Ja, genau darum geht es - welche Möglichkeiten habe ich, ein Abenteuer zu beginnen. Es gibt so viele Kaufabenteuer, da sollte es doch bestimmte Strategien geben. Ohne jetzt direkt zu entscheiden, was davon "gut" und was "schlecht" ist, würde ich gerne mal sammeln, welche Varianten euch schon untergekommen sind - ob nun publiziert oder homebrew ist dabei eigentlich zweitrangig. Ich mach mal den Anfang mit ein paar halbwegs aktuellen Beispielen, die mir gerade noch geläufig sind:
Lost Mine of Phandelver (D&D)
Das Abenteuer beginnt auf der Straße quer durchs Niemandsland, auf der die SC natürlich in einen Goblin-Hinterhalt geraten. Daraus ergibt sich dann ein Lead in Form von Fußspuren zum ersten Dungeon des Abenteuers, in dem die Abenteurer einen entführten NSC befreien und von ihm erfahren können, dass böse Mächte ihr Unwesen treiben.
Die erste Szene ist damit schlicht eine Kampfbegegnung, die zunächst mal etabliert, dass die Gegend gefährlich ist. Außerdem gibt es wie erwähnt einen Lead, der die Charaktere mit dem Plot des Abenteuers in Verbindung bringen kann - so die Spieler denn den Fußspuren durch den Wald folgen.
Eigene Erfahrung: Hat soweit für meine Runde bestens funktioniert, die Szene hat erreicht, was sie erreichen sollte. Besonders originell ist sie natürlich nicht, insgesamt rollenspielerische Hausmannskost der leicht verdaulichen Sorte. Die Szene ist nicht sehr komplex und ist dadurch einfach zu leiten - liegt wohl auch daran, dass es sich bei dem Abenteuer um das Starter Set für D&D 5 handelt.
The Dance in the Blood (Trail of Cthulhu - The Final Revelation)
Die Charaktere treffen scheinbar zufällig am selben Abend in der Bar eines Hotels im englischen Lake District ein. Über der Bar entdecken sie ein altes Familienfoto, das eine Gruppe von Kindern zeigt. Schockierender Weise stellen die SC fest, dass sie selbst die abgebildeten Kinder sind. Allerdings stammt das Foto aus einer Zeit, als sie noch zu jung waren, als dass sie sich daran erinnern könnten.
Die Szene etabliert gleich mal eine schreckliche Wahrheit und spannt dabei gleichzeitig ein großes Rätsel auf. Mehrere Leads zu weiteren Szenen sind enthalten: Ein Familien-, sowie ein Ortsname.
Eigene Erfahrung: Ich fand die Idee super, am Spieltisch hat die Szene aber leider nicht so gut funktioniert wie erhofft. Der gewünschte "Ach du Scheiße, was ist hier denn los?"-Effekt wollte sich bei meinen Spielern nicht einstellen. Wahrscheinlich war meine Darbietung der Szene suboptimal, ich fand es jedenfalls in der Praxis sehr holprig und war enttäuscht, weil mir die Szene beim Lesen so gut gefallen hat.
The Wreck (Trail of Cthulhu - Arkham Detective Tales)
Die erste Szene ist eine Art intertaktive Cut-Scene, in der die Spieler gar nicht ihre eigenen Charaktere spielen, sondern die Besatzung eines Schiffs, das von Deep Ones angegriffen wird. Einer nach dem anderen fallen diese temporären Charaktere den Kreaturen aus der Tiefe auf ausgesprochen grausame Weise zum Opfer. In der zweiten Szene müssen dann die eigentlichen SC das Wrack des Schiffs untersuchen, das herrenlos und voller Leichen auf dem Hudson River vor Manhattan treibend vorgefunden wurde.
Eine sehr unorthodoxe Eröffnungsszene, die (auf dem Papier!) unheimlich cool rüberkommt. Ein Medias Res Intro, das den Mythos-Horror auf den Spieltisch stellt, dann aber einen Schritt zurück geht, und den Spielern so nahelegt, die Lücke zwischen Spieler- und Charakterwissen zu schließen und anschließend zum Kern des Mysteriums vorzudringen.
