Titel:
The Swallower of SoulsAutorin:
Sarah NewtonEnthalten in:
Chronicles of Future Earth Quickstarter, Mindjammer Press, gratis!
Prämisse:
In einem Hafenviertel von Kados, Hauptstadt der Ehrwürdigen Autokratie von Sakara, verschwinden Menschen, und man munkelt, dass ein dunkler Kult dahintersteckt. Die Charaktere ermitteln aus den einen oder anderen Gründen, am wahrscheinlichsten, weil Freunde von ihnen zu den Verschwundenen gehören ...
Idee (Spoiler):
The Swallower of Souls ist ein Abenteuer mit hinlänglich bekannter Prämisse und ohne großen Twist - Ja, ein nihilistischer Kult, der die Leere verehrt, braucht Menschenopfer für seine Beschwörungsrituale. Als kleine Dreingabe, um den Ereignissen mehr Tempo zu verleihen, trifft zum Abenteuerauftakt eine schwarze Galeere im Hafen ein, die dem Kult ein mächtiges Artefakt liefert. Auf dieser Ebene also nichts besonderes.
Setting:
Was mich zum Lesen und Spielen des Szenarios bewogen hat, ist das Setting - Newtons Chronices of Future Earth ist auf einer Erde der sehr fernen Zukunft angesiedelt, die Elemente von Sword & Sorcery und Science Fiction verbindet und deutlich beeinflusst ist von Gene Wolfes Book of the New Sun, Jack Vances Dying Earth oder auch Michael Moorcock. Klingt sehr nah dran an Numenera, ist es auch, ich finde CoFE allerdings doch einen Tick interessanter - das Setting wirkt ganz im Gegensatz zu dem mit grobem Strich gezeichneten von Numenera durchdacht, vermittelt eine tiefe Mythologie und Historie, wartet mit interessanten Fremdspezies auf (die in die "Cousins of Man" und "richtige" Aliens unterteilt sind), sowie mit einer eigenen Götterwelt und eigenen Magiekonzepten (beides mit Anklängen in Richtung Science Fantasy, insofern alles Übernatürliche anscheinend mit Wesen aus fremden Dimensionen zu tun hat), anstatt wie Numenera einfach ganz normale Standard-D&D-Magie beizumengen und dann zu sagen "es ist aber in echt keine Magie, sondern Technologie, die aussieht wie Magie!" Und nebenbei war CoFE auch schon früher da (Sarah Newton arbeitet laut eigener Aussage schon seit 20 Jahren an dem Setting, und es gab mal ein kleines Basic-Roleplaying-Supplement dazu).
Der Quickstarter liefert auf seinen 60 Seiten incl. Abenteuer schon einen ziemlich umfassenden Einblick in das Setting und lohnt sich m.E. allein dafür. Hier also Riesenbonuspunkte für das (in meinen Augen) "bessere Numenera".
Aufbau des Abenteuers:
An sich vorbildlich: Auf einen kurzen Anreißer und einen sehr groben Überblick über die Hintergründe des Geschehens folgen Schauplatzbeschreibungen. Wichtige NSC werden in Kästen mit Werten kurz vorgestellt. Die letzten Seiten des Abenteuers bestehen dann aus vorgeschlagenen Szenen, die weniger einen vorgeschlagenen Abenteuerverlauf skizzieren und eher beispielhaften Charakter haben. Kleines Manko: Die NSC-Kästen bei den Schauplätzen führen m.E. zu zu viel Geblätter, so was habe ich gerne gebündelt.
Die Schauplatzbeschreibungen sind sehr knapp gehalten und strotzen vor skurrilen Ideen und NSC - da gibt's alles vom Kettenverkäufer, der mit den Kultisten der Leere zusammenarbeitet, über den zwangsläufigen Kneipen/Bordell/Gasthaus/Kriminellentreff-Hybriden bis zur schwarzen Galeere der unheimlichen (und unhygienischen) Händler aus Typhon und dem Haus eines Vampirs, der sich eine Gruppe menschlicher Verehrer zum regelmäßigen Saugen hält. Vieles davon ist gar nicht so wahnsinnig originell, aber in der Summe entsteht ein angenehm abgedrehtes Bild des Stadtteils. Sarah Newtons trockener Humor sorgt nebenher dafür, dass das Lesen Freude bereitet.
Etwas problematisch ist allerdings die Kombination aus Überangebot und knapper Darstellung - die SC können tatsächlich plausiblerweise so ziemlich überall reinstolpern, und in den meisten Fällen steht man als SL dann doch eher mit einer groben Idee da als mit ausgearbeitetem Szenenmaterial. Ein ähnliches Problem habe ich auch mit der "Gerüchte" - und "Zufallsereignsse"-Tabelle (je eine Seite) - die Einträge bestehen aus einem hingeworfenen Satz, und gerade bei den Gerüchten, die von den Spielern ja i.d.R. als echte Hinweise verstanden werden und nicht bloß als lustige Anspielungen aufs Setting, ist das hochproblematisch - entsprechend habe ich beide Tabellen nicht im Spiel verwendet.
