Ja, was der Läuterer schreibt klingt stark nach der Video-Rezension. Ich bin zwar kein Call of Cthulhu Spieler, aber die Auseinandersetzung hier hat mich interessiert. Daher habe ich mir das Unboxing Video, das Asathyr im letzten Beitrag verlinkt hat, mal angesehen und ein paar Notizen gemacht. Vielleicht ist´s ja hilfreich für die Diskussion.
Das Video ist ca. 35 Minuten lang. 20 Minuten davon zeigt der Rezensent, was für eine hervorragende Qualität Verpackung, Schuber, Bindung, Druck, Sichtschirm etc. haben. Seinen Worten zufolge durchweg alleroberstes Niveau.
Dann kommt die Kritik und die bezieht sich auf den Text. 10 Minuten lang wird erst ein wenig um den heißen Brei herumgeredet, dann werden Schreibfehler bemängelt. Der Rezensent greift eine zufällige Passage heraus, behauptet, dass es sich infolgedessen nicht um ein besonders abschreckendes, sondern eben lediglich um ein zufällig ausgewähltes Beispiel handele, dann wird gezeigt, dass sich auf so einer zufällig herausgegriffenen Drittelseite drei oder vier Textmängel (Formulierungsschwächen, fehlendes Wort, schlechte Satzkontruktionen) befinden.
In den letzten 5 Minuten wird über Konzeptionsschwächen gesprochen. Insbesondere geht es um das Peru-Kapitel, in dem eine Nichtspielerfigur ("Jackson Elias") vorgestellt wird, die im weiteren Verlauf der Kampagne noch eine größere Rolle spielt. Die Kampagne ist in der neuesten Fassung so konzipiert, dass Jackson Elias und wenigstens eine Spielerfigur das Perukapitel überleben müssen. Der Rezensent ärgert sich darüber und behauptet: "Why play through it if you have to survive?"
Was dem ein oder anderen von uns in der Art der Kritik vielleicht etwas übertrieben vorkommt, wird im Folgenden anhand von zwei Textpassagen erläutert. Zunächst heißt es: "[...] the Keeper should work to ensure that Elias survives the chapter. Depending on the tastes of the Keeper and the group this may involve a little sleight of hand." In der zweiten Passage wird ein Argument geliefert, warum das alles wahrscheinlich zu überhaupt keinem Problem führen wird: "Many encounters in Peru are designed to appear more dangerous than they really are." Der strenge Rezensent kommentiert diese Passage mit dem Satz: "It´s an illusion that this part is difficult."
Am Illusionscharakter der Peru-Episode und der Aufforderung zum Railroading was das Überleben der zentralen Nichtspielerfigur angeht entzündet sich also die Kritik des Rezensenten. Seiner Meinung nach hätten derartige Probleme leicht umgangen werden können. Es gebe nämlich "no need for the Peru chapter to experience Jackson Elias in play and then not actually play it." Während im Abenteuer vorausgesetzt wird, dass die Spielerfiguren sich mit Jackson Elias anfreunden und auf diese Weise Informationen bekommen, führt der Rezensent aus, dass die Nichtspielerfigur bekannt für ihre parawissenschaftlichen Schriften sei und erforderliche Informationen leicht auch in Form einer entsprechenden Lektüre gewonnen werden könnten.
Der gestrenge Rezensent endet seine Besprechung mit folgendem niederschmetterndem Fazit: "[...] I take this part very serious, the creation of the text is the creation of the game and here is the reason why I am now finished with buying products from the new Chaosium until I get confidence that the text is going to be treated with the same respect that the physical products have been getting." Es folgt noch ein Hinweis darauf, wie aberwitzig diese Mängel gerade aufgrund der Luxusausgabe seien. Man nehme extrem hohe Herstellungskosten in Kauf, lasse sich sein Produkt teuer bezahlen, auf ein gründliches Editieren werde aber offensichtlich kein Wert gelegt.
Tja. In Wahrheit habe ich nach diesem Video natürlich keine Ahnung davon, wie repräsentativ die paar Textfehler sind, die uns da gezeigt wurden. Ich weiß auch nicht, ob das Railroading in Bezug auf Jackson Elias die einzige derartige Passage in der ganzen Kampagne ist. Wenn das alles gehäuft vorkommt, ist das in meinen Augen ein schlechtes Produkt. Wenn die Textmängel des gezeigten Abschnitts aber aufs gesamte Produkt gesehen Obergrenze bleiben und im Peru-Kapitel das einzige derartige Railroadingelement zu finden ist, dann finde ich die Kritik ziemlich überzogen.
Immerhin: Die Äußerungen des Rezensenten über hochwertig aussehende, teure Glitzerprodukte, die ein Heidengeld kosten, bei denen der Text dann aber stiefmütterlich behandelt wurde, kommen mir bemerkenswert vor. Das scheint mir ein wichtiger Hinweis für uns alle zu sein, sich von der äußeren Erscheinung eines Produkts nicht zu sehr beeinflussen zu lassen.