Wenn im Rollenspiel die Beziehungen und Entwicklungen von Protagonisten im Fokus stehen, werden ja oft Unterschiede in den Idealen, Moralvorstellungen und Tabus beleuchtet.
Was kann da von Spielleitern und Spielern erwartet werden, damit daraus ein interessantes, mitreißendes Spiel wird?
Ich beobachte leider zunehmend, dass Leute auf den Werten / Nachteilen / etc. ihrer Protagonisten beharren und das Spiel dadurch festfährt.
Beispiel Polizeiserie: Der idealistische Neuling und der abgehalfterte Veteran tun sich zusammen, um einen Serienkiller zu stellen.
Die ideale Blümchenvorstellung: Es werden verschiedene Szenen angespielt, in denen die Wertevorstellungen der beiden aufeinanderprallen. So lernt der Neuling, dass es nicht immer nur schwarz und weiß gibt und es oft einen Unterschied zwischen dem gibt, was im Polizeihandbuch steht und was zu einem guten Ende für alle führt. Der Veteran wird zunehmend von dem Idealismus seines Partners angesteckt und gerät wieder auf die richtige Bahn.
Am Ende ist der Killer gefasst, der Neuling kann der Frau seiner Träume einen Antrag machen und der Veteran kommt von seiner Heroinabhängigkeit runter. Danach sind die beiden ein tolles Duo (oder die beiden heiraten, was auch immer
).
Was ich in letzter Zeit oft habe:
1 Veteran: "Okay, der Kerl ist da drin. Wir wissen, dass der Staatsanwalt uns keinen Durchsuchungsbefehl geben will/kann, aber das ist unsere einzige Chance."
2 Neuling: "Das glaube ich nicht. Wir müssen uns an die Vorschriften halten, also müssen wir den Staatsanwalt erstmal überzeugen."
3 Veteran: "Das dauert aber zu lange."
4 Neuling: "Wir müssen uns aber an die Vorschriften halten."
Option A: Wiederholung von 3 und 4 so lange, bis der Killer abhaut und die Chance vertan ist. Veteran ist sauer auf Neuling. Neuling sieht keinen Fehler ein. Keine Charakterentwicklung.
Option B: Veteran schickt den Neuling Formulare holen und bricht selbst in die Bude ein. Je nach Würfelglück haben wir dann:
Option B1: Der Veteran bekommt ordentlich aufs Maul und der Killer entkommt. Veteran: "Das wär alles nicht passiert, wenn du mir geholfen hättest." Neuling: "Das wär alles nicht passiert, wenn du auf mich gehört hättest". Keine Charakterentwicklung.
Option B1: Der Veteran stellt den Killer allein. Der Neuling denkt weiterhin, dass das unrechtmäßig ist, und sabotiert dem Veteran damit seine Ermittlungen, indem er ihn verpetzt, oder hält sich raus und lässt den Spieler des Veteranen den Kram von da an quasi allein machen. Aus der zweiten Option
könnte sich dann tatsächlich eine Charakterentwicklung ergeben (juchu!) zu dem Preis, dass der Spieler dann ne Weile lang nichts beiträgt und nur zuhören kann.
Soll der Spielleiter die Alternativen unterschiedlich gestalten, damit sich ein klare Tendenz einstellt (um das im-Kreis-diskutieren zu unterbinden), damit aber die Wahl der Spieler eingeschränkt oder zumindest in eine Richtung beeinflusst wird? Wenn das Szenario lautet "Wenn ihr da nicht reingeht, stirbt das nächste Ziel unweigerlich, aber eure Vorgesetzten glauben euch das nicht", driftet das Dilemma zwischen "Leben retten" und "Oh nein aber was ist mit Artikel 13 Absatz 2" ja doch eher ins Triviale ab (Extrembeispiel).
Kann man von Spielern mit unterschiedlichen Spielarten erwarten, ergebnisorientiert ("am Ende wollen wir eine Entscheidung und Action") an eine solche Szene heranzugehen?
Was ist, wenn im Spiel herauskommt, dass die gewünschten Ergebnisse der Spieler voneinander abweichen?
Ist eine (vorübergehende) Gruppentrennung oder eine Handlungsverweigerung eines Protagonisten ein akzeptabler Ausgang eines solchen Dilemmas?