Autor Thema: Spielerbildung als Voraussetzung für frei formulierte Talente?  (Gelesen 4246 mal)

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Offline Caranthir

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Wenn ich jedes Talent in jeder Situation auf jede beliebige Art anwenden kann, dann wird das halt schnell ein ziemlich banales System mit quasi einem einzigen Charakterwert.

Mmmh, davon habe ich nichts geschrieben. Worauf beziehst du dich hier genau? Es geht hier darum, Regeln für fiktive Situationen zu schaffen. Da ist es erstmal egal, ob das Computerspiele oder Pen&Paper sind. Niemand, auch nicht die Programmierer von Computerspielen, setzt sich hin und misst die Aufschlagenergie einer Kugel im Winkel von 43,7 Grad und berechnet daraus die Einwirkung auf eine Kugelsichere Weste.

Da kommen wir ganz schnell zu Schätzungen. Und da setzt sich dann jemand hin und sagt, müsste so oder so sein. Dann wird wichtiger sein, ob du einen realistischen EGO-Shooter programmierst, in dem die Leute wegsterben wie die Fliegen oder ein Superheldenrollenspiel, in dem die Charaktere einiges wegstecken. Ich brauche null Ahnung haben von Schusswaffen, um sowas verregeln zu können.

Zu solch spezialisierten Sachen wie Hacking: Natürlich kann einem ein System da Tipps an die Hand geben. Ist doch keine Frage. Und auf Basis dieser Tipps könnte ich als pfiffiger Spieler dann auf die Idee kommen, weitere Talente zu entwerfen. Und natürlich kann es helfen, eine gewisse Affinität in einem Bereich zu haben, wenn ich so eine Figur spielen will. Aber ich muss doch kein Experte sein, um in einem Rollenspiel eine bestimmte Figur überzeugend zu spielen. Schau dir einfach ein paar Actionfilme und Thriller rund ums Hacken und und gut ist. Da bekommst du genügend Ideen.
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Offline TaintedMirror

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Ich denke dem Threadersteller geht es hauptsächlich um Berufstalente wie etwa bei Vampire. Da ist es einfach so, dass diese ja von Abenteuern nicht inherent abgefragt werden, wie etwa Wahrnehmungs- und Kampfwürfe, sondern ein Spieler sie proaktiv einbringen muss. Das mach ein Talent halt nur dann nützlich, wenn der Spieler entsprechend Ahnung davon hat, was man alles so anstellen kann und diese Vorstellung von der Gruppe geteilt wird. Ich kann mit Chemie beispielsweise mehr Situationen im Rollenspiel lösen, wenn ich in etwa weiß, dass es Säuren, Sprengstoffe, Kleber, etc. gibt. Wir hatten bei uns letztens auch eine Diskussion, ob ein Ingenieur oder Maschinenbauer im Rahmen seiones Studiums Kenntnisse gewinnt, die es ihm ermöglichen Schlösser zu knacken.

Offline Caranthir

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Ist halt die Frage, wie detailliert man es haben will. Mir würde als SL ja in Bezug auf Chemie folgendes Talent reichen: "Du bist in der Lage aus alltäglichen und leicht zu beschaffenden Materialien Strengstoffe mit xy Schaden herzustellen."

Ich hatte tatsächlich mal einen Spieler, der mir erklärt hat, wie einfach es ist, Thermit herzustellen. Der Fertigkeitwert seines Charakter in Sprengstoff hätte mir völlig gereicht, aber so wurde das noch durch eine Ingame-Erzählung bereichert.

Was ich damit sagen will: Das eine schließt das andere doch nicht aus. Rollenspiel wird an den wenigsten Stellen so detailverliebt, dass ich wirklich Ahnung von Sachen wie Chemie oder Hacking haben müssten und trotzdem könnte ich Sonderregeln für Talente entwickeln.
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Offline Boba Fett

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Ich setze ausreichend "gesunden Menschenverstand" und "Sozialkompetenz" bei den am Spiel beteiligten voraus [ohne das funktioniert Rollenspiel nun mal nicht].

Ich glaube, die Spielerbildung (oder "Klugheit") ist keine Voraussetzung für die Fairness am Spieltisch, wenn man kein starres Talent-System verwendet, sondern die Talente "frei formulierbar" sind.

