Autor Thema: Differenzen und Dilemmata  (Gelesen 6515 mal)

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Offline Vasant

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Differenzen und Dilemmata
« am: 4.03.2019 | 14:57 »
Wenn im Rollenspiel die Beziehungen und Entwicklungen von Protagonisten im Fokus stehen, werden ja oft Unterschiede in den Idealen, Moralvorstellungen und Tabus beleuchtet.
Was kann da von Spielleitern und Spielern erwartet werden, damit daraus ein interessantes, mitreißendes Spiel wird?
Ich beobachte leider zunehmend, dass Leute auf den Werten / Nachteilen / etc. ihrer Protagonisten beharren und das Spiel dadurch festfährt.

Beispiel Polizeiserie: Der idealistische Neuling und der abgehalfterte Veteran tun sich zusammen, um einen Serienkiller zu stellen.
Die ideale Blümchenvorstellung: Es werden verschiedene Szenen angespielt, in denen die Wertevorstellungen der beiden aufeinanderprallen. So lernt der Neuling, dass es nicht immer nur schwarz und weiß gibt und es oft einen Unterschied zwischen dem gibt, was im Polizeihandbuch steht und was zu einem guten Ende für alle führt. Der Veteran wird zunehmend von dem Idealismus seines Partners angesteckt und gerät wieder auf die richtige Bahn.
Am Ende ist der Killer gefasst, der Neuling kann der Frau seiner Träume einen Antrag machen und der Veteran kommt von seiner Heroinabhängigkeit runter. Danach sind die beiden ein tolles Duo (oder die beiden heiraten, was auch immer  ~;D).

Was ich in letzter Zeit oft habe:
1 Veteran: "Okay, der Kerl ist da drin. Wir wissen, dass der Staatsanwalt uns keinen Durchsuchungsbefehl geben will/kann, aber das ist unsere einzige Chance."
2 Neuling: "Das glaube ich nicht. Wir müssen uns an die Vorschriften halten, also müssen wir den Staatsanwalt erstmal überzeugen."
3 Veteran: "Das dauert aber zu lange."
4 Neuling: "Wir müssen uns aber an die Vorschriften halten."
Option A: Wiederholung von 3 und 4 so lange, bis der Killer abhaut und die Chance vertan ist. Veteran ist sauer auf Neuling. Neuling sieht keinen Fehler ein. Keine Charakterentwicklung.
Option B: Veteran schickt den Neuling Formulare holen und bricht selbst in die Bude ein. Je nach Würfelglück haben wir dann:
Option B1: Der Veteran bekommt ordentlich aufs Maul und der Killer entkommt. Veteran: "Das wär alles nicht passiert, wenn du mir geholfen hättest." Neuling: "Das wär alles nicht passiert, wenn du auf mich gehört hättest". Keine Charakterentwicklung.
Option B1: Der Veteran stellt den Killer allein. Der Neuling denkt weiterhin, dass das unrechtmäßig ist, und sabotiert dem Veteran damit seine Ermittlungen, indem er ihn verpetzt, oder hält sich raus und lässt den Spieler des Veteranen den Kram von da an quasi allein machen. Aus der zweiten Option könnte sich dann tatsächlich eine Charakterentwicklung ergeben (juchu!) zu dem Preis, dass der Spieler dann ne Weile lang nichts beiträgt und nur zuhören kann.
 
Soll der Spielleiter die Alternativen unterschiedlich gestalten, damit sich ein klare Tendenz einstellt (um das im-Kreis-diskutieren zu unterbinden), damit aber die Wahl der Spieler eingeschränkt oder zumindest in eine Richtung beeinflusst wird? Wenn das Szenario lautet "Wenn ihr da nicht reingeht, stirbt das nächste Ziel unweigerlich, aber eure Vorgesetzten glauben euch das nicht", driftet das Dilemma zwischen "Leben retten" und "Oh nein aber was ist mit Artikel 13 Absatz 2" ja doch eher ins Triviale ab (Extrembeispiel).
Kann man von Spielern mit unterschiedlichen Spielarten erwarten, ergebnisorientiert ("am Ende wollen wir eine Entscheidung und Action") an eine solche Szene heranzugehen?
Was ist, wenn im Spiel herauskommt, dass die gewünschten Ergebnisse der Spieler voneinander abweichen?
Ist eine (vorübergehende) Gruppentrennung oder eine Handlungsverweigerung eines Protagonisten ein akzeptabler Ausgang eines solchen Dilemmas? 

Offline Selganor [n/a]

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #1 am: 4.03.2019 | 15:19 »
Klingt mal wieder nach dem typischen "aber das musste ich so machen, denn mein Charakter ist ja so..."

Wenn den beteiligten Spielern klar ist, dass sie mit dieser Spielweise die Runde an die Wand fahren (weil ich mal davon ausgehe, dass der SL keine Lust hat zwei "Solo-Runden" mit den Spielern einzeln zu leiten) und sie vielleicht auch mal selbst einen Anteil an der Entscheidung, ob denn die Runde fortbestehen kann haben dann koennte sich da auch schon was klaeren...
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Offline felixs

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #2 am: 4.03.2019 | 15:34 »
Diese Probleme gibt es wohl in jedem Rollenspiel. Kurz zusammengefasst ist es ja "Die Spieler wollen unterschiedliche Dinge tun, die nicht miteinander harmonieren".

