Freilich fühlt sich Regelwerk X immer nach X an.
Das gilt aber für nicht-universelle Systeme genau so, nur nutzt man die seltener für fremde Settings. "Denkblockade" ist vielleicht ein zu starkes Wort, aber ich wundere mich immer wieder, wie sehr sich Leute danach richten, ob es ein einziges offizielles Setting für ein Regelwerk gibt oder ob es als generisch bzw. universell deklariert und damit quasi zur sonstigen Verwendung freigegeben ist.
Das ist genau der Grund, warum ich mir so schwer damit tue, für das EWS ein "offizielles" Magiesystem zu bauen. Das gehört eigentlich zur Welt.
Aber leider ist ein gutes Magiesystem gleichzeitig genug Arbeit, dass das nicht so einfach geht …
Ich find auch, dass bestimmte Regelelemente speziell für die Abbildung einer Spielwelt gedacht sind.
Bei Mythras merkt man das mMn ganz stark: Die Regeln bieten einen Rahmen. Die Feinjustierung MUSS von der Spielleitung bzw. der Gruppe vorgenommen werden. Eigentlich schrittweise (ggf. vorausschauend), so wie man es gerade braucht. Das sind dann so Fragen: Wie regenerieren sich Magiepunkte? In welche Tiergestalten konkret kann sich ein Animist mit Gestaltwandel-Geist verwandeln?
Wenn man das nicht macht oder die SL das dann erst während des Spiel nach eigenem Gutdünken entscheidet, dann kann das gut und gern schief gehen, weil das Fragen sind, die auch die Figur von Spieler.inne.n betreffen. Man könnte auch sagen, dass die Regeln stellenweise eher ne Bastelanleitung für konkret benutzbare Regeln sind. Das ist auch bei den Settingbänden so. Das Spiel funktioniert ohne eigene Feinjustierung nicht.
Genau darum gehts mir:
Ich kann mit jedem System ein beliebiges Setting bespielen, solange dessen ursprüngliches System den gleichen Spielstil verfolgt bzw. so lange das neue System den Spielstil bedient und den Detailgrad hat, den ich anstrebe.
Es ist natürlich naheliegend, dass ich dafür ein System nehme, das mir möglichst wenig Anpassungsaufwand macht. Der Witz ist dabei, dass das nicht immer die Universalsysteme sind, sondern auch mal ein "normales" System, bei dem ich das ursprüngliche Setting außen vor lasse.
Ja, natürlich ist das so. Trotzdem werde ich - wenn ich die Wahl habe - z.B. Warhammer eher auf Rennaissance denn auf Runequest Glorantha portieren. Ich muss da nicht erst die ganzen glorantha-spezifischen Regeln (z.B. Runen) aussortieren und kann dann erst damit beginnen Regeln für Warhammer umzubauen. Zudem is Renaissance auch as generisches Regelwerk für die frühe Neuzeit konzipiert.
@ Warum Settingbücher für ein System beliebt sind:
Wenn's ein Settingbuch für ein generisches Rollenspiel gibt, dann spare ich mir fast beide Schritte (Aussortieren und Neukonzipieren), aber noch nicht ganz. Ein paar Brüche gibt es immer noch. Ganz spare ich mir das erst, wenn Setting und Regeln zusammen daher kommen. Den Unterschied habe ich bei dem Settingbuch Dark Streets für Renaissance im Vergleich mit dem Vollregelwerk Dark Streets 2nd durchaus gemerkt.
Ob dieses ganze "Schritte-Sparen" überhaupt relevant ist hängt natürlich auch davon ab, wie sehr ich das Setting über generelle oder detailschafte Settingregeln abbilden will.
Was allerdings wiederum gegen
generische oder universelle Regelwerke spricht: Die Bauelemente müssen auch passen, für das, was ich vorhabe. Das ist - von der Struktur her - nicht immer der Fall. (Bei mir hat die Lego/Backstein-Struktur GURPS irgendwie nie so recht gepasst. Die Weidenruten-Struktur von Mythras funktioniert für mich besser.) Im Zweifelsfall kann man mit einem
mehrfach implementierten nicht-generischen System durchau auch mal besser fahren. Auch weil man da beobachten kann, wie Settingspezifika konkret abgebildet sind. Das hat den abstrakten Charakter einer Blaupause. Tatsächlich hab ich auch vor, WFRP auf Maelstrom zu konvertieren und nicht etwa auf OpenQuest oder Mythras. Wenn ich jedoch ein eng
setting-verzahntes Regelwerk als Zielsystem habe, stehe ich vor der Schwierigkeit, ggf. gar nicht so genau einschätzen zu können, welche Regelelemente zur Abbildung des Settings dienen und welche Kernregeln sind.
OK. Dazu muss ich auch nochmal ausholen. 1of3 hat mal den schlauen Gedanken gebracht, dass Settingsetzungen eigentlich auch Regeln sind, aber auf anderer Ebene. Es gibt also
A) regelhafte Settingsetzungen und
B) Spielmechanismen:
Der Kern der Spielmechanismen dient der Grundstruktur des Spiels und ist erstmal nicht so wirklich settingrelevant, sondern nur spielstilrelevant. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen die Spielweltfakten als ebenfalls etwas Regelartiges. Und im Zwischenraum passieren die Verflechtungen zwischen Spielregeln und Setting.
Wenn man jetzt konvertiert muss man nicht nur diese
Verflechtungen des Settings vom zugehörigen Regelwerk lösen, sondern man muss es mit dem neuen Regelwerk auch neu verbinden. Dafür bieten generische oder universelle Systeme in der Regel mehr Werkzeuge an. Je grober die Neuverflechtung mit einem generischen oder universellen Regelwerk stattfindet, desto mehr fühlt sich etwas "gleich wie andere Kombinationen mit dem generischen Regelwerk an". Je filigraner die Verfelchtung ist, desto schwächer wird das "same-y". (Wobei das natürlich nicht beliebig funktioniert. Es kommt schon drauf an, welche Detailschärfe a) erwünscht ist und b) das Zielregelwerk zulässt.)
Und natürlich ist das auch alles eine Frage von Übung, Erfahrung und persönlichen Präferenzen.
1) Universelle oder generische Zielsysteme haben ihre Vorteile, laufen aber Gefahr, dass sich jedes mit ihnen Bespielte Setting gleich anfühlt.
2) Mehrfach implementiere Zielsysteme haben den Vorteil, dass man settinggebundene Spielregeln und Kernregeln als etwas unterscheidbares sehen kann.
3) Settingverbundene Zielsysteme machen potentiell am meisten Arbeit, aber es geht auch.
Manchmal kann man auch auf alle drei zurückgreifen. Beispiele: Fate & Runequest
1) Fate Core, Fate Accelerated
2) Bulldogs, Diaspora, Dresden Files
3) Starblazer Adventures, Jadepunk
1) Mythras, OpenQuest, Renaissance
2) River of Heaven, The Age of Shadows, Dark Streets 2nd, Clockwork & Chivalry
3) Runequest Glorantha
... ich hoff das war noch verständlich. Die Gedanken (Wegschneiden und Neuschaffen) haben mich jedenfalls schon ein bißchen weitergebracht in Bezug auf den geplanten OSR/4E-Hybriden.