Alle für die Story entscheidenden Schauplätze (die schwarze Galeere, das Kulthaus der Leere-Priester und noch zwei, drei andere) sind allerdings hinreichend ausgearbeitet.
Es besteht ansonsten das naheliegende Problem einer vom Umfang her dann doch eher kleinen Stadt-Sandbox: Beschrieben wird letztendlich doch nur ein winziger Bruchteil eines kleinen Stadtviertels, d.h. so richtig lässt sich das Ding über den eng gesetzten Rahmen des Szenarios hinaus nicht als Sandbox nutzen, und insgesamt wirkt dann doch alles irgendwie klein. Das könnte allerdings ein Effekt sein, den nur der SL beim Lesen empfindet, für die Spieler gibt es definitiv genug zum Erforschen (und zum Dran-Vorbeilaufen) für ein Abenteuer.
Regeln:
Da das ganze ein Quickstarter ist, ein paar Worte zu den Regeln: CoFE basiert in der aktuellen Fassung auf Fate Core, nimmt aber ein paar durchaus schwerwiegende Änderungen vor. Gewürfelt wird mit W6-W6, es gibt kritische Erfolge und Fehlschläge, und es gibt eine "Bonus-Cap" für Skilleinsatz, die dazu führt, dass man in aller Regel nur einen oder zwei Aspekte pro Wurf einsetzen kann. Insgesamt fand ich die Änderungen vom Lesen her durchaus interessant - offensichtlich geht es darum, dass System ein bisschen mehr swingy zu machen und evtl. auch den Einfluss der Fate-Punkte etwas zu dämpfen (Sarah Newton erklärt an einer Stelle auch, dass die Mechanismen das Punktehorten unattraktiv machen sollen). Ansonsten ist es ein sehr crunchiges Fate (wie auch Mindjammer von der gleichen Autorin); ich fand aber die Stunts der vorgefertigten SC nicht übermäßig kompliziert, die Lösungen für Zauberei und Psionik sogar sehr elegant. Beide wurden auch von meinen Spielern in der Testrunde (alles Fate-Neulinge) problemlos erfasst.
Für problematich halte ich, dass die SC (ähnlich wie bei Mindjammer) mit ganzen sieben Aspekten plus 2 Spielaspekten daherkommen, und die meisten davon relativ allgemein formuiert sind ("Zauberin mit loderndem Blick" und so was). Ich persönlich finde, dass der Aspekteinsatz sich dadurch völlig beliebig anfühlt, weil eh immer irgendwas passt. Und gleichzeitig ist es gerade in einem Quickstarter schwer, sich in SC mit so viel Aspekten schnell einzufinden.
Ich muss aber auch dazusagen, dass ich eh nicht der größte Fate-Fan der Welt bin, und dass mich das, woran sich die meisten Fate-Spieler bei Sarah Newton stören, nämlich die vielen Subsysteme, hier nicht besoners gestört hat - tatsächlich finde ich, sie hat hier recht gute Arbeit gemacht.
Testspiel:
Ja, dieses Abenteuer habe ich tatsächlich mal gespielt! Da die Zeit auf drei Stunden begrenzt war, habe ich schwer auf die Tube gedrückt. Natürlich ließ alles schon fast erwartungsgemäß anders als in den Szenenvorschlägen (Gruppe erbeutet gleich zu Anfang das Artefakt, steckt es in ein Fass, um sich vor dessen Kälte-Seelenfresser-Aura zu schützen, nimmt das Fass dann mit in irgendein Geschäft, um erst mal Unterschlupf zu finden - dummerweise gehört das Geschäft einem Leere-Kult-Sympathisanten -, Gruppe schleicht sich in die Unterstadt und erregt dort erst mal maximales Aufsehen, stolpert beim Vampir rein und wieder raus, legt sich mit dem örtlichen Bandenchef an, schafft es dann aber, dessen Männer gegen die Leere-Kultisten zu hetzen und trägt den Sieg davon). Das vorhandene Material hat mich trotz des ziemlich schrägen Verlaufs gut unterstützt, war aber wie schon erwähnt an einigen Stellen dann doch zu dünn. Insgesamt hat sich das Abenteuer aber unter schwierigen Bedingungen (eine eigentlich zu große Runde, ein SL, der mit dem Regelsystem noch nie ganz warm geworden ist, klare zeitliche Begrenzung) sehr gut gehalten.
Fazit: Für die nicht so originelle Grundidee (und die zum Teil dann doch zu klischeemäßigen Gegenspieler) gibt es 3 Sterne, für das Setting 5, für den Aufbau 4 (an sich hervorragend, aber dann eben doch etwas zu kurz und knapp). Das Regelsystem lasse ich mal außen vor, schließlich geht's hier um Abenteuer, außerdem habe ich da als Fate-Mäkeler eh meine Schwierigkeiten mit einer vernünftigen Bewertung.
Raus kommen also: 4 von 5 Ehrwürdigen Autokratien.