Kritisieren ist leicht, also hier der Versuch einer anderen, hoffentlich im Kern dann sachlicheren bzw. vor allem praxisbezogeneren Herangehensweise:
Diverse Fäden zu diesem Thema waren ja schon hochfrequentiert, sind dann aber an der politischen Grundaufladung und Blockade durch grundlegende politische Vorvereinnahmung durch rhetorische Totschlagsschlagsbegriffe wie Rassismus oder Sexismus dann zu Grunde gegangen. Interesse und Bedarf wie auch einige Baustellen bestehen aber ja offensichtlich genug, denn die entsprechenden Vorfälle, an denen sich das aufhängt, sind ja teils durchaus real.
Daher versuche ich das hier einmal irgendwie analytisch anzugehen.
Die Diskussion um Rassismus und Sexismus als "hohes Konzept" ist primär eine politische Machtdiskussion, welche bevorzugt von den extremen Rändern geführt wird.
Um diesem Extremismus hier schon einmal den Wind etwas aus den Segeln zu nehmen, würde ich Begriffe wie Rassismus und Sexismus als Schlagworte ausschließen wollen.
Wer über entsprechendes negatives Verhalten redet, tue dies bitte spezifisch an dem akuten oder einem eigenen entsprechenden Beispiel und macht das damit diskutierbar und verschwurbele das nicht über irgendwelche extern politisch getroffenen Setzungen.
Die übergeordnete Zielsetzung der Betrachtung läge damit wohl dabei in den Fragen:
I. Wie kann man weitere Leute an diesem Hobby beteiligen?
II. Wie kann man aus dem RL Spielerhintergrund stammende Konflikte und unerfreuliche Erlebnisse für alle nicht mutwilligen Teilnehmer nach Möglichkeit reduzieren?
Grundlagen:
These 0: Ich gehe davon aus, das der typische aktiv geführte Grundkonflikt innerhalb des Rollenspiels bzw. eher deren öffentlichen Gemeinschaften wie Foren etc eine Konflikt um Spielformen, derjenige des Konkurrieren um Mitspieler und Verlagsversorgung ist.
Ich gehe davon aus nahezu alle Spieler sind NICHT grundsätzlich mutwillig/böswillig/... statt den generellen PC-Sündenfall anzunehmen.
Im Normalfall will ein Spieler vor allem eins, Spielspaß haben. Ebenso üblich werden sich da dann vorzugsweise Leute mit ähnlichen Interessen treffen und das geht eben um so besser, wie es genügend Leute gibt, die kompatibel spielen bzw. dies auch durch verbreitetes Material unterstützt wird.
These 1: Echte Diversität ist gut. Denn das erhöht in Folge erheblich die Chance ein Spiel zu finden, welches zu den eigenen Präferenzen passt oder zumindest kannibalisiert werden kann, also ein gewinn für alle Beteiligten.
Je mehr verschiedene Spiele es gibt, desto höher die Chance, dass es etwas gibt, was dann (besser) zu den eigenen Wünschen passt. Dem scheint auf der anderen Seite die Zersplitterung der Szene entgegen zu stehen, aber letztlich ist das denke ich so zu sehen: Wenn man nicht in der Lage ist den Mitspielern die eigenen Präferenzen und damit den eigenen Favoriten schmackhaft zu machen oder zumindest einen für alle vertretbaren Kompromiss zu finden, dann ist doch auch nicht anzunehmen, dass in einer Welt, wo das Gegenüber dann ein für ihn oder sie nicht akzeptables Produkt spielen "muss" (mangels Alternativen) das Konfliktpotential am Tisch dann weniger wird.
These 1a: Feste willkürliche Standards an "Diversität" zwingend einheitlich in alle Produkte reinpressen zu wollen und alles andere zu verdammen, ist alles andere als Diversität, sondern gleichgeschalteter monokultureller Einheitsbrei.
These 2: Lufthoheit bzw. Ursache von flamewars
Die Motivation des größten Teils der dann doch aggressiv geführten Anwürfe gegen andere Systeme liegen darin, die öffentliche Akzeptanz und Sichtbarkeit von Systemen und Spielstilen zu reduzieren, um im Kampf um die Mitspielerressourcen Konkurrenz klein zu halten oder reale oder empfundene Angriffe der anderen Seite abzuwehren.