Was wesentlich entscheidender ist eine ausreichende Kommunikation zwischen allen Beteiligten im Vorfeld, um abzuklären, was sich jeder unter den frei definierten Begriffen vorstellt, wie umfangreich der Einsatzbereich ist, was einem das Talent erlaubt (in Abhängigkeit zu den Talentgraden der Spielfigur), etc. etc.

Ich mach mal ein Beispiel:
Wenn ein Spieler sich das Talent "Taxifahrer" ausdenkt, dann ist das für einen anderen (Spieler oder Spielleiter) vielleicht nur "unfallfrei Auto fahren" und "Geld kassieren".
Der Spieler hat sich dadrunter aber auch "gute Kenntnisse in der Stadt" und "Funkgerät bedienen" und vielleicht auch noch "Fahrgast unterhalten" vorgestellt.
Wenn sich die Leute nicht über ihre Vorstellungen austauschen, wird es ab Spieltisch zu Meinungsverschiedenheiten kommen.

Klar, hypothetisch könnte jemand sich "Gehirnchirurg" als Talent nehmen, und dann gibt es das Problem, dass keiner weiss, was der denn noch so alles können wird...
Da muss man sich einigen (Sozialkompetenz) oder nachforschen.
Aber bei anderen Gebieten (nehmen wir mal "Zauberei" in einer selbst ausgedachten Welt) gibt es ja auch keine vordefinierte Faktenlage, die man zu Rate nehmen kann.
Oder kann von Euch jemand sein Dampfraumschiff durch den Etherspace zur Venus fliegen und mir sagen, wie das geht und wie man navigiert?
« Letzte Änderung: 25.09.2018 | 15:43 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Online 1of3

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Zitat
...und mich ggf mit der Materie auskennen...

Ich weiß nicht, ob "Materie" oder "Bildung" hier treffend sind. Ich muss das Genre kennen. Ein Jedi kann Mind Tricks und weit springen und mit dem Lichtschwert kämpfen. Dass man ggf. Ideen haben muss, ist richtig. Häufig ist das aber ein Indiz, dass die Genre-Vorlage nicht hinreichend eingängig ist. Oder dass man sich aus falsch verstandenem Anspruch von dieser abheben will.



Nein, denn erstens ist das "Balancing-Problem" eine ad acta gelegte Scheindebatte aus den frühen 2000ern.

Ich rede da viel und gerne drüber.

Offline YY

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Erst mal meine Lieblingsnebenschauplätze:

Die realweltliche Balance ist im Rollenspiel sowas von egal, da man den Kampf niemals wirklich realistisch abbilden kann.

Wieso sollte man das nicht können?

Was man nicht kann, ist jedes noch so winzige Detail in epischer Breite spielmechanisch behandeln. Und was man auch nicht sinnvoll kann, ist einen Kampf mit möglichst genauem und kleinteiligem Input deterministisch zu berechnen.
Genau dafür gibt es aber spielmechanische "Trichter", in die ich diesen ganzen Kleinkram reinschmeißen und damit schnell und einfach abdecken kann - ganz grundlegend z.B. die Stellen, wo gewürfelt wird ;)

Natürlich muss man diesen Anspruch erst gar nicht haben, aber wenn man ihn hat, lässt sich da schon was machen.

Niemand, auch nicht die Programmierer von Computerspielen, setzt sich hin und misst die Aufschlagenergie einer Kugel im Winkel von 43,7 Grad und berechnet daraus die Einwirkung auf eine Kugelsichere Weste.

Lese ich da die Haltung heraus, dass Realismus zwingend mit gigantischem Aufwand und irrsinnigem Detailreichtum verbunden ist?
Das ist nämlich keineswegs so. Der Realismus-Anspruch hat zunächst mal überhaupt nichts mit dem Detailgrad zu tun.

Grundsätzlich sind seltene Dinge selten, große Einflüsse groß und kleine Einflüsse klein. Wenn ich das schon mal grundsätzlich in die richtigen Bahnen gelenkt habe, bin ich schon ganz weit vorne dabei (und für das konkrete Beispiel: Es ist ja nicht so, als gäbe es da nicht zigtausend Mannjahre an praktischer Erfahrung. Das kann ich bis auf die letzten paar Prozent und die abstrusesten edge cases alles aus der Empirie ableiten und fertig - die einzige echte Arbeit besteht hier darin, die Halbwahrheiten und Scheißhausparolen rauszufiltern).

Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man von "man kann nicht alles perfekt bis ins allerletzte kleine Detail berechnen" zu "und deswegen darf man da selbst den allerersten Schritt nicht gehen, weil man sich sonst total lächerlich macht und das alles ist sowieso immer automatisch zum Scheitern verurteilt und völlig sinnlos" kommt.

Aber ich muss doch kein Experte sein, um in einem Rollenspiel eine bestimmte Figur überzeugend zu spielen. Schau dir einfach ein paar Actionfilme und Thriller rund ums Hacken und und gut ist. Da bekommst du genügend Ideen.

Die Frage ist immer: Überzeugend für wen?
Wen habe ich da als "Publikum" sitzen, sprich was bringt der mit und welche Erwartungshaltung hat der?

Wenn ich als Experte tatsächlich überzeugt werden soll (warum eigentlich?), dann reichen die üblichen Actionfilme & Co. eben ganz entschieden nicht.
Aber natürlich kann sich auch ein Experte in eine Bier & Brezel-Runde setzen, sein Fachwissen mal in der Schublade lassen und einfach seinen Spaß haben.
Also wie gesagt: Wer will hier was vom Spiel? Das ist meistens viel mehr eine Genrefrage als eine nach "echten" Inhalten und ihrer Anwendung.

Aktuelles Beispiel vom T-Treffen:
Da habe ich bei einer Runde zugeschaut, in der der SL öfter mal bei Sachen, mit denen ich mich auskenne, rübergeschielt hat, ob ich vielleicht protestiere.
Mir würde ganz besonders als Zuschauer (!) im Leben nicht einfallen, hier mit "Das geht aber gar nicht und ihr müsst das ganz anders machen" anzufangen. Höchstens gebe ich andersrum konstruktiven Input, wenn es an so einer Stelle mal hakt.
Aber offensichtlich gab es da ein Problembewusstsein dafür, dass Fachwissen Erwartungshaltungen prägen kann - den Hut hat aber der Fachmann mindestens genau so sehr auf wie Regelwerk und SL. Um der "Wahrheit" willen braucht man da nicht diskutieren, obwohl das viele Nerds sehr gern tun. Da sind viel spielbezogenere Überlegungen i.d.R. deutlich wichtiger.   


Jetzt aber zum eigentlichen Knackpunkt:
D.h. erstmal geht mir eine gewisse Spieltiefe verloren, die sich dann diejenigen, und nur diejenigen zurückerobern können, die sich am weitesten in das Feld rein-generdet haben.

Jein.

Man kann es machen wie z.B. Fate und alles mögliche mit der selben Spielmechanik abbilden - dann diskutiert man schon mal nicht mehr über ggf. recht kleinteilige und obskure Inhalte, sondern darüber, wie man das wann/wo in Spielmechanik umsetzt (siehe Boba). Das ist mMn schon mal eine ganze Ecke dankbarer.
Natürlich ist man dann an den Stellen auf die reine Spielmechanik beschränkt, wo keiner Ahnung hat. Oder man lebt damit, dass man da ggf. grad ganz schönen Unsinn erzählt - aber es gibt eben niemand, dem das auffällt oder den es stört, von daher ist das ja unproblematisch. 


Aber: Sobald da einer Ahnung hat, ist die zentrale Frage: wie gehe ich damit um?
Wenn man schon mal nicht zuallererst drüber nachdenkt, warum irgendwas garantiert nicht geht, ist man schon auf dem richtigen Weg.
Da sollte der Experte dann eher damit rausrücken, welche Umstände gegeben sein müssten, damit es funktioniert - oder welche gangbare Alternative mit vergleichbarem narrativem Ergebnis es gäbe.

Den SL mit irgendwelchen Grundsatzbedenken vollsabbeln* oder sich per Fachwissen über die anderen Spieler stellen ist halt schon ziemlich schlechter Stil, wenn man genauso sagen kann, warum es funktioniert - und das nicht nur für sich selbst, sondern auch für die anderen.

*In Freeform-Runden geht es mir persönlich oft genug zu weit in die andere Richtung: "Das ist alles ganz einfach" im Zusammenhang mit Thermit, Sprengstoff u.Ä. ist da ein Klassiker. Herstellen vielleicht, aber das ist nicht deckungsgleich mit zielführender Anwendung. In der Hinsicht fehlt dann meistens die Perspektive, wie weit man mit (eigenem) theoretischem Wissen wirklich kommt.