Eigene Erfahrung: Bislang keine, weil noch nicht geleitet. Die Idee finde ich genial, wie gut das ganze funktioniert kann ich nicht einschätzen.
Howl of the Carrion King (D&D - Legacy of Fire Adventure Path)
Die Charaktere erreichen ein Karawanenlager, in dem einer der Wagen lichterloh in Flammen steht und allgemeines Chaos herrscht. Die SC haben mehrere Optionen für Aktionen, um die Ordnung wiederherzustellen. Leads gibt's eigentlich erst im Anschluss im Gespräch mit den anwesenden NSC.
Die Szene ist sicherlich recht originell, außerdem ist sie interaktiv und bietet den Spielern eine Gewissen Handlungsfreiheit. Leider wirkt sie trotzdem halbwegs austauschbar, da die erste Berührung mit dem Plot danach nicht unmittelbar durch diese Szene bedingt ist.
Eigene Erfahrung: Die Spieler konnten auf vielfältige Weise mit der Szene interagieren, das hat ihnen soweit gut gefallen, wenn ich mich richtig erinnere. Ich fand es als SL nur beim Spielen nicht so toll, dass der Übergang von dieser Szene zum eigentlichen Abenteuerplot nicht wirklich organische von statten ging.
Souls for Smuggler's Shiv (Pathfinder, Serpent Skull Adventure Path)
Die schiffbrüchigen Charaktere kommen an einem tropischen Strand zu sich, während riesige Krabben an ihren Zehen knabbern. Nachdem das Krustengetier vertrieben ist, finden sich die Abenteurer in einer Sandbox wieder, die es zu erkunden gilt.
Diese Szene wirft die Charaktere mitten ins Abenteuer, welches nunmal daraus besteht, die Insel zu erkunden, auf der man soeben gestrandet ist - und dann von dort zu entkommen.
Eigene Erfahrung: Keine, weil nicht geleitet.
Servants of the Cinder Queen (Dungeon World)
Das Abenteuer kommt mit gleich drei Varianten für die Eröffnungsszene daher - ein traditioneller Einstieg, bei dem die SC in einem von nächtlichen Entführungen geplagten Dorf ankommen, der "Default"-Einstieg, bei dem die Charaktere in der Wildnis in der Nähe des Dungeoneingangs beginnen, sowie das "Medias Res" Intro, bei dem man damit beginnt, dass der Dungeoneingang hinter der Gruppe einstürzt während sich von vorne ein brennendes Skelett nähert.
Der Anfang im Dorf ermöglicht es, die Umgebung vorzustellen und durch Beschreibung des Ortes, der Landschaft und seiner Bewohner, sowie durch Interaktion mit den NSC einen gewissen Kontext zu schaffen. Der Default-Einstieg stellt die SC in eine unbekannt und potenziell gefährliche Umgebung und überlässt es den Spielern, zu entscheiden, was sie als nächstes tun wollen. Der Medias Res Einstieg lässt es krachen und schmeißt die Abenteurer direkt mitten in die Action, und zwar ohne jeglichen Kontext hinsichtlich der Spielwelt zu etablieren.
Eigene Erfahrung: Ich habe den traditionellen Ansatz gewählt und bin damit soweit eigentlich gut gefahren. Das Ganze war zwar recht behäbig, hat aber erfolgreich den Ton etabliert, den ich für das Abenteuer haben wollte. Außerdem haben sich aus der Interaktion mit den NSC direkt ein paar Verbindungen ergeben, mit denen die SC mit der Welt verknüpft werden konnten. Hat Spaß gemacht und gut funktioniert. Das Medias Res Intro könnte spaßig sein, und wäre wohl meine erste Wahl, wenn ich das Abenteuer als One Shot z.B. auf einer Con leiten wollte.