Mein guter Kumpel und ich spielen (Überraschung
) seit einigen Jahren eine Shadowrun-Kampagne. Wir sind dabei tatsächlich nur zu zweit. Er ist der SL und ich der Spieler. Entsprechend spiele ich das ganze Team, außer 1-2 weniger wichtige Mitglieder, die von ihm gespielt werden. (Wäre sonst ziemlich langweilig immer nur mit sich selbst zu planen und während dem Run zu interagieren.)
Nun mussten wir schon (wieder Überraschung
) in der Anfangszeit feststellen, dass das Shadowrun-System (in dem Fall war es SR4) überhaupt nicht für uns taugt. Für mich nicht, weil es immer jede Spannung aus der Geschichte gesaugt hat, wenn es besonders spannend werden sollte (lies Actionszenen) und ich echt abgenervt werde, wenn ich es immer wieder mit undurchdachten, unbalancierten und dysfunktionalen Regeln (oder zumindest Teilen) zu tun habe. Für ihn nicht, weil er mit einer solchen detailreichen, nicht wirklich logisch aufeinander aufgebauten Regelfülle, die man eigentlich einfach auswendig lernen muss, nicht gut zurecht kommt. Vor allem, weil bei uns gerne mal 1-2 Monate Realzeit zwischen Actionszenen vergehen und man entsprechend viel von den Regeln wieder vergisst.
Da wir aber das Setting und unsere begonnene Kampagne toll fanden, beschlossen wir "nur" das Regelsystem zu wechseln. Da er keinen Spaß daran hat an Systemen herumzubasteln oder zig verschiedene davon zu lesen, sollte ich (mir macht das Spaß) ein passendes Regelsystem für uns finden. So kam ich dann ohne Ahnung von irgendwas (kannte nur DSA, SR2 und SR4) ins Tanelorn.
Wir haben dann mehrere Jahre und viele fehlgeschlagene Tests (Fate, Savage Worlds, PBTA mehrfach, Feng Shui 2, Gumshoe, Genesys, u.a.) gebraucht, um herauszufinden, was für eine Art von System für uns beide das Richtige ist, also uns beiden Spaß macht. Nämlich ein klassisches, gut designtes System mit mittlerem Detailgrad (macht mich nicht sauer und er kann sich alles leicht merken), ohne viel Brimborium, bei dem das neumodischste Element das Vorhanden sein von Gummipunkten ist.
Zwischendurch haben wir quasi gezwungenermaßen (weil ja kein System vorhanden, das wir uns zu spielen wirklich vorstellen konnten) viel Freeform gespielt. Braucht man mal nen Zufall tut es 1W6, der entsprechend der Fähigkeiten und Situation interpretiert wird. Das hat viel besser geklappt, als wir uns das vorher vorgestellt hatten. Aber wir bauen halt auch gerne Charaktere (bzw. NSC) mit Werten und Ausrüstung. Und erhöhen die Werte, wenn die Charaktere erfahrener werden. Und haben auch gerne mal direkt was handfestes ('Ich hab die Einschüchtern-Probe gewonnen, also sollten die Jugendlichen abhauen!'), anstatt wirklich alles immer verbal ausverhandeln zu müssen.
Es müssen nicht zu arg viele Regeln sein, sonst wird das Erzählen wieder erstickt, aber zumindest eine Grundlage zu haben ist sehr praktisch und macht auch Spaß. Und speziell für Kampfszenen hat sich mein Kumpel auch immer gewünscht etwas greifbares mit Substanz zu haben. Das System soll da Entscheidungen für ihn treffen oder ihn zumindest gut unterstützen.
Nun komm ich langsam wieder in Richtung ME.
Wir wissen also mittlerweile wie wir würfeln wollen (genauer, was für Sonderzeugs wir alles nicht wollen) und welchen Detailgrad wir bei Charakterwerten, der Charakterentwicklung und der Ausrüstung mögen. Aber ich habs bisher nicht geschafft ein Kampfsystem zu finden oder zu bauen, das uns wirklich gefällt. Bisher waren alle maximal in der Kategorie 'meh, da können wir auch weiter Freeform spielen, hat trotz der Probleme die dort auftauchen letztlich mehr Spaß gemacht'. Und ich hab quasi von 'cinematisch ohne Ini mit Stunts und Armeen von Mooks' bis hin zu 'strikte Inireihenfolge, brettspielig mit zig Taktikoptionen und verschiedenen Schussmodi und jeder Gegner ist brandgefährlich' schon alles probiert.
