fate ziemlich vermiest. Kann sein, dass da was dran ist. Aber wenn ich sowas http://www.uptofourplayers.com/fate-core-rules/ sehe, will ich das nicht mehr spielen.
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Offline Jiba

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #86 am: 23.06.2018 | 17:37 »
Übrigens hat mir das z.B. Fate ziemlich vermiest. Kann sein, dass da was dran ist. Aber wenn ich sowas http://www.uptofourplayers.com/fate-core-rules/ sehe, will ich das nicht mehr spielen.

Okay, das muss man mir in einem anderen Thread mal erläutern. Ein Grund, warum du kein Fate spielst, ist weil die Begeisterung dafür zu groß ist? Spezifischer: Weil ein Haufen Rollenspieler/Comic Artists, die Fate einfach gern haben, einen Comic dazu gemacht haben... in einem Format, was sie auch für andere Rollenspiele gemacht haben?

Ähmmmm, bei jedem Rollenspiel, was aus diesen Gründen abgelehnt wird, habe ich riesige Fragezeichen über der Birne. Ich kann mich nicht erinnern, dass es dafür massiv Werbung im deutschsprachigen Raum gab, noch dass irgendjemand in der deutschen Fate-Community das Spiel so aggressiv als das Tollste TM promoten würde. Ich fand die Fate-Community immer eher freundlich, zurückhaltend, erklärend. Dass sie in jedem Thread, wo die Frage im Raum steht "Womit spiele ich XYZ am Besten?", natürlich auch auf Fate hinweisen, ist doch ganz normal. Genauso machen das WoDler, GURPSisten und Savage Weltbürger doch auch.
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eldaen

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #87 am: 23.06.2018 | 17:49 »
Die einem aber nicht in solcher geballter Häufigkeit bei Kritik das inzwischen schon sprichwörtliche "Dann hast du [Fate] nicht verstanden" um die Ohren hauen...

Ich glaube, gerade bei "abstrakteren" Regelwerken kommen sich Leute, die es einfach konkreter (oder konventioneller) mögen, dann noch mal extra veralbert vor. Regeln, die man nicht nachvollziehen kann/will, weil man für das, was sie verriegeln eben bislang gar keine Regeln brauchte vermitteln einem durchaus manchmal, bislang "falsch" gespielt zu haben. Der Austausch unter häufiger Verwendung eigens etablierter (in der Natur der Sache bedingt vager) Fachtermini innerhalb eines Forums stärken dann noch tendenziell den Eindruck eines rollenspielerisches Elitetums. Wie vage das manchmal ist, konnte man beispielsweise ja an manchen Diskussionen um PbtA gut erkennen.

Die Art und Weise wie sich also mitunter Begeisterung äußert nimmt, glaube ich, einfach jeder anders wahr. Manche Leute (ich eingeschlossen) haben halt eine Hype Allergie, mögen ganz handfeste Termini und Regeln (wenn sie denn welche wollen). Kombiniert mit dem angloamerikanische Marketingstil a la "The Best RPG Ever" kann einem das dann schon ein Rollenspiel vermiesen und einen in Abwehrhaltung bringen. Berechtigterweise? Das sei mal dahingestellt. Nachvollziehbar? Ich denke schon.
« Letzte Änderung: 23.06.2018 | 17:58 von HEXer »

Offline felixs

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #88 am: 23.06.2018 | 18:13 »
Okay, das muss man mir in einem anderen Thread mal erläutern. Ein Grund, warum du kein Fate spielst, ist weil die Begeisterung dafür zu groß ist? Spezifischer: Weil ein Haufen Rollenspieler/Comic Artists, die Fate einfach gern haben, einen Comic dazu gemacht haben... in einem Format, was sie auch für andere Rollenspiele gemacht haben?

Ähmmmm, bei jedem Rollenspiel, was aus diesen Gründen abgelehnt wird, habe ich riesige Fragezeichen über der Birne. I

Nein, das ist natürlich nicht der einzige Grund. Aber es erzeugt bei mir doch extreme Aversionen.
Allerdings geht das tatsächlich primär gegen den amerikanischen Stil (der sich aber, m.E., in Fate sehr stark spiegelt) und nicht so sehr gegen bestimmte Rollenspiele.

