Im Übrigen gehören die Rockstar-Open-Worlds auch zu den Open-World-Spielen, wo es Sense of Wonder-Elemente gibt und jeweilige Gebiete und Orte auch ihre kleinen Geschichten schreiben. Im übergeordneten Sinne glänzen die GTA-Teile zudem mit ihren sozialkritischen Tönen in diesen kleinen Geschichtchen, die mal mit dem Holzhammer verübt, aber an anderen Stellen auch ganz subtil eingewoben werden. Ich gebe dir da recht, YY, der Vernetzungsgrad und die Dichte spielen eine gewichtige Rolle. Sehe ich hier gegeben.
RDR und GTA glänzen also nicht nur damit, dass die Welt den Anschein von Leben erweckt, sondern dass die jeweilige Gebiete auch eben nicht beliebig und austauschbar sind. Dadurch fühlen sich die Gebiete auch nicht so leer an, wie die von den Ubisoft-Spielen, bei denen 80% der Marker tatsächlich unnötig sind. Gleichwohl will gesagt sein, dass gerade die ersten Assassin's Creeds sich durchaus für Sightseeingtouren geeignet haben, darüber war es aber leer, wie 6 beschreibt.
Diesen Eindruck hat man bei RDR und GTA nicht, zugebenermaßen auch nicht bei den Fallout-Teilen, weil dort auch bspw. die Komposition von Orten eine kleine Geschichte erzählen kann und so das Entdecken Spaß macht. Unabhängig von Iso-Perspektive oder 3D-Perspektive. Das Auge für die kleinen Details macht schon viel aus.
Der Sättigungsgrad mag allerdings sicher eine gewisse Rolle spielen und eben auch, wie JS andeutet, dass man den Frust einen genre-ähnlichen Spiels in das nächste Spiel projiziert. Das passiert mir auch häufig genug, aber ich entsinne mich dann immer wieder der Binsenweisheit, dass man vieles (sicher nicht alles) mal selbst probieren sollte, gerade wenn es potenziell reizen könnte. Ich mein, nur weil andere Leute ein Spiel für göttlich halten, muss es das nicht für mich sein. Und nur weil es große Kritikpunkte und Macken gibt, und die Leute das furchtbar finden, muss das Spiel nicht für mich schlecht sein.
Als hinkender Vergleich: Ich höre ja auch nicht in diesem Moment auf zu leben, nur weil mir gerade bewusst wird, dass mein Leben irgendwann sowieso enden wird. Dementsprechend verneine ich auch nicht das Spielen eines Spiels, nur weil es mich irgendwann oder sofort beim Spielen enttäuschen könnte. Das ist kein zielführender Ansatz, wenn man ihn als alleinigen Faktor nimmt. Wenn darüber hinaus andere Faktoren dazu kommen (bspw. Spiel ist möglicherweise sehr schlecht und auch noch sehr teuer und entspricht sowieso nicht meinem Geschmack), mag die Entscheidung bei beidem anders aussehen.
Aber selbst wenn die Steuerung und das Pferd Probleme macht (hat es bei mir - noch - nicht), würde das was effektiv am grundsätzlichen Spielspaß ändern? Das kann bei der einen oder anderen Person, die entweder nach Gründen sucht oder sehr pedantisch in der Bewertung ist, sicher sein. Bei mir ist das selbst erst problematisch, wenn das Spiel dadurch unspielbar wird. Wenn nicht, bin ich vielleicht durch die lange Gamer-Karriere sehr leidenserprobt. Obwohl gerade die von KhornedBeef angesprochene Gothic-Reihe sicherlich ein Bug-Fest war, habe ich jede Menge Spaß mit der Reihe gehabt. Obwohl das Game of Thrones-Spiel, in dem man Mors und Alester spielt, eine furchtbare Steuerung hatte und bis zu den ersten Patches unspielbar war, weil man keine Rüstung anlegen konnte und ohne Rüstung nicht überleben konnte, habe ich es danach wieder aufgenommen und habe das Spiel in positiver Erinnerung (offiziell hat es mittelmäßige Bewertungen).
Sind also diese unabsichtlichen Ecken und Kanten grundsätzlich problematisch? Das kommt sehr darauf an, ob ich einem Spiel sowieso schon überkritisch oder meinetwegen nur kritisch gegenübertreten will; ob ich mit hohen oder gar überzogenen Erwartungen an so ein Spiel herangehe; ob ich den Frust oder Gewohnheiten aus ähnlichen Spielen mit rüberbringen kann/muss/will oder nicht.
Und ich glaube, dass sich darin ein Gros des Bewertungsspektrums bewegen wird. Ein Teil wird die RDR-Teile hochloben, weil Rockstar Games in dem Bereich sowieso für solide bis herausragende Spiele berühmt sind, andere werden es genau deswegen verurteilen, weil sie deswegen mehr vom selben wähnen. Manche beschäftigen sich mit den tatsächlichen Entwicklungen und feiern deswegen die Weiterentwicklung, bei anderen brechen selbst diese neuen cineastisch-atmosphärischen Entwicklungen mit den Erwartungen und sie verurteilen den Part.
Am Ende ist es wohl immer im Zweifel eine Einzelfallprüfung durch den Einzelnen. Der Rest ist nur eine Abwägung zwischen tatsächlich objektiven Beobachtungen und den daraus entstehenden Rezensionen, einem Wust an Darstellungen des eigenen Geschmacks und der daraus entstehenden Rezensionen (die sind sicher die Mehrzahl), und eben der eigenen grundsätzlichen Haltung und des eigenen Spielgeschmackes. Das soll nicht relativieren, dass es allgemein gute Spiele gibt, auf die sich ein Gros einigen kann. Aber es ändert nichts daran, dass man immer alle Meinungen daran und darin entdecken kann und wird.
Davon unbelassen: Wer die Euronen über hat oder auf eine Vergünstigung des Spiels warten mag, sollte sich ruhig an RDR2 probieren und schauen, ob seine Sorgen berechtigt sind oder ob das Spiel ihm nicht doch zumindest groben Spielspaß bringt.