Das Problem ist, meines Dafürhaltens, im Spiel nicht lösbar und bedarf einer Meta-Diskussion.
Konkret ist zu klären:
- Am wichtigsten: Besteht ein gemeinsamer Horizont? Haben alle die gleiche Vorstellung von der Spielwelt?
- Was will man eigentlich spielen, worum geht es? Geht es um das Ausspielen von Figuren? Geht es um eine Geschichte? Geht es um "Action" (also gut würfeln und findige Ideen)?
- Ist allen klar, dass Spieler und Spielfigur zu trennen sind, dass deren Wissen, Erwartungen, Emotionen etc. zu trennen sind? Oder sogar: Sind sich überhaupt alle einig, dass das so ist?

Der Punkt mit dem "gemeinsamen Horizont" ist der wichtigste Punkt überhaupt, denn er macht gelungenes Rollenspiel (jeder Art) überhaupt erst möglich. Bedeutet natürlich nicht, dass jeder alles wissen soll oder kann. Bedeutet aber, dass man z.B. eine Vorstellung davon hat, ob sich die Polizei in der jeweiligen Spielwelt immer an die Regeln hält und wieviel Korruption, Faulheit oder Amtsschimmel beim Staatsanwalt zu vermuten ist.
Der zweite Punkt spielt dann natürlich auch noch eine Rolle: Sind sich alle einig, wie sie das spielen wollen? Ich finde es da immer hilfreich, wenn der Spielleiter ggfs. als neutraler Vermittler auftreten kann. Es empfiehlt sich auch, mögliche Konflikte kurz auf Spielerebene durchzusprechen - man sitzt ja einem Mitspieler gegenüber und nicht der Figur, mit der man ggfs. einen Konflikt hat.
Und genau das wäre dann der dritte Punkt: Ist den Mitspielern klar, dass die anderen am Tisch Mitspieler sind und nicht Konfliktfeinde? Und vor allem: Ist das überhaupt wirklich so, oder geht es jemandem tatsächlich als Spieler darum, Konflikte zu haben und dabei gegen die anderen zu "gewinnen"?

Es spricht jedenfalls nichts dagegen, im Spiel zwischendurch zu sagen: "So geht das irgendwie nicht, mir macht das so keinen Spaß und ich hätte gern, dass wir das anders spielen". Im Idealfall diskutiert man das dann kurz und es geht besser weiter. Im schlimmsten Fall kommen ernsthafte soziale Defizite der Beteiligten (Spieler/Spielleiter) ans Licht. Muss man dann durch.
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Offline Caranthir

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #3 am: 4.03.2019 | 15:37 »
Es gibt noch secret option c: Der Veteran geht vor und dem Neuling bleibt nichts anderes übrig, als hinterher zu gehen und ihm Rückendeckung zu geben. So läuft das auch normalerweise in den ganzen Polizeiserien. Wenn am Ende der Killer geschnappt wurde, ist alles super, der Zweck heiligt die Mittel und der Neuling jammert noch ein bisschen. Entkommt der Killer, stehen beide vor dem Scherbenhaufen und streiten munter weiter.

Klares Ja zum Ausspielen von Charaktereigenschaften und Marotten. Klares Nein Nachteilen, mit denen man Abenteuer aus Prinzip sabotiert, "weil der Charakter nunmal so ist."
Lese: Fate of Cthulhu, Fate Horror Toolkit, Dragon Age RPG, The Expanse RPG

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Offline Vasant

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #4 am: 4.03.2019 | 15:45 »
- Was will man eigentlich spielen, worum geht es? Geht es um das Ausspielen von Figuren? Geht es um eine Geschichte? Geht es um "Action" (also gut würfeln und findige Ideen)?
Hast du denn einen Tipp für die Situation, dass beide Parteien ihre Figuren ausspielen möchten und Schwierigkeiten damit haben, dass ihre Figur in genau dieser Situation ihre Hemmungen überwindet?

Es gibt noch secret option c: Der Veteran geht vor und dem Neuling bleibt nichts anderes übrig, als hinterher zu gehen und ihm Rückendeckung zu geben. So läuft das auch normalerweise in den ganzen Polizeiserien. Wenn am Ende der Killer geschnappt wurde, ist alles super, der Zweck heiligt die Mittel und der Neuling jammert noch ein bisschen. Entkommt der Killer, stehen beide vor dem Scherbenhaufen und streiten munter weiter.

Klares Ja zum Ausspielen von Charaktereigenschaften und Marotten. Klares Nein Nachteilen, mit denen man Abenteuer aus Prinzip sabotiert, "weil der Charakter nunmal so ist."
Diese Option gibt es allgemein sicherlich. Ich hatte da jetzt nur leider etwas Beispiel und Beobachtung verschmiert – in der Runde, die mich da zum Nachdenken angeregt hat, geht ein Teil der Gruppe eben tatsächlich vor, während der andere Teil die Hilfe verweigert, ohne eine sinnvolle alternative Möglichkeit vorzuschlagen (und nach dem Spiel dafür von mir als SL zusammengefaltet wird).
Die Frage, die sich mir da stellt, ist, ob das überhaupt fair ist. Immerhin zwingt die eine Partei da ja der anderen ihre Handlungsweise auf. Wenn jetzt der Paragraphenreiter dem Rambo-Cop seine Tour vermasselt (z.B. indem er seinen Kollegen überwältigt und fesselt), damit er erstmal in Ruhe mit dem Staatsanwalt telefonieren kann, würden viele den Spieler vermutlich für bescheuert  oder destruktiv erklären. Oder seh ich das falsch?