Star Wars mag ich aber auch nicht. (Und ich meine, da ein Muster zu erkennen. Wenn jemand sich dazu getrieben sieht, "awesome", "OMG", oder direkte Entlehnungen aus dem amerikanischen Begeisterungssprech zu übernehmen, bin ich meistens raus).

Du hast aber recht, das ist grundsätzlich eine andere Diskussion. Andererseits ist aus meiner Sicht dazu fast alles gesagt - es ist ein ästhetisches Problem. Ästhetik spielt aber (meist) eine große Rolle bei Rollenspielsachen.
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Offline D. M_Athair

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #89 am: 23.06.2018 | 18:40 »
Ich denke, das angesprochene Phänomen ist eine kulturelle Eigenheit der Amerikaner, z.T. auch der gesamten angelsächsischen Welt.
Naja. Bei britischen KS-Projekten fehlt die farblose Grandiosität der Werbung häufig - ne punktgenaue Produktbeschreibung gibts eigentlich immer.

Die einem aber nicht in solcher geballter Häufigkeit bei Kritik das inzwischen schon sprichwörtliche "Dann hast du [Fate] nicht verstanden" um die Ohren hauen...
So übermäßig heftig finde ich das nicht. Ich find auch, dass man Leuten sagen darf, dass ein Spiel nicht so funktioniert, wie sie es gerne hätten.
(Keine Ahnung, ob das auch ein deutsches Phänomen ist, ist mir aber bei Film-Rezensionen besonders aufgefallen: Leute tragen ihre ganz eigenen Erwartungen, die man mit den versprochenen Produktmerkmalen bestenfalls assoziieren kann, an etwas heran. Dann sind sie enttäuscht und bewerten schlecht, weil das Produkt ihre Erwartungen nicht erfüllt. Dabei waren die Erwartungen von Anfang an unangemessen und nicht die Produktmerkmale.)

Allerdings hat dieses "du hast es nicht verstanden" auch Grenzen der Validität, die nicht selten gesprengt werden. Gerade von Fans von Hype-Systemen. Da geht es dann gar nicht darum sich mit solide abgeleiteten Erwartungen oder konkreten Schwierigkeiten auseinander zu setzen, sondern darum "das heilige, geilste Spiel ever" vor Kritik zu bewahren bzw. andere Meinungen nicht gelten zu lassen. Kommt bei Fate vor. War (und ist teilweise immer noch) ein Problem bei Savage Worlds. PbtA hat da in der Fankultur auch Schwächen.


Zu guter Letzt kann die gefühlte Omipräsenz von Spielen (als System-Tipps, von der Veröffentlichungs-Schlagzahl her, ...) Aversionen weiter befeuern. So im Sinn von: "Warum kommen diese ganzen tollen Themen/Settings/kreativen Ideen für so blöde Sachen wie Fate, pbtA, die OSR, Pathfinder, ...?" Oder: "Warum werde ich ständig mit diesem blöden System behelligt, ich hab doch schon gesagt, dass ich XY nicht mag?"
« Letzte Änderung: 25.06.2018 | 09:44 von D. Athair »
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Offline KhornedBeef

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #90 am: 23.06.2018 | 18:45 »
Na ein Glück, dass du das klargestellt hast, dass das ästhetisch motiviert ist. Für einen Moment klangst du nach einer apokalyptischen Mischung aus vergreist und verhipster ;)
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Und eine Sache abzulehnen, weil sie bei zu vielen anderen Leuten zu Begeisterung führt, tja....

Das musst du jetzt zwangsläufig ein bisschen persönlich nehmen, tut mir Leid. Vermutlich hast du etwas anderes gemeint, aber das kam nicht an :)
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Ich vergeige, also bin ich.

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Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Offline Maarzan

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #91 am: 23.06.2018 | 19:09 »
So übermäßig heftig finde ich das nicht. Ich find auch, dass man Leuten sagen darf, dass ein Spiel nicht so funktioniert, wie sie es gerne hätten. ...

In einem Fate-Faden wäre das sicher gerechtfertigt.

