Autor Thema: Chiarina sieht Film Noir  (Gelesen 9491 mal)

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Offline Chiarina

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Chiarina sieht Film Noir
« am: 4.08.2018 | 02:32 »
Phase 1: Ich habe den 3W6 Podcast gehört, insbesondere die Folge über das pbta-Spiel "Noir World". Es hat bei mir gezündet, ich bin jetzt einer der Vorbesteller. Dann aber habe ich ein wenig nachgedacht und mich gefragt, wieviel Ahnung ich eigentlich vom Film Noir habe. Ehrlich gesagt: Nicht viel. Viel mehr als irgendwelche sehr platten Klischees von alkoholkranken Detektiven in Trenchcoats, irgendwelchen Femme Fatale und Männern, die an ihrer Berufung zweifeln und selbst korrupt werden fällt mir dazu nicht ein.

Phase 2: Ich habe den Wikipedia Artikel zum Film Noir gelesen. Ich finde das Thema immer noch ganz interessant. Am Ende des Artikels befindet sich eine Liste von klassischen und Neo-Noir-Filmen. Bis das Spiel bei mir eintrift habe ich beschlossen, ein paar dieser Filme davon zu sehen und hier ein paar Kommentare zu ihnen abzugeben... vielleicht einen oder zwei pro Monat... Wie lange ich das durchhalte? Keine Ahnung! Ich schreibe übrigens als kompletter Film-Dilettant ohne Anspruch auf größere Relevanz.
« Letzte Änderung: 4.08.2018 | 05:37 von Chiarina »
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Offline Scimi

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #1 am: 4.08.2018 | 04:02 »
Sehr interessant, bin mal gespannt, wie du es findest.  ;)

Wenn du aber nicht *alle* Filme sehen willst, würde ich mir an deiner Stelle im Internet ein paar Listen mit den besten oder relevantesten "classic" Noir-Filmen googeln. Wikipedia listet einfach alles Mögliche, was zu Noir-Hochzeiten entstanden ist, und da ist definitiv auch einiges dabei, was kein Mensch sehen muss, damals nicht und heute erst recht nicht.

Selbst viele von den Noir-Perlen finde ich heutzutage schwer zugänglich und für moderne Zuschauer oft steril, langsam und vorhersehbar. Die Stinker, die zwar akademisch zum Genre zählen, aber schon in ihrer Zeit keinen begeistern konnten, sind einfach nur noch Lebenszeitverschwendung.

Offline Chiarina

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #2 am: 4.08.2018 | 05:33 »
The Letter (dt.: „Das Geheimnis von Malampur“), 1940)

Der Schwarzweiß-Film ist ein absolutes „Bette Davis“ – Feature. Wie sich die Frau hier durch eine persönliche Katastrophe nach der anderen windet ist absolut göttlich. Das Thema: Eine Frau erschießt einen Mann und behauptet dann, er habe sie vergewaltigen wollen. Im weiteren Verlauf des Films wird schon bald klar, dass der Sachverhalt anders gelagert ist. Es folgen intensive Charakterstudien: Die Frau, die die Wahrheit verbergen will, der Anwalt, der sich fragt inwieweit er die Frau vertreten kann, der Ehemann, der – irgendwann mit den Tatsachen konfrontiert – überlegen muss, ob seine Beziehung zu dieser Dame noch eine Chance hat. Insbesonders die Frage, inwieweit die Protagonistin eigentlich die Wahrheit sagt oder stattdessen versucht, ihre Haut (kaltblütig) durch ein flexibles Lügenkonstrukt zu retten, macht den Film über weite Strecken sehenswert.

Da die Frau des Ermordeten eine einheimische Malaiin ist, kommt noch eine zweite Ebene ins Spiel, auf der die englischen Kolonialisten den Ureinwohnern gegenüber gestellt sind. Der Verstorbene scheint durch seine Ehe mit einer Eingeborenen das Bindeglied zwischen Kolonialmacht und Ureinwohnern gewesen zu sein und diese Verbindung scheint nach dem Tod des Opfers zerstört: Auf einen Mord aus Eifersucht folgt eine egoistische Rache, wodurch der Kulturaustausch letztlich scheitert.