Und zuletzt sollten bei solchen freieren Ansätzen alle zumindest so viel Spaß an der jeweiligen Materie haben, dass sie sich halbwegs reinfuchsen und dann für Spielzwecke mitreden können.
Das ist meistens immer noch viel weniger Aufwand, als sich ein Regelwerk draufzuschaffen, das mir diese Art der Einarbeitung abnimmt, indem es schon alles in feste Spielmechanik gegossen hat.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Maarzan

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Das ist eine Frage der bereits vorhandenen Übereinstimmung der Vorstellungsräume - und da unterstützen "freie" Systeme eben erst einmal nur wenig/schlecht, wenn sie das nicht wieder über eine Unmenge Beispiele auffangen.

Womit es eben nicht um "Bildung" oder "richtig" geht. Wenn die gesamte Gruppe da (z.B. durch entsprechenden Medienkonsum) homogen daneben liegt, dann funktioniert das trotzdem prächtig, gleiches, wenn die Regeln (intern konsistenter) Unsinn sind, passt das auch erst einmal.

Wird "nie komplett richtig" ist auch kein Argument. Dann dürften jede Menge Leute ihr Hobby nicht betreiben, weil sie nie perfekt werden dürften. (Genauso jeder Geschichtenerzähler, der nie einen Literaturpreis bekommen werden) Aber für genügend Leute ist "So gut ich mit meinen Möglichkeiten kann" auch ein Reiz und damit Anlass für Spielspaß an sich.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Caranthir

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Wieso sollte man das nicht können?

Anmerkung: Die Realität im Rollenspiel getreu abbilden

Zitat
Was man nicht kann, ist jedes noch so winzige Detail in epischer Breite spielmechanisch behandeln. Und was man auch nicht sinnvoll kann, ist einen Kampf mit möglichst genauem und kleinteiligem Input deterministisch zu berechnen.
Genau dafür gibt es aber spielmechanische "Trichter", in die ich diesen ganzen Kleinkram reinschmeißen und damit schnell und einfach abdecken kann - ganz grundlegend z.B. die Stellen, wo gewürfelt wird ;)

Natürlich muss man diesen Anspruch erst gar nicht haben, aber wenn man ihn hat, lässt sich da schon was machen.

Man hat dann in der Tat einen spielmechanischen Trichter und weiß, wann man wie und mit welchem Wert würfeln muss. Mit der Realität hat das aus meiner Sicht - egal wie detaillgetreu die Regeln sind - nicht viel zu tun. Es bleibt eben ein Spiel, bei dem sich jemand ausgedacht hat, wie ein Kampf ablaufen könnte.

Zitat
Lese ich da die Haltung heraus, dass Realismus zwingend mit gigantischem Aufwand und irrsinnigem Detailreichtum verbunden ist?
Das ist nämlich keineswegs so. Der Realismus-Anspruch hat zunächst mal überhaupt nichts mit dem Detailgrad zu tun.

Da gebe ich dir recht, ich finde ihn nur nicht sonderlich zielführend. Wir bilden im Spiel nicht die Realität ab, sondern eine Geschichte. Unabhängig davon, welches RPG ich jetzt spiele oder gut finde.

Zitat
Grundsätzlich sind seltene Dinge selten, große Einflüsse groß und kleine Einflüsse klein. Wenn ich das schon mal grundsätzlich in die richtigen Bahnen gelenkt habe, bin ich schon ganz weit vorne dabei (und für das konkrete Beispiel: Es ist ja nicht so, als gäbe es da nicht zigtausend Mannjahre an praktischer Erfahrung. Das kann ich bis auf die letzten paar Prozent und die abstrusesten edge cases alles aus der Empirie ableiten und fertig - die einzige echte Arbeit besteht hier darin, die Halbwahrheiten und Scheißhausparolen rauszufiltern).

Klar, wenn man das will, kann man da richtig in die Tiefe gehen. Ich kenne nur kaum ein Rollenspiel, dass das ernsthaft betreibt (selbst GURPS bricht da an vielen Stellen). Man kommt mit ein bisschen gesundem Menschenverstand zum gleichen Ergebnis und muss am Ende doch wieder schauen, ob meine Regel, die ich aus der Realität ableite, wirklich zu meinem Spielstil passt.

