Bei "echten" Kämpfen auf Leben und Tod gibt es kein "aufeinander stürzen" - zumindest nicht, wenn man überleben will. Entschlossen ja, aber wie die Praxis zeigt, ist der Doppeltreffer das häufigste Ergebnis des Vorstürmens - und der kommt im RPG eher selten vor.
Es gibt ein paar Filme von scharfen Duellen, und auch meine (Trainings-)Praxis im kontrollierten Gefecht mit scharfen Klingen zeigt, dass da alles andere als vorgestürmt wird. Eher im Gegenteil.
Der Denkfehler dürfte da eher sein, dass man die falschen Vergleiche zieht.
Im Training und bei sonstigen Simulationen fehlt ja rein psychologisch schon der Tatentschluss auf mindestens einer Seite, da ist dann natürlich viel weniger Druck dahinter. Auch bei rituellen Duellen ist das noch so und entsprechend kommt fast die gesamte Zeitspanne über Abtasten etc. zusammen. Der eigentliche konsequente Schlagabtausch, wenn er überhaupt stattfindet, dauert wenige Sekunden.
Man muss doch nur mal schauen, wie schnell Selbstverteidigungs- und polizeiliche* (sowie die seltenen militärischen) Nahkämpfe im Kern vorbei sind und den Vergleich zum jeweiligen Training ziehen.
Und gerade bei der Polizei wird das sogar noch dadurch gestreckt, dass mindestens eine Seite nicht voll aufdreht.
Da liegt der Gedanke doch sehr nahe, dass die Relationen im Waffenkampf ähnlich sind.
Man gehe mal weg von Sparring und Freikampf, sondern lasse Szenarios mit klaren Zielsetzungen laufen. Allein da sieht die Welt schon ganz anders aus.
Zum Doppeltreffer:
Der krankt als Argument daran, dass die Trefferqualität meist gar nicht betrachtet wird und zumindest nicht bis in letzter Konsequenz bewertet werden kann.
Aber wenn man schon von Abstraktion redet: Bei einem Rollenspielkampf unter halbwegs gleichwertigen Gegnern ist es doch die Regel, dass am Ende einer platt ist und der andere ein paar HP verloren hat.
Das Problem ist doch eher, dass sich das über zig Runden hinziehen muss, anstatt mir dieses Ergebnis direkt liefern zu können.
*Von denen es gefühlt mehr Videomaterial gibt, als man in einem Leben gucken kann
Außerdem muss man natürlich in Betracht ziehen, dass Menschen dieser Kulturstufe auch eine wesentlich andere Kondition haben als moderne Westeuropäer. Wessen einziges Verkehrsmittel die eigenen Füße sind, der baut von Kindheit an ordentlich Ausdauer auf.
Das ist mit Verlaub Quatsch.
Wenn wir bei "unseren" Spitzensportlern schauen, die den lieben langen Tag nichts anderes machen und oft genug lustige Mittelchen nutzen, ist doch 100% sicher, dass die sich näher am maximal Erreichbaren bewegen als die Leute früher.
Und von da aus kann man den Vergleich mit dem motivierten Hobbysportler ziehen, mit dem Anfänger, mit dem normalen Bürger ohne Training.
Das ergibt ein rundes Bild und nicht der Gedanke (etwas überspitzt formuliert) "die mussten früher mehr laufen, deswegen konnten die ununterbrochen X Minuten fechten, was uns armen Degenerierten heute leider völlig unmöglich ist".
Aber wie haben das die Griechen in der Phalanx gemacht? Ich habe echt keine Ahnung...
Man geht davon aus, dass Begegnungen von Phalanxen untereinander (die ja der Dreh- und Angelpunkt des Gefechtes waren) in wenigen Minuten entschieden waren, teils aus psychologischen Gründen, teils wegen der (damit verwobenen) Erschöpfung. Die Verluste waren zunächst entsprechend gering und nur wenn die unterlegene Seite trotz gesprengter Formation sinnloserweise weitergemacht hat oder die überlegene Seite nachsetzen wollte und konnte, kamen die großen Verluste auf.
Da gab es auch eine Abwart- und Manövrierphase, aber der Kern war wohl eine einzige Begegnung, die relativ flott vorbei war.
Könnte er - und dennoch hat er z.B. nur ein Ziel auch getroffen. Wieviele Pfeile er insgesamt verschossen hat, ist grundsätzlich unerheblich.
Der Knackpunkt ist, dass er immer nur ein Ziel treffen
kann, selbst wenn die Umstände es fast schon erzwingen, dass er in diesem Zeitraum mehr Ziele trifft.
Solche Regeln abstrahieren sehr weit und schmeißen dabei natürlich einige Fälle raus.
In diese Richtung ging auch meine Kritik daran im Nahkampf-Kontext. Man kann ohne Weiteres Situationen konstruieren, in denen in einer Minute mehr passieren
muss als das Ergebnis einer abstrahierten Duellphase mit Abtasten, Finten und 1-2 echten Versuchen.
Das können diese Systeme aber nicht abdecken und produzieren in solchen Momenten entsprechenden Unsinn.
(Nebenbei wenn es interessiert und wer bereit ist sich sowas anzusehen, von Stammeskonflkten in Neuguinea gibt es durchaus Videos von echten Kämpfen mit Pfeil und Bogen habe volles Verständnis wenn man das so realistisch gar nicht wissen will ..)
Das sind allerdings auch "nur" die gesitteten Ritualkämpfe.
Die nächtlichen Überfälle mit echter Schädigungsabsicht gibt es bei Naturvölkern daneben auch, aber von denen gibt es keine Videos. Die nehmen sich aber auch nichts mit "zivilisierter" räuberischer Gewalt (in Abgrenzung von sozialer Gewalt) und davon gibts dann wieder genug Material.
Im Prinzip bräuchte es wohl 2 Zeitskalen für Kampf:
einen langsameren für das Abtasten, Manövrieren etc. und dann einen für die eskalierenden Momente, wo es dann in einem kurzen Moment heiß hergeht und es wichtig wird, wann genau schaffe ich es wem was anzutun oder etwas/jemanden anderen zu erledigen.
Da muss man eben schauen, welche Kämpfe man überhaupt darstellen will.
Oft genug entfällt die Abtast- und Manövrierphase und man kann sich die Trennung allein deswegen schon sparen.
Viele Systeme mit ungewöhnlich langen Kampfrunden gehen einfach von der falschen Grundlage aus, sei das nun die spielmechanische Entwicklung aus der Darstellung von Gefechten weit größerer Maßstäbe oder der irreführende Blick (ausschließlich) in den
Trainingsbetrieb diverser Nahkampfstile, ohne dabei zu bedenken, dass das in der praktischen Anwendung nicht 1:1 genau so aussieht.
Bei diesen Realitätsdebatten ist das ähnlich. Das Regelwerk bietet zu viel Information, als dass man es sinnvoll mit dem eigenen Verständnis ausfüllen könnte.
Kannst du das evtl. erläutern oder umformulieren? Ich bin nicht sicher, ob ich folgen kann.
In der Hinsicht hätte ich eher gesagt: Das Regelwerk erklärt mir viel zu wenig, was es da überhaupt in welcher Absicht macht und wo seine Grenzen sind.