Ein kleiner Rest ist dann noch eine politische Agenda des oder der Betreffenden, wo jemand versucht auf der Ebene der Rollenspielcommunity seinen gesamtgesellschaftlichen Frust oder ideologische Hegemonieansprüche auszuleben. Das sollte denke ich aber als eben von außerhalb des Rollenspiels verursachtes Fehlverhalten jetzt kein direktes Thema spezifisch rollenspielerischer Maßnahmen sein.
Für die Praxis des Umgangs unter Anständigen und inssbesondere dem Widerstand gegen Änderungen liegt damit der Kern im Verständnis dieses Verteilungskampfes und der damit einhergehenden Verlustängste bezgl. Spielgelegenheiten wie auch eigener Spielqualität und damit eben deren Auswirkungen auf Veränderungsdiskussionen. Das macht so ein "Beißen" nicht gerade richtig, aber hier soll es ja um Verständnis gehen.
These 3: Kommunikation:
Damit die Diversität nicht selbst wieder zu Problemen führt, müßte die Kommunikation über die spezifischen Inhalte der jeweiligen Produkte und Runden (udn ggf. passenderen Alternativen -> Verlage) möglichst einfach, klar und missverständnisarm gestaltet werden, damit die Leute passende Runden finden können (ggf. auch damit Berater wissen, wie sie dem Kunden am Besten helfen können).
III: welche (Minen-)Felder sind da an Befindlichkeiten dann überhaupt alle abzudecken und in welcher relativen Häufigkeit?
Zur Diversität selbst:
Diversität selbst ist auf 2 Ebenen vertreten, einmal in der Ebene des Spielerpools und einmal auf der Ebene der Spielinhalte, wobei die Erweiterung der Inhaltsebene durch eine angenommene spezifische Attraktivitätssteigerung des Materials nach Plan einen Effekt auf den Zulauf zum Spielerpool haben sollte.
Umsetzung:
Der theoretische Appell für Diversität steht schon oben. Bliebe nun die praktische Detailbetrachtung auf den funktionalen Ebenen:
Verlage
Der Rollenspielkuchen ist klein, also ist es aus Sicht eines Verlags nur nahe liegend auch bisher externe Personengruppen zusätzlich gewinnen zu wollen.
Womit wir bei den Fragen sind:
A1) Was sind wirklich die Hemmnisse bisher Externer sich im Rollenspiel zu engagieren (und aus Sicht des Verlag heißt das zusätzlich und möglichst langfristig "zahlend")
A2) Was davon kann auf Verlagsseite mit ihrem Angebot tatsächlich angegangen werden?
A3) Was davon vergrault in größerem Rahmen als die Zugewinne dann tatsächlich Altkunden?
A4) Was kann über innere Diversität und entsprechende Kommunikation zwischen den Angeboten an Kompromissen gefunden werden, um beide Seiten bedienen zu können?
A5) Wie erreicht man solche bisher nicht angezapften Personengruppen überhaupt (und wie groß wären die denn je nach Einzugsgebiet überhaupt)
Die andere Ebene wäre dann aber durch Diversität der Materialien neue zu bespielende und damit eben auch zu verkaufende Bereiche zu eröffnen, sei es in Form neuer Kulturen oder auch Konflikte. Die Frage wäre hier,
A6) was ist dabei tatsächlich verlaglich Erfolg versprechend und da liegt auch nahe:
A7) was ist da a) früher schon versucht worden und b) mit welchem Erfolg (und in welcher diesen Erfolg ggf. prägenden Form).
Veranstalter
Für Veranstalter sieht es zunächst ähnlich aus, mit dem Unterschied, dass sie es nun nicht nur abstrakt mit potentiellen Kunden zu tun haben, sondern lebende Menschen direkt an der Hand haben mit all den Problemen, welche das mit sich bringen kann.
Damit läge der Fokus für Veranstalter einmal nicht in Inhaltsgenerierung (das machen Verlage bzw. die Spielleiter) sondern der Inhaltspräsentation und Neugruppenkontaktierung.
Den Punkt der Inhaltsauswahl/steuerung wäre zwar wohl immer noch da um hochprovokantes/riskantes Material zu behandeln, aber im Großen und Ganzen war ja gerade der Gedanke durch Diversität die Attraktrivität erhöhen.
B0) Wo und wie würden dann am Besten verlässliche und sichere, aber auch verhältnismäßige Vorgaben zu den erwünschten grenzen gesetzt? FSK-Verweis?