Dass ich mich hier an ME also so festgebissen habe und es unbedingt verstehen wollte, liegt daran, dass ich den Eindruck habe, hier ein Prinzip für ein Kampfsystem vor der Nase zu haben, das ich vorher so noch nicht gesehen habe. Eine ungewöhnliche Kombination aus Fokus auf Erzählung und Fokus auf Regeln im Wechsel. Und nach deinen Erklärungen @YY seh ich mich jetzt dazu in der Lage ein Probespiel ME zu leiten.
Wenn du @YY schreibst...
Aber wenn man das gemacht hat, ermöglichen die Regeln ein sehr flüssiges, immersives Spiel und sind da (und nur da) zur Stelle, wo man sie braucht.
Mit dem Ansatz von ME kann man sehr flüssig und immersiv spielen, wenn alle halbwegs Plan von der Sache haben (oder wenigstens alle auf dem gleichen Holzweg sind ).
...denke ich, dass ein Kampfsystem im Stil von ME für meinen Kumpel und mich passen könnte.
Das mit dem 'alle auf dem gleichen Holzweg würde auch funktionieren' ist übrigens sehr wichtig, weil ich bezweifle, dass wir jemals auch nur annährend theoretische "Experten" für taktischen Kampf werden könnten.
Uns hingegen auf eine gemeinsame Vorstellung zu einigen, auch im komplizierten Shadowrun-Universum, sollte mit entsprechenden Gesprächen kein Problem sein. Da haben wir durch das lange Freeform-Spiel wirklich viel Übung drin.
Wenn du @YY allerdings schreibst...
Auch hier wieder: In diesen erzählerischen Phasen muss der SL den Überblick behalten, was welcher NSC jetzt vor hat, wie lange das dauert usw. - und dabei immer fair gegenüber den Spielern bleiben.
...dann befürchte ich, dass ein Kampfsystem im Stil von ME meinem Kumpel vielleicht doch weniger SL-Entscheidungen abnehmen würde, als ihm angenehm wäre.
Es gibt allerdings nur eine Möglichkeit das herauszufinden, nämlich (möglichst mehrfaches) Probespiel. Wozu ich ihn gerade zu überreden versuche.
Mein Kumpel ist so jemand, mit dem man schlecht über die Theorie hinter Rollenspielsystemen reden kann. Bei Wahrscheinlichkeiten, Standardabweichungen und so Sachen wie 'Combat as War' vs. 'Combat as Sports' kann er sich schlicht nicht gut vorstellen, wie sich das von mir abstrakt erklärte dann tatsächlich im Spiel anfühlen würde. Von daher braucht es den Praxiseinsatz des Systems, damit er sagen kann, ob ihm das gefällt, und ob er als SL gut zurecht kommt.
@YY:
Die ganze Vorgeschichte ist auch der Grund, warum ich das 'Shadowrun: Reboot' Topic verfolge.
Ich hab nämlich langsam selbst keine Ideen mehr, und dies obwohl Kumpel und ich schon vor längerer Zeit beschlossen haben unsere Ansprüche für unser Shadowrun-Ersatzsystem von 'soll perfekt passen' auf 'soll ganz gut passen' herunter zu fahren. Das ist frustig. So ein anderes System der Kategorie 'klassisch, gut designt, mittlerer Detailgrad' für das Shadowrun-Setting scheint echt ein wirklich schwieriges Thema zu sein. Oder wir sind schlicht nicht fähig genug dafür. Kann auch sein. Ich hab daher auch schon öfter drüber nachgedacht, ob wir die Kampagne nicht abbrechen sollten und was spielen sollten, bei dem direkt ein für uns brauchbares System mit dabei ist. Aber dazu gefällt uns das Setting einfach immer noch zu gut und wir stecken noch mitten drin in der Geschichte, die wir dort erzählen.
Jedenfalls, was du da in 'Shadowrun: Reboot' baust klingt gut und auch ungefähr nach unserer Kragenweite vom "Verregelungsgrad" her. Zumal ich noch nostalgisch gute Erinnerungen an SR2 und die Runde damals auf der Uni habe.
Von daher werde ich 'Shadowrun: Reboot' im Auge behalten und habe auch kein Problem damit im Zweifelsfall meine neuste System-Testversion wegzuwerfen und dafür deinen Hack zu verwenden, wenn der letztlich gut passend für meinen Kumpel und mich werden sollte.
Ok. Das war jetzt ultra lang aus dem Nähkästchen geplaudert. Von daher genug nun von dieser Geschichte, die gefühlt jeder zweiten Person im Tanelorn ähnlich - wenn auch vielleicht nicht mit Shadowrun - "zugestoßen" ist.