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Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man von "man kann nicht alles perfekt bis ins allerletzte kleine Detail berechnen" zu "und deswegen darf man da selbst den allerersten Schritt nicht gehen, weil man sich sonst total lächerlich macht und das alles ist sowieso immer automatisch zum Scheitern verurteilt und völlig sinnlos" kommt.

Niemand macht sich hier lächerlich, es geht hier um RollenSPIELE. Muss man nicht so ernst nehmen. Aber man muss sich auch nicht hinstellen und alles total verkrampft aus der "Realität" ableiten. Ich habe so auch schon gespielt und die Diskussionen, die daraus entstanden sind, standen dem Spiel und dem Spielspaß eigentlich nur im Weg.

Zitat
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Wenn du das "Chemielabor RealAlpha-RPG" spielen möchtest, sicherlich nicht. Aber was spielen wir denn da eigentlich? Im Prinzip sind die meisten RPGs von Hollywood-Blockbustern inspiriert. Interessiert das da jemanden? Du könnetst natürlich auch Cthulhu oder Delta Green spielen und dich dann näher mit einem bestimmten Thema befassen. Ist doch supi! Aber deshalb einem Spieler einen Strick drehen, weil er sich nicht auskennt, würde ich eben nicht.

Die Ausgangsfrage war aber doch, ob man ohne Fachwissen als Spieler neue Talente entwickeln kann. Und da würde mich jetzt mal ernsthaft interessieren, was damit überhaupt gemeint ist. Talente im Sinne von Spezialisierungen, Sonderregeln, Stunts, Boni auf Fertigkeiten? Ich sehe da nämlich immer noch nicht das Problem, ohne Fachwissen etwas zu reißen. Gebt doch bitte ein paar Beispiele, ich kapier es einfach nicht, worauf ihr hinauswollt.
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Pyromancer

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Wir bilden im Spiel nicht die Realität ab, sondern eine Geschichte. Unabhängig davon, welches RPG ich jetzt spiele oder gut finde.

Das sehe ich anders.
Geschichten bilden in einer gewissen Art und Weise die Realität ab.
Jetzt gibt es Rollenspiele, die die Realität abbilden - vom Prinzip her ähnlich wie Geschichten die Realität auch abbilden.
Und es gibt Rollenspiele, die Geschichten abbilden, die die Realität in einer gewissen Art und Weise abbilden.

Das sind unterschiedliche Ansätze, die man verfolgen kann.

Offline YY

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Man kommt mit ein bisschen gesundem Menschenverstand zum gleichen Ergebnis

Wenn das zuverlässig auch dann noch so wäre, sobald es etwas in die Tiefe geht, wäre das Thema kein solcher Dauerbrenner ;)

Ich habe so auch schon gespielt und die Diskussionen, die daraus entstanden sind, standen dem Spiel und dem Spielspaß eigentlich nur im Weg.

Das liegt mMn ganz entschieden daran, dass die meisten (und bei so einem negativen Verlauf i.d.R. alle) Beteiligten gar nicht wissen, wo sie mit der Diskussion überhaupt hin wollen.
Wie soll das was werden, wenn man kein Ziel und keine Methode hat?

Im Prinzip sind die meisten RPGs von Hollywood-Blockbustern inspiriert.

Naaaa ja - sagen wir lieber: beeinflusst, und dann eben ganz schnell auch mal unfreiwillig und zum Nachteil, weil das der einzige schnell mental "greifbare" Kontakt mit einem bestimmten Thema ist und dann unreflektiert Zeug übernommen wird, das da nicht unbedingt hin gehört.

Ich sehe da nämlich immer noch nicht das Problem, ohne Fachwissen etwas zu reißen. Gebt doch bitte ein paar Beispiele, ich kapier es einfach nicht, worauf ihr hinauswollt.

Das Problem ist, dass man ohne konsistente, vom Inhalt weitgehend unabhängige Regeln und ohne Fachwissen überhaupt keinen Maßstab hat, was im Spiel wie viel "wert" ist.
Also braucht es entweder so allgemeine Regeln, dass alles in zumindest ähnliche Bahnen gelenkt wird oder man muss sich einarbeiten, um den "Ich erzähl dem SL so lange die Geschichte vom Fremdwortpferd, bis ich Erfolg habe"-Faktor zu begrenzen.
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Offline ArneBab

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Offline ArneBab

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