Bliebe also die Frage der Darbietung und Kommunikation dieses Veranstaltungsangebots, um gerade Neulingen neutral aber kompetent eine Orientierung und damit einen möglichst passenden und erfreulichen ersten Einstieg zu ermöglichen:
B1) Welche weiteren potentiell interessierten Zielgruppen und in welcher Stärke gäbe es überhaupt?
B2) Wie kontaktiere ich überhaupt weitere Gruppen?
B3) Was bräuchten die ggf "tatsächlich" für ein Zusatzangebot an Info oder Spielangebot zum Anziehen?
B4) Gäbe es passende Zusatzinfos oder gar Ingame Maßnahmen, welche verhältnismäßig im Einsatz Probleme reduzieren helfen würden?
Privatrunden
Blieben zuletzt die Privatrunden. Die haben kein öffentliches Interesse und damit steht das Privatinteresse sprich der Geschmack der oder des Initiators erst einmal alleine vorne an. Aber wie schafft er es dann seine Runden (und damit ggf. wieder unter Nutzung bisher unangesprochener Gruppen) zu füllen, aber eher wichtiger noch ohne späteren Knatsch und Enttäuschung für die Beteiligten ablaufen zu lassen.
Hier fehlt mir im Moment noch eine Vorstellung zu spezifischen C) Fragen.
"Tatsächlich" in Anführungsstrichen bezieht sich auf meine Beobachtung, dass da scheinbar eine Menge Elemente eher aus politischer Agenda denn als tatsächliches Engagement für die Betroffenen Pate der Erkenntnis bei vielen Feststellungen sind. Als Beispiel einmal der Hinweis, der oft gelesen wird, dass für mehr Frauen als Spieler die Inhalte sozialer und gewaltärmer oder gar gewaltfrei werden müssten, am Spieltisch sich da aber reichlich Hinweise finden lassen, dass zumindest diesen Frauen damit ein Bärendienst gegen ihre tatsächlich erlebten Präferenzen geleistet würde.
Umgekehrt hat der allergrößte Teil der Altspieler keinerlei Probleme mit Diversität an sich, wohl aber von über eine Diversifizierung des Angebots hinausgehenden angedrohten Zwangsupdates seines Stammmaterials bzw. den damit einhergehenden Bashing seines Spielstils.
D1) was sind tatsächlich durchgehende Bedürfnisse,
D2) was sind (ggf. sogar inkompatible) Bedürfnisse von Untergruppen
D3) Was sind in der Richtung Mythen?
D4) Wo könnten tatsächlich Konflikte zu Stammspielern oder auch unter Neugruppen vorliegen?
These 3:
Zum Umgang mit "Betroffenheit":
Die Einheitslösung für die Behandlung von Minderheiten etc. kann es schon deshalb nicht geben, weil diese höchst unterschiedlich mit ihrem Status klar kommen und unterschiedliche inkompatible Vorstellungen und Wünsche zum Umgang damit haben:
a) ignorier das bitte, ich will mich damit gar nicht beschäftigen
b) ich bin so und sehe das auch als meine Rolle oder will genau die Rolle aus der anderen Perspektive mal erleben
c) ich will, dass sich damit generell und realitätsnah auseinander gesetzt wird.
d) ich will dagegen ankämpfen können:
• Als echte Herausforderung
• Als dramatische Abenteuer inkl. zwischenzeitlicher Schwierigkeiten, aber letztlich gutem Ende.
• Als Frustkompensation ohne unerfreuliche Momente
E1) Wie sollen diese internen Widersprüche gelöst werden?
Problemzonen:
Rassismus
Ich habe noch keine Probleme mit Rassismus am Spieltisch selbst erlebt. Auf Spielerebene hat es bei mir damit noch keine Probleme gegeben. Auf Charakterebene war das hier bei uns auch eh noch nie ein Problem und wurde immer bunt gemischt, lange bevor das auf den Plan der Verlage kam.
Zu Rassismus unter Spielern kenne ich ebenfalls sonst keine Beispiele aus eigener Hand oder dem näheren Umfeld.
F1) wo habt ihr spezifisch Erlebnisse mit problematischen Verhalten am Spieltisch wegen einer Abstammung gehabt, dass ihr für repräsentativ genug anseht, dass es generell angegangen werden sollte?
Auf Charakterebene fallen mir jetzt aus Fremdberichten dazu ein:
Repräsentationsdiskussion: (aka. fehlendes oder falsches einschlägiges Vorlagematerial und damit Identifikation zur eigenen Gruppe des Spielers)
G1) Wie relevant ist das tatsächlich.