Offline felixs

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #5 am: 4.03.2019 | 16:02 »
Hast du denn einen Tipp für die Situation, dass beide Parteien ihre Figuren ausspielen möchten und Schwierigkeiten damit haben, dass ihre Figur in genau dieser Situation ihre Hemmungen überwindet?

Nein, das passt dann eigentlich einfach nicht zusammen.
Aber: Man könnte den Fokus des Spiels verschieben und ein Rollenspiel über diesen Konflikt betreiben. Dann hat man aber nicht mehr viele Möglichkeiten für gemeinsame Geschichten, für Action und für Erfolge.

in der Runde, die mich da zum Nachdenken angeregt hat, geht ein Teil der Gruppe eben tatsächlich vor, während der andere Teil die Hilfe verweigert, ohne eine sinnvolle alternative Möglichkeit vorzuschlagen (und nach dem Spiel dafür von mir als SL zusammengefaltet wird).

Ich halte es nicht für klug, bei so einer Eskalation bis nach dem Spiel zu warten. Das sollte man gleich klären.
Ich finde es auch falsch, den Teil, der "die Hilfe verweigert" zum destruktiven Teil zu erklären. Es ist doch ebenso destruktiv, ohne Rücksicht auf die anderen einfach mal zu machen.
Mein Vorschlag wäre, an der Stelle gleich zu stoppen und darüber zu sprechen, ob es eine Möglichkeit gibt, gemeinsam zu spielen. Und zwar, ohne dass eine Gruppe einfach ihren Willen durchdrückt. Wenn das nicht geht, würde ich überlegen, ob man das wirklich noch weiter so spielen möchte.
« Letzte Änderung: 4.03.2019 | 16:05 von felixs »
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Offline Selganor [n/a]

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #6 am: 4.03.2019 | 16:05 »
Hast du denn einen Tipp für die Situation, dass beide Parteien ihre Figuren ausspielen möchten und Schwierigkeiten damit haben, dass ihre Figur in genau dieser Situation ihre Hemmungen überwindet?
Ja, einfach der Situation folgen und die durchziehen. Wenn du dann irgendwann an die Grenzen deiner Vorbereitung/Improvisation stoesst dann den Spielern einfach klar sagen: "An der Stelle brauche ich jetzt erstmal eine Pause um zu ueberlegen wie es weitergeht"
Je nachdem wie gut und schnell du da umschwenken kannst kann das von einer laengeren Toilettenpause (oder einzelnen Raucherpause fuer die Suchtinger ;) ) bis zu einem vorzeitigen Ende des Spielabends fuehren.

Gerade wenn man so "Spielsitzungsenden" haben sollte wie das Finale der 1. Staffel von Sledge Hammer kann die Planungsphase wie es dann weitergeht doch mal etwas laenger dauern >;D

Wobei "inkompatible" Charaktere ja nicht unbedingt ein Ende der Runde bedeuten muss. Solange die Spieler (und der SL) Spass daran haben gibt es keinen Grund diesen "Autounfall von dem man einfach nicht wegschauen kann" nicht noch weiterzuspielen.
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Offline Vasant

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #7 am: 4.03.2019 | 16:15 »
Ja, einfach der Situation folgen und die durchziehen. Wenn du dann irgendwann an die Grenzen deiner Vorbereitung/Improvisation stoesst dann den Spielern einfach klar sagen: "An der Stelle brauche ich jetzt erstmal eine Pause um zu ueberlegen wie es weitergeht"
Je nachdem wie gut und schnell du da umschwenken kannst kann das von einer laengeren Toilettenpause (oder einzelnen Raucherpause fuer die Suchtinger ;) ) bis zu einem vorzeitigen Ende des Spielabends fuehren.
Huch, da reden wir jetzt aber gerade aneinander vorbei, oder? Kurz zwei Optionen vorbereitet (eine für SC A, eine für SC B) und ein Ergebnis für die Situation, dass keine der beiden Lösungen genommen wird. Beim Spielleiten auf der Fiktionsebene ist das eigentlich ganz entspannt.
Wenn da ne Bombe tickt, es zwei Drähte gibt und sich die zwei SCs mit den unglaublich ausgefeilten Hintergründen "Lieblingsfarbe: Rot" und "Lieblingsfarbe: Blau" nicht einigen können, welcher Draht es denn sein darf (beide würden die Bombe deaktivieren) und die Bombe hochgeht, sehe ich jetzt das Problem jetzt eigentlich nicht in mangelnder Vorbereitung.
Oder meinst du, in der Situation fehlen dann stichhaltige Argumente wie "der Experte am Telefon meinte aber, es ist der blaue Draht", die der Spielleiter mitliefern soll, damit die Spieler sich eher einigen können?

snoopie

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #8 am: 4.03.2019 | 16:31 »
Zitat
Ich beobachte leider zunehmend, dass Leute auf den Werten / Nachteilen / etc. ihrer Protagonisten beharren und das Spiel dadurch festfährt.

Beobachte ich vor allem in Gruppen, bei denen sich die Spieler langweilen. Wenn die Spielleitung ein forderndes Szenario aufbaut, in dem alle Charaktere gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, taucht so eine Situation nicht auf.
Normalerweise ist es so: In den Soft-Szenen, wo Charakterspiel möglich ist, werden die Unterschiede und Differenzen rausgekramt. Sobald der Ton im Szenario umschlägt, und schluss mit Stimmungsspiel ist, wechseln die Spieler in den ernsten Modus und blenden die Differenzen aus.