Insgesamt: Intelligentes Kino mit einer großartigen Bette Davis, durchdachter Handlung und einer subtilen Vorausschau (...und ja: die Augen sind der Wahnsinn).

@ Scimi: Für mich ist das ziemliches Neuland. Ich finde aber alte Filme oft durchaus sehenswert. Mal sehen, wohin mich das führt...
« Letzte Änderung: 4.08.2018 | 06:10 von Chiarina »
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Pyromancer

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #3 am: 4.08.2018 | 14:27 »
Wenn du von den Klassikern genug hast und mal in die Randgebiete reinschauen willst, hier ein paar modernere Sachen in Noir-Tradition:
Cast a Deadly Spell – Film Noir mit Magie
Müllers Büro – Film Noir mit österreichischen Gesangseinlagen
Brick – Film Noir an einer modernen amerikanischen Highschool

Offline Chiarina

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #4 am: 4.08.2018 | 14:29 »
Danke Pyromancer! Tipps sind hier auf jeden Fall auch gern gesehen.
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Offline Chiarina

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #5 am: 7.08.2018 | 03:39 »
They drive by night (dt.: "Nachts unterwegs"), 1940

Seltsamer Film. Er beginnt im Trucker-Gewerbe. Zwei Brüder sind Fernfahrer mit sehr unterschiedlicher Kondition und schlagen sich mit Ach und Krach durch. Als der Schläfrigere der beiden am Steuer sitzt, haben sie einen Unfall, bei dem er einen Arm verliert. Fast ist dessen Frau froh darüber: Jetzt bleibt der Mann wenigstens zu Hause. Der andere hat mehr Glück, bleibt unverletzt und lernt etwas später eine Frau kennen, die er liebt und heiraten will. Noch später gerät er in eine handgreifliche Auseinandersetzung unter Fernfahrern, während der der Leiter einer Speditionsfirma auf ihn aufmerksam wird. Dieser Speditionsleiter war früher selbst Fernfahrer und hat wohl noch einige nostalgische Gefühle für die rauhe Sitten der Trucker. Daher empfindet er in gewissem Sinne Freude über die Prügelei und vor allem den Sieger - unseren Mann. Während der Leiter der Speditionsfirma sich die Prügelei anschaut ist auch dessen Frau anwesend, die unseren Mann ebenfalls sympathisch findet. Sie überredet ihren Mann, den Trucker in die Geschäftsleitung zu übernehmen. Der Mann kann dann auch seinem behinderten Bruder einen vernünftigen Job vermitteln.

Der zweite Teil des Filmes entwickelt sich aus der Tatsache, dass die Frau des Speditionsleiters immer größeren Gefallen an unserem Mann findet. Ihr eigener Mann widert sie aufgrund kontinuierlicher Alkoholexzesse zunehmend an. Unser Abteilungsleiter bleibt aber standhaft und wird seiner Freundin nicht untreu. An einem Abend tötet die Frau des Speditionsleiters ihren Mann, indem sie nach einer Party mit ihrem Wagen in die Garage fährt, ihren besoffenen Ehemann im laufenden Wagen sitzen lässt und nach kurzem Zögern bewusst durch die Lichtschranke geht, worauf sich die Garagentüren schließen. Sie versucht nach dem Tod ihres Mannes sich enger an den Abteilungsleiter, den sie so verehrt, zu binden und macht in zum Teilhaber an der Firma. Der Mann akzeptiert, bleibt aber trotzdem seiner Freundin treu. In den Auseinandersetzungen zwischen der Witwe und unserem Mann wird deutlich, dass die Frau versucht, dem Abteilungsleiter seine Braut aus einem Standesdünkel heraus madig zu machen. Sie wirkt hier sehr reaktionär und verleiht dem Film dadurch vielleicht seine gesellschaftskritischsten Momente. Schließlich wendet sich die Frau aus verletztem Stolz an die Justiz und behauptet, sie habe ihren Ehemann auf Geheiß ihres Kompagnons umgebracht. Zunächst scheinen ihre Chancen vor Gericht gar nicht so schlecht zu sein, als sie aber in einem Justizgebäude zu einer Unterredung mit der Braut des Angeklagten geführt wird, erinnern sie die Lichtschranken vor dem Gesprächszimmer an ihren Mord und zerrütten ihre geistige Stabilität. Als sie später vor Gericht in den Zeugenstand gerufen wird, ist sie nur noch zu unartikulierten Ausrufen in der Lage.