G2) Wie und ggf. was diversititert man da am Geschicktesten.
Ingamerassismus, sprich Unterdrückung oder als Herabwürdigung angesehene Darstellung von Ethnien in der Spielwelt.
Sexismus/Umgang mit Frauen
Dies scheint mir die in der Praxis größte Baustelle zu sein (und war ja auch Basis des Clicheebildes im anderen Faden) und hier liegen dann auch meine praktisch erlebten Konflikte.
Wo das Clichee wohl herkommt, bzw. wo dessen wahrer Kern liegen dürfte, denn aus dem Nichts kommen auch solche Clichees nicht: aus meiner ganz persönlichen Erfahrung hat sich die Masse der dabeibleibenden Spieler aus den Jungs gebildet, welche ansonsten in ihrem Umfeld das soziale Prekariat bildeten bzw. aus dem einen oder anderen Grund aus der Partygesellschaft ausgeschlossen waren (unterdurchschnittliche Attraktivität, strenge Eltern, Geldmangel ...) Und damit ging dann einher, dass die Frauenquote gegen 0 ging und bei diversen auch noch bei einigen ein mehr oder weniger ausgeprägtes Frustpotential vorlag, mehrheitlich aber ein Erfahrungsdefizit.
Wenn dann doch einmal eine oder mehrere Frauen auftraten kam es dann zu folgenden Szenen mit Konfliktpotential:
a) jemand sah seine Chance auf ein Date und stürzte sich dann sowohl ausgehungert wie ungeschickt auf die Dame
b) Die Frau wünscht Änderungen oder kritisiert anderweitig das Spiel. Der Spieler sieht sein Spiel gefährdet und reagiert wie bei einem Editions- oder Spielwechsel ... -> flamewar.
c) jemand nutzt seine größere Erfahrung/Status als etablierter Spieler oder gar als SL um der Neuen repräsentativ für all die Frauen, von denen er sich schlecht behandelt fühlte, eine rein zu würgen.
d) die Neue wird nicht wie eine Dame, sondern wie jeder andere neue Mit-Hobo aufgenommen und missversteht dann das gleiche rauhe, aber nicht ungewöhnlich konfrontative Verhalten, welches auch ein neuer Mitspieler (m) erlebt hätte, als frauenspezifisch.
e) Sie hat irgendein generelles, geschlechtsunabhängiges Problem oder Wünsche und bewertet die Ablehnung als Sexismus.
An sich toxisches Verhalten sehe ich dabei nur c) und e) ... c seines und e) ihres. Als Sexismus kritisiert habe ich hingegen alle 5 schon gesehen.
Umso wichter wäre
H1) Wie kommt man um die doch letztlich denke ich kommunikationsbezogenen Problemzonen a,b,d herum? Vorausgesetzt natürlich es bleibt beim Kommunikationsproblem. Wer in a) ein "Nein danke, nicht interessiert" nicht versteht, hat kein rollenspielspezifisches Problem ... .
Homosexualität etc
Auch hier kenne ich persönlich keine Vorfälle. Aber die Reaktionen in entsprechenden Diskussionen deuten doch stark an, dass dies nicht überall so ist.
Umgekehrt sehe ich in der Regel gar nicht den notwendigen Fokus in den Spielrunden um die sexuellen Eigenschaften für die meisten Charaktere überhaupt feststellen zu können.
I1) Über Diversität in den jeweiligen Foki auf die Settings lässt sich da sicher ein breiteres Feld abdecken. Aber wie relevant ist das tatsächlich im Mainstream-RPG, wo man ggf. nicht mal so genau weis welches Geschlecht der/die/das Mitstreiter überhaupt hat, sich im Extremfall nciht einmal entsprechende gedanekn zur eigenenfigut gemacht wurden?
Anderes:
K1) Sind weitere auf dieser Ebene liegenden Problemfelder bekannt?
Doch wieder politisch:
Eine Frage, die auch schon mal mit auf dem Tisch lag, die ich aber wenigstens erst einmal hier ausklammern möchte gegenüber den rein rollenspielerischen Inhalten wäre:
L1) In wie fern wäre das Medium Rollenspiel dann doch konstruktiv für "politische Bildung" nutzbar, d.h. zum Abbau von aus dem realen leben stammenden Ressentiments/Missverständnissen/Vorurteilen bzw. Verständnisaufbau oder gar Freundschaftsbildung zwischen selbst RL "Diversen"?