Der verbreitetste Aufhänger sind aber doch Anfragen wie "Ich suche ein System, das x y z macht" und dann kommt eben standardmäßig für alles der Liebling und eben besonders oft Fate, weil mit Aspekten geht ja AAALLLEESS.
Und wenn das dann bezweifelt wird, kommt der Satz oben - plus Aspekte für X gibt es ja und sind ja auch viel besser als Y Z.
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Offline General Kong

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #92 am: 23.06.2018 | 19:26 »
Nun, ich bin bei dir, Felixs: Ich mag dieses affektierte Dummsprech, das auf einen Hieb zwei Sprachen, die ich sehr liebe, versaubeutelt, auch nicht.

Und ja, ich weiß: "Affektiert" bereichert aus dem Lateinischen die deutsche Sprache erst seit dem 16. Jahrhundert.

Aber wir verlassen das Thema: Im Endeffekt ist es aber ziemlich wurscht, warum ich mich eines neuen Spieles "erwehre", sei es
+ aus der Abneigung gegen die überschäumend zu dick aufgetragende Begeisterung von Fans, die mir den Nerv raubt,
+ die penetrante Art oder Sprache der Bewerbung ("awesome", "der großartiger Autor D. Signer schlägt schon wieder zu" usw.)
+ eine Mechanik, die mir das Spiel verleidet (bei mir waren viele D6 jahrelang des Nonplusultra (HERO), dann wollte ich mal wieder D4-D20 rollen lassen)
+ die aArt der Charaktererschaffung (früher bei mir war Punktekauf SUUUPAAH!, heute würfel ich mir auch gerne einen SC zusammen)
+ die Art der Würfel (fand ich bei Warhammer 3 nervig und killt für mich jedes Spiel, das mir mit Symbolen auf Würfel kommt - FATE mit " ", "+" und "-" ist das äußerste der Gefühle)
+ der Ansatz ("Erzählspiele" oder alles ohne SL sind mir ein Graus)
+ einen bestimmte Thematik (bei mir z.B. ist SciFi nicht so von großem Interesse, aber teutonische Endzeitpostapokalypserollenspiele 10.000 Jahre nach dem Knall/ der Eiszeit/ der Polschmelz mit "coolen" Kulturen geht gar nicht),

Gründe gibt es auch für mich, nicht unbedingt für alles offen zu sein.

Ich kann z.B. mit PbtA nichts anfangen (ich glaube ich kapier das nicht - und es reizt mich zu wenig, um mich anzustrengen es genauer zu studieren) und FATE ist nicht unbedingt ein Kaufargument - die Settings und Welten sind interessant, das System ist mir zu "verquatscht" - außerdem mag ich nicht, dass man selbst bestimmt, ob man als letzte Komplikation "Ich in tot" selbst wählen kann. Ist nicht so meins.
Daher gibt es fürb PbtA von mir kein Geld und bei FATE müssen die Spiele mehr können als "ein neues superduper FATE-Spiel!" zu sein.

Bei OSR-Spielen Und allem auf der Basis von BRP ist das bei mir was anderes:
Da kauf ich auch noch die allerneueste Version von Regeln, die ich so oder so ähnlich eh schon habe.
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Offline Feuersänger

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #93 am: 23.06.2018 | 22:27 »
Ich kann felixs Argumentation bzw Aversion auch sehr gut nachvollziehen. Ich werde auch sehr schnell sehr skeptisch, wenn mir etwas als total genial und tutto perfetto verkauft werden soll -- da haben mich die Gepflogenheiten der Werbebranche "verdorben". Auch wenn es sich etwa um einen redaktionellen Inhalt handeln soll -- es ist heutzutage einfach zu üblich, dass ein Redakteur oder Autor in vorauseilendem Gehorsam jegliches kritische Moment selbstzensiert, um nur ja keinen Werbekunden zu vergrätzen oder - je nach Maßstab - auch nur eine ergiebige Freiexemplar-Quelle versiegen zu lassen.
Naja, und dann gibt es da noch die Fanboys.  ::)

Ich hab nebenbei auch so allmählich das Gefühl, die Redaktionen dieser Welt sind diesen Gedankenschritt auch schon gegangen und pflegen mittlerweile in ihre Reviews gezielt ein, zwei minimale Kritikpunkte ein, die den Anschein von Objektivität vermitteln sollen, dabei aber so korinthenkackerisch-mikroskopisch formuliert sind, dass es garantiert für niemanden ein K.O-Kriterium sein kann.

