Ich hatte immer spekuliert, dass die Sagen von Anno Dazumal auch gemeinfrei waren, bevor Karl Lohmeyer die aufgeschrieben hat. Daher die Vermutung ;-)
Nach meinem Verständnis des Urheberrechts (aber "I Am Not A Lawyer") bedeutet jede neuere Bearbeitung einen "geistigen Mehrwert", der wiederum ein neues Urheberrecht generiert.
Klar, die Geschichten als solches sind im Kern teilweise schon uralt - aber jeder Erzähler hat sie dann auf seine oder ihre Weise verändert und weiter ausgeschmückt. Und die Sagenforscher die sie niedergeschrieben haben, haben diese mit dem Prozess des Niederschreibens erneut verändert.
Es hat schon seine Gründe, warum ich überwiegend Werke aus dem 19. Jahrhundert verwende - da sind die Autoren schon lange tot, und die Geschichten sind damit auf alle Fälle gemeinfrei, was mir keiner abstreiten kann (das digitale Scannen und vervielfältigen ist ein rein automatischer Prozess, und stellt damit nach aktueller Rechtslage
keinen "geistigen Mehrwert" dar).
Die meisten heute veröffentlichen Sagensammlungen verwenden meiner Ansicht nach das wissenschaftliche Zitatrecht (aber wiederum, IANAL...). Ja, sie kopieren meist die Geschichten aus älteren Sagensammlungen und anderen Quellen. Aber (a) sie geben ihre Quellen an, und (b) die Zusammenstellung ergibt dann ein neues Gesamtwerk - was auch bei urheberrechtlich geschützten Texten legitim ist, solange sie aus einer Vielzahl von Quellen schöpfen.
Es gibt natürlich auch viele dubiose Sammlungen, die die Quellenangaben unterlassen. Das ist meiner Ansicht nach rechtlich zweifelhaft - und macht dem Sagenforscher die Quellenrecherche schwerer, was ich natürlich auch nicht toll finde.
Ich selber basiere meine Arbeiten
nicht auf dem wissenschaftlichen Zitatrecht (obwohl sie dafür qualifizieren wollen) weil ich meine Übersetzungen unter der Creative Commons Zero-Lizenz veröffentliche - und das klappt nur, wenn ich die alleinigen Urheberrechte an den Texten habe. Dafür brauche ich gemeinfreies Quellenmaterial.