Ich möchte mal viel eher einsteigen und was zu den Begriffen selbst sagen.
Okay, dazu kann man sehr viel sagen...
zwei Dinge vorweg:
Sandboxing und Railroading sind zum einen beides Kampfbegriffe und vorbelastet.
Beide sind sehr vage und ungenau. Beide definieren wenig, so daß jeder unterschiedliche Vorstellungen davon hat, was hinter den Begriffen stehen mag. Sicherlich mag es gemeinsame Schnittmengen geben, aber ebenso existieren jede Menge Differenzen.
Und natürlich schwingt im Begriff Railroading ein Vorwurf mit, immerhin muss man den während einer Spielsitzung einmal laut aussprechen und schon hat man das Spiel unterbrochen und die herrlichste Diskussion ausgelöst...
Und Railroading ist natürlich etwas subjektiv empfundenes und spiegelt die Wahrnehmung wieder, dass „man nicht die Menge an Einfluß auf die Spielwelt oder den Handlungsverlauf gehabt hat, den man erwartete“. (diesen Passus bitte nicht als Definition nehmen und nicht auf die Goldwaage legen)
Ich würde jetzt lieber von Rollenspielabenteuern mit vorgezeichneten Handlungsverlauf sprechen und von ergebnisoffenen Rollenspielabenteuern, aber die Kampfbegriffe sind nun mal gefallen und ausserdem müsste man dann schon wieder einen Definitionsmarathon durchlaufen.
Es ist auch sehr viel richtiges und gutes gesagt worden. Ich kram mal im Gedächtnis ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Spannungsbogen, Storywendungen, Timing und dergleichen sind in den Abenteuern mit vorgezeichnetem Handlungsverlauf natürlich wesentlich einfacher umzusetzen. (Der These, dass dies beim Sandboxen unmöglich wäre, möchte ich aber widersprechen)
- Autoren von Kaufabenteuern haben es wesentlich schwerer, wenn sie keine Abenteuer mit vorgezeichnetem Handlungsverlauf schreiben, sondern ergebnisoffene Szenarien.
- Die Vorbereitung für ein Sandboxing ist aufwändiger.
- Sandboxing benötigt wesentlich mehr Improvisation - inklusive der Fähigkeit und der Bereitschaft dazu.
- Die Menge an vorbereiteten aber ungenutzten Material ist bei Sandboxing ungleich höher, auch wenn eine Menge Spielverlauf durch Improvisation entsteht und auch wenn man Material receiclen kann.
Persönliche Anmerkung: ich kann sehr viel Spielspaß und Unterhaltung an Abenteuern mit vorgezeichnetem Handlungsverlauf haben. Es ist schlicht eine Frage des „wenn ich mich darauf einstellen kann, was mich erwartet“.
Ich bin also niemand der „Railroading“ (um es mal ganz provokativ zu sagen) per se ablehnt. Im Gegenteil - ich spiele derzeit fest in zwei Runden mit und eine davon ist halt eine, wo der Spielleiter eine wahnsinnig tolle Show liefert, wo die Post abgeht und alles abgestimmt ist - wo man aber eben auch kaum Einfluss auf den Handlungsverlauf hat und halt „mitmachen“ muß. Diese Runde möchte ich nicht missen - und ich bemühe mich, mein möglichstes zu tun, um durch mein Charakterspiel den anderen das Spiel möglichst unterhaltsam zu gestalten.
Ich sitze da bestimmt nicht mit verschränkten Armen und maule leise „verdammtes Railroading!“ in mich hinein.
Trotzdem favorisiere ich ganz klar Rollenspielsitzungen, die keinen vorgezeichneten Ablauf besitzen.
So viel zu den Pro‘s. Was ist zu den Kontras zu sagen?
Gar nichts!
Und warum? Ganz einfach: weil ich finde, dass es eben mehrere Spielweisen gibt, die alle nebeneinander existieren können und nicht nur einen Weg der zur Glückseeligkeit gibt.
Es gibt nichts GEGEN die oben genannte Art Rollenspiel zu sagen.
Ich kann nur FÜR Alternativen sprechen, weil die eben andere Dinge ermöglichen, die das Spielen eines vorgezeichneten Wegs nicht liefern kann.
Und es gibt nun mal Spieler, die wollen die Show geliefert bekommen. Und es gibt Spieler, die wollen lieber was anderes. Es gibt Spielrunden von „Explorer“, die die Spielwelt erkunden wollen und die erwarten, dass sie jederzeit nach rechts oder links abbiegen können, weil sie da ein für sie höchst interessantes Gänseblümchen gesehen haben.
Es gibt Taktiker, die erwarten, dass man ihnen eine taktische Herausforderung liefert und die sauer werden, wenn sie merken, dass sie nicht verlieren können, auch wenn sie sicht nicht angestrengt haben den raktisch klügsten Weg zu gehen. Und es gibt Leute, die haben Spaß daran, wenn sie merken, dass sie wirklich eine „umgebung“ geliefert bekommen und nicht nur einen Wanderpfad mit Kulissen am Wegesrand (das ist nicht wertend gemeint!).
Ich bin es ehrlich leid, da immer eines GEGEN das andere abwägen zu müssen.
Das ist so wie mit der Frage nach dem Lieblingsgericht. Da wird jeder auch was nennen können, vielleicht auch mehrere Gerichte. Aber niemand wird wollen, sein Lieblingsgericht an 365 Tagen im Jahr sein Leben lang essen zu müssen.
Mir wäre ein Disclaimer am Anfang jeder solchen Debatte lieb, dass dies eben kein A vs. B darstellt und in Wertungen immer eigene Vorlieben enthalten sind sehr lieb.
Denn der größte Wert im Rollenspiel ist seine Vielseitigkeit.
Zu den Pros der ergebnisoffenen Spielen komme ich bei interesse gerne später.