Kurz und gut, bei mir macht eine Rezension wesentlich bessere und effektivere Werbung für ein Produkt, wenn sie beispielsweise klar auflistet, worin es _gut_ ist und wofür es _nicht geeignet_ ist. Was es besser und was schlechter macht als welche anderen Produkte. Und so weiter.
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Luxferre

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #94 am: 25.06.2018 | 07:41 »
Kombiniert mit dem angloamerikanische Marketingstil a la "The Best RPG Ever" kann einem das dann schon ein Rollenspiel vermiesen und einen in Abwehrhaltung bringen. Berechtigterweise? Das sei mal dahingestellt. Nachvollziehbar? Ich denke schon.

Hast Du mal HackMaster gelesen?  >;D

Offline Moonmoth

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #95 am: 25.06.2018 | 08:39 »
Natürlich hat sich auch bei mir über die Jahre so eine Art innerer Alarm bei solchen Geschichten wie übermäßigem "gushing" ("OMG! ES IST SO GROSSARTIG! ICH HABE EINEN NEUEN GOTT UND ER HEISST RPG X !") entwickelt. Allerdings bin ich genauso skeptisch bei einer allzu nüchternen Art, über Spiele zu berichten, die man dann am Ende relativ lapidar etwa mit "Einige signifikante Verbesserungen zur vorherigen Edition. 4/5" abhandelt - inzwischen bin ich nämlich der Ansicht, dass es keine objektiven Reviews geben kann - dann doch lieber eine persönliche Ansicht, die aber begründet (!) sein sollte. Wenn ein Hype begründet ist - egal ob ich jetzt die Gründe für mich relevant finde - dann finde ich das ganz angenehm und es schreckt mich nicht mehr so ab wie vor einigen Jahren.

Wenn jemand etwas offensichtlich liebt und das auch auf Argumenten fußt, dann hat man zumindest für einen Momentl mein Interesse. Hype ist nicht automatisch negativ für mich, auch nicht wenn der von den Autoren/Herausgebern/Verlagen kommt.


P.S.: Dass gerade Fudge/Fate-Derivate und ptbA Systeme einiges grundlegend anders denken als klassische Systeme, erklärt in weiten Teilen den Fervor der Befürworter und auch die grundlegende Ablehnung gerade vieler Veteranen - natürlich rüttelt man da in den Augen vieler den Grundfesten des Hobbys, was ich persönlich überhaupt nicht (mehr) so sehe. Hier sind IMHO Gräben aufgerissen worden, die in einigen Fällen eine Auseinandersetzung mit Neuem schwierig machen.

« Letzte Änderung: 25.06.2018 | 08:40 von Moonmoth »
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alexandro

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #96 am: 26.06.2018 | 21:44 »
Ich denke ein Rollenspiel muss sich schon rechtfertigen, was es eigentlich will. Kann es das nicht (weil es entweder unkritisch als "das Beste, weil neu" oder "das haben wir schon immer so gemacht, also kann das gar nicht schlecht sein" beworben wird), dann sollte man eher vorsichtig sein.

Tendenziell haben es neue Ideen immer etwas schwerer, weil die Heckenschützen bevorzugt auf diese zielen, ohne wirklich auf die Probleme einzugehen, welche diese Spiele zu adressieren versuchen (wenn diese Probleme bei den Heckenschützen (angeblich) keine sind ist das ja schön und gut, aber das ändert nichts an der Existenzberechtigung für diese Spiele, für ihre Zielgruppe). Heckenschützen neigen dagegen zu der Ansicht, dass es "richtige" und "falsche" Arten zu spielen gäbe und dass doch bitte alle sofort und jetzt die richtige erkennen müssten. Dass es in der Spielerschaft unterschiedliche Bedürfnisse gibt und eine homogene Spielelandschaft dem Hobby letztendlich schaden würde, will nicht in deren Einzeller-Schädel.