Offline Zarkov

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #9 am: 4.03.2019 | 16:37 »
Was ich in letzter Zeit oft habe:
1 Veteran: "Okay, der Kerl ist da drin. Wir wissen, dass der Staatsanwalt uns keinen Durchsuchungsbefehl geben will/kann, aber das ist unsere einzige Chance."
2 Neuling: "Das glaube ich nicht. Wir müssen uns an die Vorschriften halten, also müssen wir den Staatsanwalt erstmal überzeugen."
3 Veteran: "Das dauert aber zu lange."
4 Neuling: "Wir müssen uns aber an die Vorschriften halten."
Option A: Wiederholung von 3 und 4 so lange, bis der Killer abhaut und die Chance vertan ist. Veteran ist sauer auf Neuling. Neuling sieht keinen Fehler ein. Keine Charakterentwicklung.

Die Spieler haben ihre Figuren also so angelegt, daß sie im Spiel in Konflikt kommen müssen. In der geschilderten Szene ist der Konflikt da. Die Frage ist nun: Gibt es Mittel, den Konflikt im Spiel aufzulösen?

Das Problem ist ja durchaus lösbar. Nicht wenige Spiele haben diese Mittel oder (bei Indy-Scheiß) konzentieren sich sogar alleine darauf. Aber noch viel mehr Spiele, vor allem "klassische" Rollenspiele, haben keine Konfliktabhandlung, die hier brauchbar wäre. Dann hat man technisch nur noch die Wahl zwischen dem Kampfsystem oder eventuell einem Skillwurf für Überreden; andernfalls bleibt der Konflikt ungelöst bestehen und muß entweder auf der Metaebene am Tisch irgendwie durch einen Kompromiß oder Überredung zwischen Spielern aufgelöst, oder aber ganz umgangen werden: entweder er wird in den Hintergrund geschoben, weil das Spiel sonst gesprengt wird oder es kommen solche Aktionen wie in deinem Szenario B.

Ich sehe folgende mögliche Lösungen:

(a) Man legt seine Figuren auf Konflikt an und nutzt die vorhandenen Mittel, ihn auszutragen. Da das einzige vorhandene Konfliktsystem klassischerweise oft nur aus den Kampfregeln besteht, kann das zu Problemen führen.
 
(b) Man hat nur "kosmetische" Konflikte und einigt sich am Tisch oder durch reines Rollenspiel so, daß es irgendwie weitergeht.

(c) Man legt seine Figuren nicht auf Konflikt an, wenn es keine brauchbaren Möglichkeiten zur Abhandlung im Spiel gibt.

(d) Man sorgt dafür, daß es ein brauchbares Konfliktsystem gibt, und legt seine Figuren bewußt so an, daß man dieses auch nutzt.

Das letzte, (d) ist natürlich meine Lieblingsoption, aber dafür braucht man halt das entsprechende technische Rüstzeug und die entsprechenden Spieler.

In der von dir geschilderten Kreisdiskussion würde ich den Spielern Lösung (a) vorschlagen: Wenn sie sich nicht in der Fiktion prügeln wollen, frage ich dann, ob sie mit einem gegenseitigen Wurf auf Überzeugen oder dergleichen einverstanden wären. Wenn sie das nicht wollen, aber trotzdem auf dem Konflikt beharren, dann ist es tatsächlich Zeit für eine kleine Auszeit mit Diskussion.
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Offline felixs

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #10 am: 4.03.2019 | 16:37 »
Beobachte ich vor allem in Gruppen, bei denen sich die Spieler langweilen. Wenn die Spielleitung ein forderndes Szenario aufbaut, in dem alle Charaktere gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, taucht so eine Situation nicht auf.
Normalerweise ist es so: In den Soft-Szenen, wo Charakterspiel möglich ist, werden die Unterschiede und Differenzen rausgekramt. Sobald der Ton im Szenario umschlägt, und schluss mit Stimmungsspiel ist, wechseln die Spieler in den ernsten Modus und blenden die Differenzen aus.

Das kann ich so überhaupt nicht bestätigen. Meine Beobachtung widerspricht dem.
In Gruppen, in denen das Ausspielen von Figuren wichtig ist, passiert dies eigentlich immer, in allen Szenen.
In Gruppen, denen das nicht wichtig ist, passiert es eigentlich nie.

Und in allen Gruppen, die ich kenne, hilft ein klärendes Gespräch auf der Meta-Ebene.

Aus der Position des Spielleiters heraus kann man, meiner Erfahrung nach, am besten helfen, indem man offen kommuniziert: "Wenn ihr das wirklich so machen wollt, funktioniert das Szenario nicht und es gibt (wahrscheinlich) kein spannendes Spiel. Wollen wir das wirklich so machen? Und wenn ja, warum?".
« Letzte Änderung: 4.03.2019 | 16:40 von felixs »
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Offline Vasant

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #11 am: 4.03.2019 | 16:50 »
Das Problem ist ja durchaus lösbar. Nicht wenige Spiele haben diese Mittel oder (bei Indy-Scheiß) konzentieren sich sogar alleine darauf. Aber noch viel mehr Spiele, vor allem "klassische" Rollenspiele, haben keine Konfliktabhandlung, die hier brauchbar wäre. Dann hat man technisch nur noch die Wahl zwischen dem Kampfsystem oder eventuell einem Skillwurf für Überreden; andernfalls bleibt der Konflikt ungelöst bestehen und muß entweder auf der Metaebene am Tisch irgendwie durch einen Kompromiß oder Überredung zwischen Spielern aufgelöst, oder aber ganz umgangen werden: entweder er wird in den Hintergrund geschoben, weil das Spiel sonst gesprengt wird oder es kommen solche Aktionen wie in deinem Szenario B.