Am Ende hat der Abteilungsleiter gewonnen. Erst will er die Firma den Arbeitern vermachen und selbst noch einmal eine eigene Firma aufziehen. Davon können ihn seine zukünftige Frau und die Arbeiter aber abhalten (wäre ja auch zu schön, wenn hier aus reinem Edelmut so etwas wie Kommunismus entstehen würde!). Schließlich "gibt er sich geschlagen und bleibt der Firma treu". Na gut.

Humphrey Bogart gibt als schläfriger und später einarmiger Bruder eine Nebenrolle. Ansonsten finde ich die Schaupieler o.k., aber wirklich nicht mehr. Hat der Film etwas mit Film Noir zu tun? Naja... die Frau des Speditionsleiters ist ziemlich kaltblütig und diese Kaltblütigkeit wird auch szenenweise ziemlich genau unter die Lupe genommen. Zumindest sie tendiert in Richtung Femme Fatale Charakter (allerdings ohne Erfolg - also doch nicht so fatal). Alkohol fließt in Mengen... aber das lässt sich auch über ganz andere Filme behaupten.

Auf dem DVD-Cover heißt es: "Eines der besten Roadmovies, die die großen Studios in den 40er Jahren hervorbrachten." Tja... wer auf Roadmovies abfährt, kann sich das Ding ja mal ansehen. Der Roadmovie ist aber spätestens zur Hälfte des Films vorbei. Dann wird der Film zum Eifersuchts- und streckenweise auch zum Gerichtsdrama.

Kurz: Ich bin nicht ganz überzeugt. Ein paar gute Twists hat der Film aber.
« Letzte Änderung: 7.08.2018 | 03:49 von Chiarina »
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Offline First Orko

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #6 am: 7.08.2018 | 08:40 »
Juhei! Da hänge ich mich als alter Noir-Fan doch gleich mal ran! Ich müsste mal in mich gehen bzgl Klassik/Neo-Noir und kann dann auch ein paar Empfehlungen geben.
Ein deutliches +1 für Brick - mit einer Einschränkung: Der Film lebt davon, dass typische Noir-Themen und Charaktere in das Highschool-Umfeld transportiert werden. Dementsprechend sollte man die Tropen (Femme Fatale, Hard-boiled-detective usw.) schon kennen. Es schadet also nicht, erstmal 3-4 Klassiker hinter sich zu haben.
Gehört auf jeden Fall zu meinen Lieblingsfilmen.
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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #7 am: 7.08.2018 | 08:48 »
Ich schmeiß mal ein Auge auf den Thread.
Das ist ein Bereich, in dem man sich sicher nochmal fortbilden kann.  ;D
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Offline First Orko

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #8 am: 7.08.2018 | 09:14 »
Hier eine erste Liste. Wenn mir noch was einfällt ergänze ich das direkt hier:
Die Klassiker habe ich vor längerer Zeit mal geschaut, aber ich kann die nicht so gut zusammenfassen - das können andere besser. Es sei nur gesagt, dass jeder mich auf eine Weise fasziniert und/oder überrascht hat.
Ich ordne die mal nach einer diffusen Mischung aus Zugänglichkeit und persönlich wahrgenommener "Wichtigkeit" an ;)

Klassiker
Die Spur des Falken
Der dritte Mann
Laura (Otto Preminger)
Boulevard der Dämmerung
Tote schlafen fest

Neo-Noir
Brick
Warum
Noir in der Highschool und im Hellen, das Spiel mit der überdrehten Noir-Härte, die von Teenagern dargestellt wird

