Ich habe mich für die goldene Mitte entschieden: Alle drei sollten relativ gleichwertig sein.
Die beste Taktik hilft nichts, wenn man nicht die Fähigkeiten hat, sie auch umzusetzen.
Umgekehrt muss man die verfügbaren Mittel und Fähigkeiten sinnvoll anwenden.
Und das alles hilft nichts, wenn das Universum einen Eimer Scheiße über mir auskippt...
Natürlich ist das nicht immer ideal verteilt.
Manchmal gibt es eine alles überschattende Zielsetzung, die es erforderlich macht, große Risiken einzugehen.
Oder man hat es wirklich geschafft, die Rahmenbedingungen so weit zu beeinflussen, dass wirklich so gut wie nichts mehr schief gehen kann.
Andersrum betrachtet:
Wäre der Zufall der mit Abstand wichtigste Faktor, gäbe es keine interessanten Entscheidungen zu treffen (da bin ich ganz bei Pyromancer) - langweilig und ggf. frustrierend.
Wären Charakterfähigkeiten u.Ä. das Wichtigste, wird das Spiel zu einer strategischen Angelegenheit, bei der die jeweiligen taktischen Anwendungen eher Pflichtübung und/oder Kür sind als der Kern des Ganzen - kann mir am Rechner mal Spaß machen, aber im P&P taugt mir das eher nicht.
Und wenn Taktik fast allein entscheidet, sind damit Spielerfähigkeiten überbewertet und der Charakter bzw. dessen Werte treten mir zu weit in den Hintergrund. Dann spiele ich lieber gleich ein "richtiges" Wargame oder ein anderes Brettspiel.
Charakterfähigkeiten und Taktik sind dann so gesehen 2/3 des Gesamtbildes - find ich ok.
Randgelaber:
Also kamen wir auf die Idee eine Kampfrunde in 30 Ticks einzuteilen, jeder Spieler plant für diese 30 Ticks verdeckt seine Aktionen und kann sich Ticks aufsparen um besser reagieren zu können wenn er nicht die Initiative gewinnt. Dann würfeln die Kontrahenten wer die Initiative gewinnt und dessen Aktionsliste wird dann abgearbeitet.
Uah, bloß nicht
Mit solchen blinden Ansagen kann man mich jagen. Vor allem, weil da erst mal nur der Spieler anstelle des Charakters gefordert ist und der dann auch noch aufgrund unzureichender Informationen entscheiden muss.
Das läuft erst dann halbwegs rund, wenn man den Gegner in einen recht dichten Kontext stellt - und in dem Moment brauche ich diese Art der Spielmechanik gar nicht mehr, weil das Verhalten schon mehr oder weniger festgelegt ist.
In einem Gespräch mit einem Freund stellte ich dann fest dass dies nicht die Art von Kämpfen abbilden würde wie ich sie für glaubhaft halte. In einem (zwei)Kampf führt üblicherweise derjenige der die Initiative hat eine ganze Reihe Schläge aus bevor beide Kämpfer wieder auf Distanz zueinander sind und ein paar Sekunden den Gegner nach einer Deckungslücke absuchen, anschließend kommt es wieder zu einem Schlagabtausch, in dem wieder ein Kämpfer klar in der Offensive und der andere in der Defensive ist.
Da wird für meinen Geschmack eine bestimmte (auch medial geprägte) Vorstellung zu weit verallgemeinert.
Wenn man die ganze Spielmechanik auf diese Grundlage stellt, gibt es leicht recht große Verwerfungen - es sei denn, man bewegt sich in einem Genre, wo das in den meisten Fällen gut hin kommt. Das ist dann aber im Grunde nur Mantel & Degen und mit etwas gutem Willen generische(re) Hollywood-ähnliche Kämpfe.
An der Stelle würde ich mental erst mal wieder einen großen Schritt zurück treten und mir überlegen, was ich warum wie haben will. "Glaubhafte Kämpfe" als Ausgangspunkt steigt mitten im Prozess ein und wirft Überlegungen wie Genre, Spielgefühl u.Ä. über Bord. Und obendrauf muss man dann zuerst mal klären, was man warum für glaubhaft hält - ohne ausführlichen Kommentar kann das nur für Leute funktionieren, die das mehr oder weniger zufällig genau so sehen.
Und wo ich gerade schon zum großen Reflektieren anrege,
hier (auch um den verlinkten Beitrag herum) mal was zum Begriff der Initiative.
Wie gesagt: Man tut sich einen großen Gefallen, wenn man erst mal die Begriffe und althergebrachten Konzepte hinterfragt und sich darüber klar wird, was man überhaupt warum wie verregeln will.
In ähnliche Richtung:
Aus diesem (extremen) Standpunkt dürfte ein Spieler auch im Kampf keine taktischen Entscheidungen treffen die den Kampfausgang beeinflussen sondern man müsste den gesamten Kampf auf einen oder eine Reihe von vergleichenden Kampftalentproben reduzieren.
Tatsächlich interessiere ich mich grundsätzlich nicht sonderlich für konkrete Kampfmanöver - es sei denn, das System ist sehr detailliert, dann lasse ich mir das gefallen und dann geht es ja auch nicht anders.
Davon ab will ich als Spieler aber eigentlich nur die "großen" Entscheidungen treffen*. Sprich: Grundsatzentscheidung weiterkämpfen oder fliehen/aufgeben u.Ä., Zielauswahl (ggf. ist das schon grenzwertig kleinteilig...), Abstimmung mit anderen usw.
Ob der Angriff jetzt ein Stich oder ein Schnitt ist, in welchem Feuermodus eine Schusswaffe verwendet wird, welche Deckung beim Vorrücken für einige Sekunden genutzt wird usw. - das interessiert mich i.d.R. nicht und bei dem eher groben Detailgrad der meisten Systeme wäre ich allemal damit zufrieden, diese "Mikroentscheidungen" meinem Charakter zu überlassen und sie OOC in die Erzählung zu schieben, anstatt mich damit spielmechanisch auseinanderzusetzen.
Zu meinem Leidwesen belästigen mich aber viele Systeme damit, die diesen Detailgrad gar nicht durchgehend bedienen (können).
*z.B. Pendragon macht das ganz konsequent:
Da bestimmt der vergleichende Kampfwurf keinen Kleinkram wie Angriff bzw. Manöver XYZ gelungen, sondern auf welcher Seite der
Wirkungstreffer erfolgt (!) - und die darauf aufbauenden bzw. daraus resultierenden Entscheidungen treffe ich als Spieler
zwischen den Würfen (sprich: ohne konkreten spielmechanischen Bezug zu den Würfen).
Das ist natürlich was ganz anderes als sich in einem feinkörnigen Ticksystem mit 25 verschiedenen Manövern und 48 Konteroptionen zu beharken, aber alles andere als langweilig. Im Gegenteil könnten sich da viele komplexere Systeme mal ein Beispiel dran nehmen. Deren enorme Optionsvielfalt trägt nämlich meistens unterm Strich nichts zum Spiel bei und lenkt bei entsprechend ausgerichteter Spielmechanik mMn sogar vom eigentlichen Kern ab.
Und noch mal etwas grundsätzlicher:
Grobes Vorgehen ansagen/Voraussetzungen schaffen/Modifikatoren ermitteln, würfeln, interpretieren und erst dann ausufernd erzählen. Sonst kommt da mMn ganz schnell riesiger Mist raus, egal ob im Kampf, bei sozialen Konflikten oder sonstwo.