Ich sehe folgende mögliche Lösungen:

(a) Man legt seine Figuren auf Konflikt an und nutzt die vorhandenen Mittel, ihn auszutragen. Da das einzige vorhandene Konfliktsystem klassischerweise oft nur aus den Kampfregeln besteht, kann das zu Problemen führen.
 
(b) Man hat nur "kosmetische" Konflikte und einigt sich am Tisch oder durch reines Rollenspiel so, daß es irgendwie weitergeht.

(c) Man legt seine Figuren nicht auf Konflikt an, wenn es keine brauchbaren Möglichkeiten zur Abhandlung im Spiel gibt.

(d) Man sorgt dafür, daß es ein brauchbares Konfliktsystem gibt, und legt seine Figuren bewußt so an, daß man dieses auch nutzt.

Das letzte, (d) ist natürlich meine Lieblingsoption, aber dafür braucht man halt das entsprechende technische Rüstzeug und die entsprechenden Spieler.

In der von dir geschilderten Kreisdiskussion würde ich den Spielern Lösung (a) vorschlagen: Wenn sie sich nicht in der Fiktion prügeln wollen, frage ich dann, ob sie mit einem gegenseitigen Wurf auf Überzeugen oder dergleichen einverstanden wären. Wenn sie das nicht wollen, aber trotzdem auf dem Konflikt beharren, dann ist es tatsächlich Zeit für eine kleine Auszeit mit Diskussion.
In die Richtung hab ich jetzt tatsächlich noch gar nicht weiter gedacht, weil unser Anspruch bisher immer war, das rollenspielerisch und nicht mechanisch zu lösen. Eventuell haben wir uns da aber mit der Anforderung, zur Lösung weder in die mechanische, noch in die Metaebene zu gehen, einfach überhoben (nicht, dass die Diskussion nicht schon in die Metaebene verlegt wurde und da ähnlich kreisförmig weiterging...). Ist auf jeden Fall was, worüber wir mal quatschen werden, auch wenn mir eine mechanische Lösung dafür erstmal unbefriedigend erscheint. Den Zwang auf Spielcharaktere hast du dann ja weiterhin, nur dass es nicht "der ist jetzt losgerannt und hat das alleine durchgezogen" ist, sondern "der hat mich jetzt überredet und jetzt geh ich mit, auch wenn ich das für meinen Protagonisten erstmal total bescheuert finde", oder?
« Letzte Änderung: 4.03.2019 | 16:53 von Vasant »

Offline Lord Verminaard

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #12 am: 4.03.2019 | 16:53 »
Soll der Spielleiter die Alternativen unterschiedlich gestalten

Ich denke nicht, dass das etwas ist, was der Spielleiter lösen kann oder soll. Es geht darum, eine gemeinsame Erwartung an das Spiel zu haben, und dann geht es darum, dass die Spieler ihren Beitrag leisten. Natürlich erfordert das von allen Beteiligten, nicht nur dem SL, ein gewisses Fingerspitzengefühl und ein gutes Verständnis davon, was in den Augen des anderen Spielers dessen Charakter ausmacht. Denn wenn man im vermeintlichen Interesse eines dramaturgischen Spielstils den eigenen Charakter so zur Unkenntlichkeit verbiegt, dass man ihn gar nicht mehr fühlen kann und die Entwicklung überhaupt nicht mehr glaubwürdig ist, dann hat man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das wäre so die Grenze, das gilt es zu vermeiden. Das vermag ich in deinem Beispiel aber nicht zu erkennen.

Zitat
Kann man von Spielern mit unterschiedlichen Spielarten erwarten, ergebnisorientiert ("am Ende wollen wir eine Entscheidung und Action") an eine solche Szene heranzugehen?
Was ist, wenn im Spiel herauskommt, dass die gewünschten Ergebnisse der Spieler voneinander abweichen?

Dann hat man ein Dilemma, nur leider nicht in der Spielwelt, sondern am Spieltisch. ;D Ich hatte früher mal eine deutlich optimistischere Einschätzung darüber, was man in solchen Situationen mit Gesprächen über "den gewünschten Spielstil" und der Verwendung von "kohärenten Regelwerken" erreichen kann. Hat sich aber sehr selten bewahrheitet. Wenn selbst das kleine 1x1 des Buddy Movie nicht umgesetzt werden kann, dann ist da, fürchte ich, wenig Hoffnung, dem betreffenden Spieler dramaturgisches Spiel noch näher zu bringen.
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Offline Zarkov

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #13 am: 4.03.2019 | 17:04 »
Ich denke nicht, dass das etwas ist, was der Spielleiter lösen kann oder soll.

Wenn wir Pendragon spielen oder so mache inzwischen meistens diese Geste und sage "ihr könnt euch jetzt mit den Schwertern tothauen oder ihr einigt euch irgendwie".

Meistens einigt man sich irgendwie. Könnte mit den Kampfregeln von Pendragon zusammenhängen.
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Offline KhornedBeef

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #14 am: 4.03.2019 | 17:25 »
Hat eigentlich schon jemand vorgeschlagen, dass die Spieler mal bitte wenigstens nicht ausschließlich die eigene Figur so furchtbar wichtig nehmen sollen? Vielleicht bin ich ja linksfate-versifft (sarkastisch gesprochen), aber solange man denkt "das wäre doch ziemlich cool, wenn unsere beiden Charaktere jetzt...", ist das Risiko doch gleich viel kleiner. Natürlich geht das nicht, wenn man da nur Hardcore method acting machen will. Aber das macht halt auch nicht unbedingt Spaß. Wenn man das wiederum akzeptieren täte, wäre das Problem auch gelöst. Aber irgendwie nörgeln die Leute ja dann anscheinend doch, wenn die Runde ihnen in dem Moment keinen Spaß macht.
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Offline Maarzan

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #15 am: 4.03.2019 | 17:50 »
Wenn man das wiederum akzeptieren täte, wäre das Problem auch gelöst.