Sin City
Warum
Einmalige, unübertroffene optische Stilisierung des Themas

Drive
Warum
Wegen Ryan Gosling :D

Victoria (2015)
Warum: Film ohne Schnitt (wurde angeblich wirklich am Stück gedreht, best-of-three Takes) wo die Kamera überhaupt keine Distanz zur Hauptfigur macht, kompromisslos und sehr nahbar

Top of the Lake (Kurzserie)
Warum
Twin Peaks in ernsthaft, das Thema "Nach Hause zurückkommen" und "alte Wunden" wird hier mit sehr harter Kante dargestellt, sehr erschreckendes Finale

Lost River
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Besticht durch ungewöhnliche Schauplätze und sehr stimmungsvoller Beleuchtung, die das surreale Thema des Films exzellent unterstützt
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Offline wild dice

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #9 am: 7.08.2018 | 09:20 »
Sehr schöne Liste und wenn man die Persiflage des Noir Genres mag:

Tote tragen keine Karos
Keine Panik, das ist nur das normale Leben - jenes, welches zwischen den Träumen der Kindheit und der Ruhe des Todes einen immer wieder auf den Boden zurückholt.

Offline Crimson King

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #10 am: 7.08.2018 | 09:32 »
Um den Titel des wichtigsten Neo-Noir überhaupt streiten sich wohl Chinatown und L.A. Confidential. The Good German wäre auch noch zu nennen. Ebenfalls sehr stark ist in diesem Zusammenhang die Serie True Detective, wobei die erste Staffel noch unterschwelligen kosmischen Horror mit rein mischt und zu den ganz großen Serienhighlights gehört. Die zweite Staffel ist klassisches Neo-Noir.

Bei den Klassikern wäre noch zwingend Im Zeichen des Bösen zu nennen.
« Letzte Änderung: 7.08.2018 | 09:35 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline aingeasil

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #11 am: 7.08.2018 | 11:38 »
Ich werfe auch mal Black Dahlia. Gefällt mir beim Noir-Schauen immer wieder.

Samael

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #12 am: 8.08.2018 | 12:40 »
Toller Neo-Noir / Action-Comedy Verschnitt mit Ryan Gosling und Russel Crowe (2016):

The Nice Guys.

Gibts grad auf Netflix zu sehen, ganz toller Film. Zwar ganz und gar kein reiner Noir, aber für Genrefreunde sicher einen Blick wert. Für mich der beste Hollywoodfilm, den ich in diesem Jahr geschaut habe.

Offline Ludovico

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #13 am: 8.08.2018 | 13:22 »
Nice Guys ist grossartig.
Für mich der Underdog der letzten Jahre (zusammen mit Uncle von Guy Ritchie).
Fallen Fritz Langs M-Eine Stadt sucht einen Mörder oder Arsen mit Spitzenhäuschen in das Noir-Genre?

Offline First Orko

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #14 am: 8.08.2018 | 13:39 »
Yep, Nice Guys ist ein guter Tipp! Schon allein wegen der Besetzung...!

M von Lang passt zumindest bezüglich Stimmung, thematisch eher weniger. Wenn es um die klassischen Noir-Themen geht wird der meiner Wahrnehmung nach eher seltener genannt.
Ist aber trotzdem ein großartiger Film und unbedingt sehenswert, wenn man das Alter nicht scheut :d
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Offline Lyonesse

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #15 am: 8.08.2018 | 16:22 »
Im Netz der Leidenschaften mit Lana Turner würde ich bei den Klassikern noch empfehlen.
Angel Heart mit Mickey Rourke hat eigentlich viele Film Noir Elemente. Lonely Hearts
Killers
mit John Travolta geht in eine ähnliche Richtung wie The Black Dahlia. The Two
Jakes
würde ich mir vielleicht noch als Sequel zu China Town geben. Der Tod kennt keine
Wiederkehr
mit Elliot Gould ist klasse. Fahr zur Hölle, Liebling mit Robert Mitchum als Marlowe.
Vielleicht noch Nach eigenen Regeln mit Nick Nolte und Red Rock West mit Nicolas Cage.
Außerdem sind der Fargo-Film und die Fargo-Serien ebenfalls moderner Film Noir.
Ah ja, Philip Marlowe – Poodle Springs mit James Caan in der Titelrolle, war zwar eine HBO Produktion -
also für's Fernsehen -, aber ebenfalls nice.

