Bisher lese ich ja hier eher Spekulationen und Vorab-Zuneigungs/Abneigungsbekundungen als echte Infos, die ich für eine Kaufentscheidung verwenden könnte...
OK, dann mal mein Ersteindruck nach dem Überfliegen und Inhalts-Überblick.
Ersteindruck: Ich bin sehr angetan (Nachtrag nach dem Schreiben dieses Texts: Eigentlich merke ich, dass ich sogar begeistert bin). OK, ich mag das MtG-Universum und Ravnica, ich glaube aber, dass der Band auch abseits dessen wirklich gut gemacht ist und viele Bereiche auch brauchbar sind, wenn man gar nicht in Ravnica spielen will.
Vorweg und (für mich) momentan einziger Kritikpunkt: Es gibt keine Regeln oder Infos zu MtG-Planeswalking oder gefärbtem Mana. Es ist ein D&D-Ravnica-Band, kein D&D-MtG-Band und das größere Multiversum spielt keine Rolle. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch positiverweise, dass man keine Ahnung von MtG haben muss, um den Band zu benutzen.
Die Bebilderung ist wie erwarten großartig (wenn man den Stil von D&D5 und MtG mag).
Nach Credits, Contents etc. geht es von S. 5-9 mit einer grundlegenden Einführung in Ravnica los.
S.10 ist ein Bild, S. 11 -27 drehen sich um Charaktere.
Dabei gibt es ein imho ziemlich cooles "What's Important to me?"-Entscheidungsbild um über mehrere Fragen herauszubekommen, welche Gilde einem (bzw. seinem Charakter) am ehesten zusagt. Ich finde sowas immer spaßig.
Es gibt neue Rassen (Zentaure, Goblin, Loxodon (Elefantenmensch, wer's mag kanns nutzen, sonst einfach ignorieren), Minotaurus, Simic Hybrid (Mutant) und Vedalken), von denen einige sicher auch in anderen Settings nutzbar sind.
Es gibt eine neue Kleriker-Domäne (Ordnung) und einen neuen Druiden-Zirkel (Sporen) die auch beide nicht Ravnica-gebunden sind (aber es wird, wie auch für alle anderen Klassen erklärt, wie sie sich am besten in Ravnica einfügen). Was leider abgeht, ist eine Artificier- und/oder Alchemisten-Klasse für die Izzit
Kapitel 2 (S. 29-97) beschreibt die Gilden. Es gibt einen Hintergrund für jede Gilde, besonders typische Zaubersprüche, Zufallstabellen für Kontakte, ein Aufstiegs- und Rangsystem (das sich sicher auch leicht auf andere Organisationen umlegen lässt) und Vorschläge, wie man die Gilde als Freund oder Feind in Abenteuer und Kampagne einbauen kann.
Kapitel 3 (S.99-121) beschreibt den zehnten Bezirk von Ravnica mit seinen Besonderheiten. Kann ich noch nicht viel dazu sagen, aber es ist wohl eine gute Idee, sich auf einen bestimmten und immer noch riesigen Stadteil zu konzentrieren, der sicher für eine Urban-Fantasy-Kampagne ausreicht, anstatt die ganze Weltstadt Ravnica beschreiben zu wollen. Was mir schon auf den ersten Blick sympathisch ist: Für jeden Precinct (Stadtteil vom Staddteil) gibt es Zufallstabellen für Personen und Gerüchte.
Kapitel 4 (S. 123-159) bietet SL-Tips zur Abenteuerplanung und haufenweise Abenteueraufhänger in Zufallstabellenform für alle Gilden. Dazu gibts auch ein paar Karten.
S.160-171 nimmt das Abenteuer "Krenko's Way" ein.
Kapitel 5 (S.173-181) bietet neue magische Gegenstände, die man eigentlich auch problemlos in anderen D&D-Settings verwenden kann.
Kapitel 6 (S. 183-256) bietet schließlich haufenweise neue Monster und NSCs aller Stufen (Ich liebe Monsterbände
). Mit meist einem, manchmal 2-3 Kreaturen pro Seite macht das ~100 neue Kreaturen, die ohne oder nur mit geringen Anpassungen auch außerhalb von Ravnica einsetzbar sind. Dazu kommt auch noch eine kurze Übersicht, welche Kreaturen aus den anderen D&D5-Bänden wo und wie ihren Platz in Ravnica haben.
Alles in allem: Ich bin sehr zufrieden. Der Band gibt auf jeden Fall eine feine Sandbox ab, in der man eine oder auch mehrere Kampagnen verbringen kann.
Es mag nicht jede Gilde und jedes Monster jedem gefallen, aber in dem Fall sucht man sich einfach aus, was man haben will und konzentriert die Kampagne darauf. 3-4 Hauptfraktionen dürften für eine Kampagne ohnehin die beste Lösung sei, alle zehn Gilden gleichwertig einzubinden, wird wohl nur unübersichtlich. Das führt dann auch (wahrscheinlich) zu einem hohen Wiederspielwert. Eine Kampagne mit den Boros und Azorius (Recht und Ordnung) gegen die Dimir (Diebesgilde), Orzhov (Geister-Syndikat) und Rakdos (Dämonenkult) kann mit den SCs auf beiden Seiten gespielt werden und fühlt sich sicher ganz anders an als eine Kampagne um außer Kontrolle geratene Experimente mit den SCs als Mitglied der Izzit (Verrückte Techniker) oder Simic (Bio-Ingenieure). Es gibt im Buch verteilt eine ganze Reihe von Godzilla-artigen Szenen, da steckt viel Potential drin.
Man könnte auch einen Unterwelt-Konflikt zwischen Golgari (Unterdrückte Drecksarbeiter und Nekromanten) und Dimir oder Orzhov spielen.
Oder Selesnya (Harmonischer Naturkult) und Gruul (Barbaren, Stärke) gegen die technische Ausbeutung und Entartung der Natur durch Izzit und Simic.
Oder Gildenlose SCs, die einfach zwischen die Fronten geraten (Eine Goblin-Gruppe, yihaa!
)
Und dann gibt es natürlich (für MtG-Fluff-Experten) immer noch die Möglichkeit, doch das größere Multiversum einzubauen. Ich bin wirklich schon auf den Abschluss der Nicol Bolas-Storyline gespannt. Auch wenn im Ravnica-Band selbst keine Erwähnung dazu steht (Die meisten in Ravnica sind da ja recht ahnungslos) werden diese Ereignisse wohl eine mögliche Basis für eine richtig epische Kampagne liefern.
Hätte ich nicht gerade eine Kampagne angefangen, würde ich jetzt wohl eine starten. So werden es wohl ein paar Ravnica-One-Shots an unseren Vereinsabenden werden.
P.S.: Der Band ist evtl. sogar jenseits von D&D5 interessant. Hintergrundbeschreibungen und Zufallstabellen bieten sicher einen guten Boden für Dungeon World, Blades in the Dark oder Fate und die Kreaturen sollten sich leicht konvertieren lassen. Evtl. würde es sogar mit dem einen oder anderen OSR-System funktionieren, aber da bin ich kein Experte.