Ich frage mich gerade, wo diese "Wir müssen eine möglichst große Gruppe bilden" bei uns Rollenspielern eigentlich herkommt. Wir waren doch niemals wirklich Teil des "Establishments" und unsere Helden (von Bastian Bux, über Marty McFly, bis hin zu Luke Skywalker) waren eher selten die, welche als Teil der Gesellschaft gegen die "falschen" Außenseiter vorgegangen sind, sondern eher die, welche entweder selbst Außenseiter waren oder sich wenigstens für diese stark gemacht haben. Und viele haben das selbe nicht nur in Filmen und Büchern erlebt, sondern auch im richtigen Leben. Wenn jemand also nicht Teil der größten Gruppe (oder überhaupt einer größeren Gruppe) innerhalb der Rollenspieler sein möchte und lieber "sein" System spielt oder gar entwickelt, sollten gerade wir Nerds eigentlich das größte Verständnis dafür haben.

Leider ist oft das Gegenteil der Fall: da wird nach Herzenslust nach unten getreten, sobald jemand mal seine Vorliebe für ein System (egal ob groß oder nicht) kundtut. Größe wird dabei oft als Waffe verwendet, um sich vom "Massengeschmack" abzusetzen und sich als Rebell zu inszenieren. Das zieht aber nicht, wenn man "spielt nicht wie die anderen" so eng definiert, dass am Ende nur noch "spielt lieber wie ICH" übrig bleibt. Entsprechend besteht die Schizophrenie der Amöben-Haltung darin, dass man gleichzeitig als unterdrückte Minderheit mit erlesenem Geschmack wahrgenommen werden will, gleichzeitig aber möglichst viele auf diesem Zug mitnehmen möchte - und ausfällig gegenüber denjenigen wird, die sich davon nicht angesprochen fühlen und das auch sagen. Das ist einfach scheinheilig.
« Letzte Änderung: 26.06.2018 | 21:51 von alexandro »

Offline Feuersänger

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #97 am: 26.06.2018 | 22:50 »
Ich fürchte, das hast du scharf beobachtet. So eine gewisse Schizophrenie aus "anders als der Mainstream sein" aber gleichzeitig "die meisten Genossen haben" wollen ist mir auch schon öfter aufgefallen. Aber, das mag als Trost dienen, auch nicht nur in der Rollenspielecke.

--

Speziell bei Rollenspielen haben wir ja das Dilemma, dass zwar mein eigenen Vorlieben so speziell sein können wie sie wollen -- aber das bringt mir halt absolut NICHTS, solange ich keine Gleichgesinnten finde, die so mit mir spielen wollen wie ich mir das vorstelle. Ich denke, das spielt auch stark mit rein, wenn man gegen System X oder Spielweise Y wettert. Konkurrenzprodukte drohen, mir potentielle Mitspieler abzugraben, darum sind sie scheisse.
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

Kleine Rechtschreibhilfe: Galerie, Standard, tolerant, "seit bei Zeit", tot/Tod, Stegreif, Rückgrat

alexandro

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Re: Woher die Abwehrhaltung?
« Antwort #98 am: 26.06.2018 | 23:01 »
Zitat
Speziell bei Rollenspielen haben wir ja das Dilemma, dass zwar mein eigenen Vorlieben so speziell sein können wie sie wollen -- aber das bringt mir halt absolut NICHTS, solange ich keine Gleichgesinnten finde, die so mit mir spielen wollen wie ich mir das vorstelle. Ich denke, das spielt auch stark mit rein, wenn man gegen System X oder Spielweise Y wettert. Konkurrenzprodukte drohen, mir potentielle Mitspieler abzugraben, darum sind sie scheisse.

Das Problem ist halt, dass diese Abwehrhaltung sich wechselseitig verstärkt - je mehr ich gegen die "Konkurrenz"systeme wettere, desto weniger Lust haben die Spieler dieser Systeme, sich mit den Systemen die ich cool finde auseinanderzusetzen.

Wenn ich einfach sage "OK, dann spielen wir halt mal zusammen Apocalypse World (oder Palladium Fantasy oder GURPS)" und mich darauf einlasse, dann werde ich vielleicht noch immer nicht mit diesen Systemen warm, aber im Idealfall ist das System ja nur ein kleiner Teil des Spielerlebnisses. Und vielleicht geben die Spieler der Runde dann auch mal einem System, welches ich cool finde, und welches sie eher nicht so mochten, eine Chance. Vielleicht bin ich auch zu optimistisch.  ;)