Hier noch ein Beispiel für die erste historische Serie von HBO; eine Krimiserie über Phillip Marlowe
von 1983. Man erkennt schon gut die Bemühungen um Authentizität, außerdem wurde die Serie
stark im Geiste von Chandler entwickelt.

Philip Marlowe, Private Eye The Pencil S01E01 (HBO Noir series)

« Letzte Änderung: 8.08.2018 | 20:46 von Lyonesse »
''Mi dispiace, ma io so' io e voi non siete un cazzo!''
Marchese del Grillo
''Servants quail, allies betray, friends die.''
Conan
Bree-land is generally a quiet place, excitement
being considered bad for the crops and the health
of the inhabitants.
MERP
Nobody im Bus
Vor Gericht mit Vanessa Lutz
Major Lennox Answered With His Life!

Offline Chiarina

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #16 am: 21.08.2018 | 11:31 »
High Sierra (dt. "Entscheidung in der Sierra"), 1941

In der ersten Szene sieht man, wie Roy Earle (Humphrey Bogart) aus dem Knast entlassen wird. Er hat acht Jahre gesessen und eigentlich seinen Ausbruch vorbereitet. Dann aber hat sich ein ehemaliger Komplize für ihn eingesetzt und so seine vorzeitige Entlassung erwirken können. Roy Earle sagt, er habe die 8 Jahre Knast nur überlebt, weil er während dieser Zeit seinen Ausbruch vorbereitet hat.

Die eigentliche Filmhandlung zeigt zunächst einmal den Gangster zwischen zwei Frauen.

Die erste Frau lernt Earle bei der Ausübung seines Berufes kennen. Natürlich hat sich der ehemalige Komplize nicht aus reiner Menschenliebe für Earles Haftentlassung eingesetzt. Er plant einen Überfall, hat aber nur unerfahrene Kleinkriminelle zur Hand und will nun, dass Earle ihnen mit seiner Erfahrung zur Seite steht. Unter diesen Kleinkriminellen befindet sich auch Marie, die sich während der Vorbereitungen in Earle verliebt. Auch sie hat einen "Ausbruch" hinter sich: Sie ist vor ihrer wenig liebevollen Familie geflohen. Das Thema "Ausbruch" verbindet die beiden, Earle erwidert Maries Gefühle aber trotzdem nicht.

Die zweite Frau lernt Earle zusammen mit ihrer Familie bei einer längeren Autofahrt kennen. Earle gibt sich hier von vornherein als hilfsbereit aus. Er bewahrt die Familie vor einem Autounfall und lässt sich mit den Angehörigen bei einer Tankstelle auf ein freundliches Gespräch ein. Hier bemerkt er auch, dass die Tochter Velma eine Gehbehinderung hat. Earle spürt, dass er Gefühle für die Frau hat, besucht die Familie weiter und sorgt für das nötige Geld, um Velma eine Operation zu ermöglichen. Familie und Tochter sind dankbar, Earle macht Velma einen Heiratsantrag, Velma aber lehnt ab: Es gibt bereits einen Mann in ihrem Herzen, den sie auch heiraten will.

Die Konstellation ist auf Kontrast aus: Marie ist eine Gangsterbraut und liebt Earle. Earle aber empfindet nichts für sie. Velma ist eine Mädchen aus ordentlichen Verhältnissen und liebt Earle nicht. Earle aber will sie heiraten.

Schließlich nähern sich Marie und Earle doch einander an. Es kommt zum geplanten Überfall, bei dem nicht alles glatt geht. Earle muss einen Wachmann erschießen. Bei der darauf folgenden Flucht verunglückt eines der Fluchtautos. Zwei von Earles Komplizen verunglücken, ein dritter wird gefasst, gibt aber vor, von den Männern als Geisel mitgenommen worden zu sein und kommt frei.