Jo klar, dann haben wir zwei Leute, die sagen: "Wäre doch toll, wenn unsere beiden Charaktere das so machen, wie ich es mir vorstelle ...".
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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #16 am: 4.03.2019 | 17:59 »
In die Richtung hab ich jetzt tatsächlich noch gar nicht weiter gedacht, weil unser Anspruch bisher immer war, das rollenspielerisch und nicht mechanisch zu lösen. Eventuell haben wir uns da aber mit der Anforderung, zur Lösung weder in die mechanische, noch in die Metaebene zu gehen, einfach überhoben (nicht, dass die Diskussion nicht schon in die Metaebene verlegt wurde und da ähnlich kreisförmig weiterging...). Ist auf jeden Fall was, worüber wir mal quatschen werden, auch wenn mir eine mechanische Lösung dafür erstmal unbefriedigend erscheint. Den Zwang auf Spielcharaktere hast du dann ja weiterhin, nur dass es nicht "der ist jetzt losgerannt und hat das alleine durchgezogen" ist, sondern "der hat mich jetzt überredet und jetzt geh ich mit, auch wenn ich das für meinen Protagonisten erstmal total bescheuert finde", oder?

Mit den richtigen Spielern kannst du das super innerhalb der Spielweltebene auflösen. Dazu gehört als notwendige Voraussetzung, dass sich die Spieler des Konflikts bewusst sind und ein Interesse daran haben, ihre Charaktere über das Ausspielen solcher Konfliktsituationen weiterzuentwickeln. Wer Charakterspiel auf das Ausspielen vordefinierter Eingeschaften einschränkt, wird mit solchen Situationen, die rollenspielerische Flexibilität erfordern, allerdings nicht gut klar kommen. Es braucht das passende Mindset.

Das Auflösen über einen harten Konfliktresolutionsmechanismus wäre für mich dagegen nur innerhalb von dramaorientierten Oneshots akzeptabel. Im Kampagnenspiel würde ich im Strahl kotzen, wenn mir ein Mitspieler Handlungen aufzwingt, die meinen Vorstellungen des Charakteres entgegenläuft. Ich mache bei so etwas gerne mit, aber ich will bitteschön selbst entscheiden, wann, wo und wie.
« Letzte Änderung: 4.03.2019 | 18:04 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline KhornedBeef

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #17 am: 4.03.2019 | 18:03 »
Jo klar, dann haben wir zwei Leute, die sagen: "Wäre doch toll, wenn unsere beiden Charaktere das so machen, wie ich es mir vorstelle ...".
Nein,dann haben wir zwei Leute die nicht unbedingt Spaß haben wollen :)
Die Situation die du meintest, hätte man wohl wirklich, wenn man nicht bloß seine Figur, sondern sich selbst als einziges wichtig nimmt. Wer sich an den Tisch setzt für ein gemeinsames Spiel und das immer noch tut ist aber auch verloren für alle Rettungsversuche....
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Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Offline SeldomFound

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #18 am: 4.03.2019 | 18:09 »
Grundsätzlich liegt ja das Problem beim Beispiel ganz oben eher darin, dass eine Charakterentwicklung erreicht werden soll, aber es die hohe Wahrscheinlichkeit zu geben scheint, dass es nicht dazu kommt.

Der Grund ist dafür dann eher, dass die Spieler zwar ihre Charaktere ausspielen, diese aber nicht dynamisch sind, also sich nicht verändern können oder sollen... oder zumindest nur exakt so, wie der Spieler es will! Hier ist ein Problem, dass ich bei einigen Spielen sehe, wo die Spieler davon ausgehen, dass sie volle Kontrolle über ihren Charakter haben: Sie ignorieren oder akzeptieren nicht, dass ihr Charakter auch durch Aktionen ihrer Mitspieler verändert werden kann oder sollte.

Ich sehe es so: Wenn ich meinen Charakter in eine Rollenspielrunde bringe, riskiere ich auch damit, dass er von durch die Interaktion mit SCs und NSCs sich verändern kann. Gleichzeitig hoffe ich aber natürlich auch darauf, dass auch mein Charakter die Welt, SCs und NSCs beeinflussen kann, dass es also ein Nehmen und Geben gibt.

Grenzen sind aber hier durchaus wichtig: Wenn bestimmte Entwicklungen dazu führen, dass ich das Interesse an meine eigene Figur verliere, dann sollte ich darüber mit der Gruppe sprechen und nach Kompromissen suchen. Unter Freunden geht das normalerweise auch ganz gut, denn diese wissen ja, was man gerne mag und für was man sich interessiert.

Natürlich, in rein zweckdienlichen Gruppen wie auf einer Con sieht die Sache anders aus, aber das ist dann vielleicht auch nicht der richtige Ort für das Ausspielen von internen Konflikt. Hier sollte man vielleicht eher bei neutralen Aspekten des Rollenspiels bleiben und sich erstmal ordentlich beschnuppern.

