Ich bin in meinem Leben unter anderem folgenden Personen begegnet und hatte in ernst zu nehmendem Maß mit ihnen zu tun:
Eine gläubige Türkin, die dem liberalen Bürgertum ihrer Heimat entsprang, in ihrer Heimat DnD spielte, später nach Deutschland zog und einen ethnisch deutschen Christen heiratete
Eine türkischstämmige deutsche alleinerziehende Mutter, die sich mit ihren Kindern von ihrer gesamten Familie abnabeln musste, um die Möglichkeit zu bekommen, zu arbeiten, denn eigentlich war für sie die Rolle als Hausfrau und Mutter vorgesehen
Einen Vietnamesen, der 1980 mit seiner Frau per Boot aus Vietnam floh, um dem Militärdienst im Kambodschakrieg zu entgehen, bei dem Rekruten in Scharen verheizt wurden, auf dem Meer von thailändischen Piraten aufgegriffen wurde, die nicht nur alle Wertsachen mitnahmen, sondern auch die Frauen vergewaltigten und Öl ins Trinkwasser kippten, bevor er einige Stunden später von der Kap Anamur aufgesammelt wurde
Eine Tamilin, die zwar in England aufwuchs, aber noch enge Bande zu Familienmitgliedern in Sri Lanka hat, von denen einige im Bürgerkrieg gestorben sind, und die starke Probleme hat, sich gegen die patriarchalen, sozialkonservativen anderen Familienmitglieder durchzusetzen und studieren und arbeiten zu können, statt Kinder in die Welt zu setzen
Dazu Homosexuelle, Transsexuelle, Ausländer, Behinderte
Ich bin mir auch sicher, dass die meisten Leute hier ähnliche und längere Listen vergleichbaren Inhalts erstellen können.
Warum liste ich das also auf? Weil ich im direkten Umgang mit diesen Menschen die Möglichkeit zur konkreten Erkenntnis hatte, dass sehr viele Menschen in Lebenswirklichkeiten feststecken, die mit unserer nur sehr bedingt etwas zu tun haben, und gegen Probleme ankämpfen, die wir uns allenfalls abstrakt vorstellen können. Wir sind uns alle im Klaren darüber, dass Frauen unterdrückt werden, Krieg Leid und Opfer in rauhen Mengen produziert etc. etc. Trotzdem ist es, oder war es zumindest für mich, noch einmal etwas anderes, mit den Betroffenen direkt zu interagieren. Diese Menschen haben auf viele Dinge eine vollkommen andere Sichtweise als wir. Die ist nicht notwendigerweise besser, aber allein die Auseinandersetzung damit ermöglicht Horizonterweiterung.
Das lässt sich *vermutlich* auch aufs Rollenspiel übertragen. Menschen mit anderen als den Lebenswegen der Mehrheit bringen auch andere Sichtweisen an den Spieltisch. Das *kann* das Spiel natürlich bereichern. Auf der anderen Seite ist das nicht zwangsläufig der Fall. Ich denke, je mehr man "einfach nur spielen" will, umso weniger Nutzen hat man konkret im Spiel von erhöhter Diversität, bis zu dem Punkt, an dem sie zu schaden beginnen kann, wobei das auch eine Aussage über die Spielrunde trifft. Für mich sieht das grundsätzlich anders aus. Ich habe gerne Spieler, die die Dinge nicht mit den Augen des weißen, männlichen Geeks sehen, weil ich der Überzeugung bin, dass sie nicht nur mein Leben bereichern und mir die Möglichkeit geben, meine Echokammer zu verlassen und meine eigenen Erkenntnisse zu hinterfragen, sondern dass sie darüber hinaus durch ihre besonderen Erfahrungen das Spiel an meinem Spieltisch bereichern können.