Im zweiten Fluchtauto sitzen Earle und Marie. Sie trennen sich, damit Marie Zeit zur Flucht hat. Marie hört allerdings über das Radio, wie Earle von der Polizei gejagt wird und begibt sich schließlich ins Gebirge, wo sich Earle an einem ausgesprochen vorteilhaften Rückzugspunkt verschanzt hat. Hier hält er aus erhöhter Position seine Verfolger mit einem Gewehr auf Distanz.

Schließlich soll sich ein Scharfschütze in den Berg begeben und Earle erschießen. Marie ist inzwischen von der Polizei erkannt worden und soll Earle aus seinem Versteck locken. Dabei macht Marie allerdings nicht mit. Sie will nicht den Mann verraten, den sie liebt. Die Entscheidung bringt schließlich ein kleiner Hund, der Marie und Earle zugelaufen ist. Er reißt sich von Marie los, läuft ins Gebirge und bellt in Richtung Earle, der daraufhin nach dem Hund sieht, dabei seine Deckung verlässt und vom Scharfschützen erschossen wird.

Insgesamt ist der Film nicht verkehrt. Die Story ist zwar etwas vorhersehbar, dafür aber durchaus vielschichtig und intelligent. Am Schluss wird Earles Tod von Marie als dessen letzter "Ausbruch" gedeutet, wodurch auf überraschende Weise ein Bogen zurück zum Anfang gezogen wird. Hat mir gefallen.
« Letzte Änderung: 21.08.2018 | 11:34 von Chiarina »
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Offline Chiarina

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #17 am: 11.09.2018 | 13:21 »
The Maltese Falcon (dt. "Die Spur des Falken", 1941)

Der Film gilt als einer der Begründer des Genres, ist ziemlich bekannt und bekommt allenthalben gute Kritiken. Ich war gespannt.

Kurz zur Handlung: Sam Spade, ein Detektiv, bekommt einen Auftrag von einer Dame, die möchte, dass er ihre ausgerissene Schwester aus den Armen eines Verführers befreit, damit sie wieder brav zu Mama und Papa nach Hause kommt. Schon bei den ersten Schritten in der Ermittlungsarbeit wird aber der Kompagnon des Detektivs erschossen. Und dann stellt sich auch schon sehr schnell heraus, dass es in Wahrheit um etwas ganz anderes geht. Worum? Darauf muss der Zuschauer gut 20 Minuten warten. Solange dauert es nämlich, dass sich die Beteiligten anlügen und gegenseitig zu täuschen versuchen. Irgendwann wird klar, dass verschiedene Gruppen auf verschlungenen Wegen einer kostbaren Falken-Statue, deren Geschichte bis zum mittelalterlichen Malteserorden zurückreicht, hinterher jagen. Am Schluss stellt sich heraus, dass die Falken-Statue eine Fälschung ist und alle Bösewichter landen im Knast.

Was ich außergewöhnlich fand:
- Allmähliches Aufdecken des Geschehens: Der Zuschauer kann bei keinem Twist sicher sein, dass er jetzt ein Stück der Wahrheit präsentiert bekommen hat. Alle Erkenntnisse können auch einfach neuen Lügen oder Täuschungen zugrunde liegen. Das macht den Film spannend.
- Wer nicht zu den Bösen gehört, kann trotzdem böse sein! Das heißt nichts anderes, als dass die zentrale Femme Fatale, die bei dem erwähnten Detektiv vor den Bösewichtern Zuflucht sucht, selbst Dreck am Stecken hat. Und zwar nicht zu knapp.
- Es gibt keine Guten! Der zentrale Detektiv entscheidet sich zwar letztlich für die Seite von Recht und Ordnung, aber er tut das nicht etwa, weil das seiner moralischen Überzeugung entspricht! Nein, er tut das - wie er in seinem Schlussmonolog der Femme Fatale erklärt - weil sein Detektivbüro ansonsten an Reputation verlieren würde und er dann nur noch schwer an Aufträge käme. Selbst die Staatsgewalt in Form von zwei Polizisten sucht über weite Strecken des Films einfach einen Schuldigen. Ob das auch tatsächlich der Täter ist, ist nebensächlich.
- Gefühle sind überbewertet! Ja, es knistert ein wenig zwischen der Femme Fatale und dem Detektiv... aber der erste Kuss ist an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten (die Femme Fatale will den Detektiv nicht in die Geheimnisse des Falls einweihen, weil sich beide noch nicht gut genug kennen. Also küsst er sie! Ist doch logisch: Jetzt kennen sie sich schon wesentlich besser, also her mit den Informationen!) und der zweite Kuss... ja da sind Gefühle im Spiel, aber sie reichen keine 5 Meter weit. Am Ende des Films entpuppt sich die Femme Fatale als ziemlich skrupellose Killerin und der Detektiv lässt sie wie eine heiße Kartoffel genau in die Hände der Polizei fallen. Gefühle? Was soll das?