Offline felixs

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #19 am: 4.03.2019 | 18:16 »
Wir müssen uns alle viel mehr darüber klar werden, dass es sehr unterschiedliche Arten gibt, wie man spielen kann. Sonst wird es immer wieder frustig. Denn

ergebnisorientiert ("am Ende wollen wir eine Entscheidung und Action")

Mag zwar Konsens sein, aber der Teufel sitzt in den Details "Entscheidung" und "Action". Für beide Begriffe wird jeder am Tisch einen ganz anderen Assoziationsstapel mitbringen. Den gilt es zu analysieren.

Jo klar, dann haben wir zwei Leute, die sagen: "Wäre doch toll, wenn unsere beiden Charaktere das so machen, wie ich es mir vorstelle ...".

Das Problem sehe ich auch so.

Welche Option hat man, außer Reden?

Ich sehe auch nicht, wie ein Regelwerk das lösen soll. Ein Regelwerk mit Konfliktmechanismen baut darauf auf, dass gerade diese Konflikte Teil des Spiels sein sollen und gerade die Konflikte im Spiel interessant sind. Hört sich aber alles für mich nicht so an, als ob das hier der Fall wäre. Vielmehr scheint es darum zu gehen, dass die Spieler untereinander darüber in Konflikt geraten, was in der Spielwelt passieren soll. Wüsste nicht, wie Regeln (die man dann ja auch wieder akzeptieren muss) da helfen sollen.

Der Grund ist dafür dann eher, dass die Spieler zwar ihre Charaktere ausspielen, diese aber nicht dynamisch sind, also sich nicht verändern können oder sollen... oder zumindest nur exakt so, wie der Spieler es will! Hier ist ein Problem, dass ich bei einigen Spielen sehe, wo die Spieler davon ausgehen, dass sie volle Kontrolle über ihren Charakter haben: Sie ignorieren oder akzeptieren nicht, dass ihr Charakter auch durch Aktionen ihrer Mitspieler verändert werden kann oder sollte.

Es ist aber doch auch problematisch, wenn die Entwicklung der Figur von aussen vorgegeben werden soll.
Zumindest ist das etwas, was man vorher (und wahrscheinlich auch zwischendurch) kommunizieren muss. Ob das dann überhaupt allen gefällt, ob es, konkret, dem betroffenen Spieler gefällt, steht doch auf einem ganz anderen Blatt.
Ich würde diese Art von Entwicklung auch nicht mögen. Und ich halte sie auch nicht unbedingt für plausibel. Die Beeinflussbarkeit von Personen ist sehr unterschiedlich - nicht jeder Polizist ist korrupt, nicht jeder Polizeianwärter lässt sich korrumpieren. Und nicht jeder, der sich nicht korrumpieren lässt, fliegt deshalb raus.

Es hängt sicher auch wieder viel an den Erwartungen an die Spielwelt, also an der Frage nach dem gemeinsamen Horizont.
« Letzte Änderung: 4.03.2019 | 18:23 von felixs »
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Offline YY

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #20 am: 4.03.2019 | 18:42 »
Kann man von Spielern mit unterschiedlichen Spielarten erwarten, ergebnisorientiert ("am Ende wollen wir eine Entscheidung und Action") an eine solche Szene heranzugehen?

Ja, kann man.
Zumindest dann, wenn von Anfang an deutlich war, dass das wie zu Beginn des OP beschrieben Spielfokus ist.
Wer dabei immer noch stumpf auf seinem Standpunkt bzw. auf einer auf die eigene Spielfigur verengten Perspektive beharrt, hat die Prämisse nicht verstanden oder nicht akzeptiert. An der Stelle gibt es dann auch keine tollen Tricks und Kniffe für den SL, das müssen die Spieler schon von sich aus bringen - und dafür erst mal merken, dass es da vielleicht ein bisschen mehr "author stance" braucht als beim 08/15-Rollenspiel ohne diesen Fokus.

Wir müssen uns alle viel mehr darüber klar werden, dass es sehr unterschiedliche Arten gibt, wie man spielen kann.

Diese Art von Spiel kann man auf genau eine Weise bzw. unter genau einer Voraussetzung funktional spielen (siehe Lord Verminaard und KhornedBeef). Wenn das mit anderen Haltungen/Herangehensweisen funktioniert, ist es ein glücklicher Zufall - und ist mit dieser Spielprämisse zumindest auf mittlere Sicht ziemlich ausgeschlossen, weil es sich mit vielen "üblichen" Spielarten beißt. 
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline felixs

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #21 am: 4.03.2019 | 18:50 »
Zumindest dann, wenn von Anfang an deutlich war, dass das wie zu Beginn des OP beschrieben Spielfokus ist.

Mir ist nicht deutlich geworden, dass das explizit beschrieben worden wäre.
Wenn dem so ist, dann stimmt natürlich auch Deine folgende Aussage:

Diese Art von Spiel kann man auf genau eine Weise bzw. unter genau einer Voraussetzung funktional spielen (siehe Lord Verminaard und KhornedBeef). Wenn das mit anderen Haltungen/Herangehensweisen funktioniert, ist es ein glücklicher Zufall - und ist mit dieser Spielprämisse zumindest auf mittlere Sicht ziemlich ausgeschlossen, weil es sich mit vielen "üblichen" Spielarten beißt.
[/quote]

Meine Ausführungen ergeben natürlich nur dann Sinn, wenn nicht explizit diese Art von Spielweise vereinbart war. Wobei ich Schwierigkeiten habe, dem bisher hier Geäußerten eine ausreichend klare und ausführliche Definition von "diese" zu entnehmen.

Ich stimme aber natürlich zu, dass es sinnvoll ist, sich auf eine Spielweise zu einigen. Darauf kann man sich dann bei Gesprächsbedarf zwischendurch auch immer beziehen.

In meiner Spielerfahrung bin ich immer wieder über zwei Sachen überrascht:
Erstens: Wie oft es vorkommt, dass Leute überhaupt kein Bewusstsein dafür haben, dass es unterschiedliche Spielweisen gibt.
Zweitens: Wie oft Leute darauf insistieren, dass es ganz selbstverständlich sei, dass die gerade gespielte Situation genau auf eine bestimmte Art zu spielen sei, weil das ja ganz klar sei und jeder verstehen müsse, dass das nur so sein könnte. (Es gibt absichtlich kein Argument in meinem Satz).
« Letzte Änderung: 4.03.2019 | 18:53 von felixs »
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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #22 am: 4.03.2019 | 19:29 »
Kann man von Spielern mit unterschiedlichen Spielarten erwarten, ergebnisorientiert ("am Ende wollen wir eine Entscheidung und Action") an eine solche Szene heranzugehen?

Ja, kann man. Bisher wurde von mir als SL immer erwartet, für Plots zu sorgen. Dann erwarte ich auch eine Grundmotivation, diese zu bespielen. Aber auch dem Neuling in deinem Beispiel ist ja grundsätzlich daran gelegen, den Täter zu überführen.

Ich denke, das Grundproblem, dass du in der Szeme sschilderst, sind komromisslose Spieler; bzw Spieler, die vorsätzlich kompromisslose Charaktere spielen. Das ist in einem kooperativen Spiel immer problematisch.

In dem konkreten Beispiel allerdings, im Interesse des Spielfortgangs: Ich hoffe doch, einer der beiden (vermutlich der Alte) hat schlicht einen höheren Rang und sagt: "Wir machen das jetzt so. Ne Beschwerde einreichen kannst du nachher immer noch." Wenn man Dramaturgie und Lerneffekte mag, kann die Reaktion auf diese Beschwerde ja pädagogisch wertvoll sein. ;)

Leider hilft das der Standard-Mörderhobo-Gruppe mit der Befehlshierarchie einer durchschnittlichen Schimpansenhorde kein Stück weiter...
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline felixs

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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #23 am: 4.03.2019 | 19:33 »
Ja, kann man. Bisher wurde von mir als SL immer erwartet, für Plots zu sorgen. Dann erwarte ich auch eine Grundmotivation, diese zu bespielen. Aber auch dem Neuling in deinem Beispiel ist ja grundsätzlich daran gelegen, den Täter zu überführen.

Aber es geht doch hier nicht um die grundsätzliche Weigerung, den Plot zu bespielen.
Es geht darum, wie der Plot bespielt werden soll und darum, dass die Spieler unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie man das machen soll.

Wenn es tatsächlich darum geht, dass das ganze als Spielleiter frustig ist, dann hilft nur ein Gespräch und ggfs. eben der Hinweis, dass man jetzt bitte irgendwas sinnvolles machen möge und dass das so wie gerade geplant nicht funktionieren wird. Hatte ich ja oben auch schon vorgeschlagen.
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Re: Differenzen und Dilemmata
« Antwort #24 am: 4.03.2019 | 20:45 »

Option A: Wiederholung von 3 und 4 so lange, bis der Killer abhaut und die Chance vertan ist. Veteran ist sauer auf Neuling. Neuling sieht keinen Fehler ein. Keine Charakterentwicklung.?
Hat der Neuling einen Fehler begangen?
Es gibt Gründe warum so was geht und wann nicht

13 sonstwas wird von GiV normalerweise außer Kraft gesetzt


Zitat
Option B1: Der Veteran bekommt ordentlich aufs Maul und der Killer entkommt. Veteran: "Das wär alles nicht passiert, wenn du mir geholfen hättest." Neuling: "Das wär alles nicht passiert, wenn du auf mich gehört hättest". Keine Charakterentwicklung.
Warum nicht?

Zitat
Option B1: Der Veteran stellt den Killer allein. Der Neuling denkt weiterhin, dass das unrechtmäßig ist, und sabotiert dem Veteran damit seine Ermittlungen, indem er ihn verpetzt,

Warum nicht? Der Veteran könnte aus der Disziplinierung lernen?
Der Neuling hat das richtige getan

Du gehst da immer mit Neuling hat Unrecht, Veteran hat Recht ran wieso?
Nach deiner Beschreibung könnte ich Veteran als Verantwortungslos handelnde loose gun verstehen.
Veteran stürmt unbedacht los, dadurch sterben Geiseln und Mitglieder der Spezialeinheit die diese retten wollten oder die Undercovercops fliegen auf, danke 8 Monate Lebensgefahr umsonst

Bei einem Rambocop würde ich dessen Spieler fragen warum er nicht im Knast sitzt oder auf der Strasse oder warum er nur hinterm Schreibtisch sitzt dauerhaft im niedrigst möglichen Rang

Liegt der Fehler (auch?) beim SL?
Krassestes mir bekanntes Beispiel:
SL Probleme Diskussion
SC ist Lord zu Treue verpflichtet, Lord ermordet Familie des SC, SL bestraft SC weil dieser dem Lord nicht die Treue hält und wirft dem Spieler schlechtes Spiel usw vor
SL ist völlig überrascht als ich ihm klar auseinandersetze das er voll unter Regel 0 fällt

Edith sagt: normalerweise haben beide   bei sowas genauso recht wie unrecht
« Letzte Änderung: 4.03.2019 | 20:48 von Lichtschwerttänzer »
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”