Also... durchaus! Spannender und ungewöhnlicher Film. Sehenswert. Auch ein bisschen unbequem. Menschliche Abgründe werden doch ziemlich drastisch offengelegt. Ich kann mir gut vorstellen, dass er auf das Publikum in den 40er Jahren verstörend gewirkt haben kann.
« Letzte Änderung: 11.09.2018 | 13:44 von Chiarina »
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Offline Skyrock

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #18 am: 11.09.2018 | 13:24 »
"Wilmer, I'm sorry indeed to lose you, but I want you to know I couldn't be fonder of you if you were my own son.

Well, if you lose a son, it's possible to get another. There's only one Maltese falcon."
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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #19 am: 11.09.2018 | 13:26 »
Richtig. Die Szene ist auch nicht ohne!
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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #20 am: 22.09.2018 | 23:19 »
Wenn du zur Weihnachtszeit noch was ungewöhnliches schauen willst: The Lady in the Lake (1947)

Basiert lose auf dem gleichnamigen Roman von Raymond Chandler, ist aber a.) komplett aus der Egoperspektive gedreht und b.) in die Vorweihnachtszeit versetzt. Würde ich insgesamt durchschnittlich nennen (v.a. das Perspektivgimmick für seine Zeit und die unbeweglichen Kameras überambitioniert war), ist aber einer der ungewöhnlichen Noirs die man zumindest einmal gesehen haben sollte, um sie gesehen zu haben. Und neben Die Hard I einer meiner Standard-Anti-Weihnachtsfilme.
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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #21 am: 22.09.2018 | 23:51 »
Danke für den Hinweis. Mir ist der Film völlig unbekannt. Vielleicht bemühe ich mich demnächst einmal um ihn.
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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #22 am: 23.09.2018 | 00:21 »
Vielleicht bemühe ich mich demnächst einmal um ihn.
Das bringt mich zu der Frage: Wo kriegst du die Filme eigentlich her? Ich hatte eine solche Phase auch einmal, als ich Noir Filme sehen wollte. Das war aber außerordentlich schwierig bis unmöglich, sie überhaupt zu bekommen - die Nachfrage scheint so gering, dass es keinerlei Angebote (unabhängig davon, wie eng man das Urheberrecht damals, zu den Hochzeiten von Filesharing sah) gab.
Letztlich fand ich in Berlin eine darauf spezialisierte Videothek - aber die lag so weit weg von mir, dass es trotzdem sehr aufwändig war.

Offline Crimson King

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #23 am: 23.09.2018 | 00:26 »
Die Klassiker sind auf DVD oder Blueray problemlos erwerbbar, wie auch der eine oder andere Halbklassiker.
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Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Blechpirat

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Re: Chiarina sieht Film Noir
« Antwort #24 am: 23.09.2018 | 00:29 »
Die Klassiker sind auf DVD oder Blueray problemlos erwerbbar, wie auch der eine oder andere Halbklassiker.
Ja, sowas wie der Maltese Falcon, die habe ich natürlich auch erworben. Die kommen aber sogar semi-regelmäßig im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Aber das sind nur eine handvoll... Gut, heute kommt vermutlich das Angebot von amazon.co.uk dazu, das gab es damals noch nicht.