Ich finde die Definitionen hier verdammt spannend, auch wenn es mir gerade schwerfällt, meine Sichtweise in Worte zu fassen.
Für mich hat "optimistisch" weniger mit Helden und nur auf den zweiten Blick etwas mit der Atmosphäre zu tun, sondern es geht vorrangig um eine optimistische Weltsicht, die im Kern des Konzepts verankert ist – was sogar im kompletten Gegensatz zu dem stehen kann, was die Autoren vielleicht ausdrücken oder erreichen wollten. Es gibt betont "düstere" Systeme, die ich als ziemlich optimistisch wahrnehme und eine MENGE an "positiveren" Settings, die dem Optimisten in mir den Magen umdrehen.
Ich tue mich bspw. sehr schwer, ein klassisches Fantasy-Setting, in dem die strahlenden Helden den Tag retten, nur auf dieser Grundlage als "optimistisch" zu bezeichnen, weil es für mich wahlweise sehr unangenehme Implikationen über die Welt mitbringt oder aber ein Maß an Eskapismus vertritt, das dann wiederum selbst mit solchen Implikationen um sich wirft. Was übrigens auch keine bewusste "moralische" Entscheidung oder sowas ist, sondern mehr ein Gefühl.
Wenn ich bspw. in einem "optimistischen" Fantasy-Setting für Kinder einen lachenden Helden-Zwerg mit langem Bart und großer Axt sehe, sehe ich immer noch jemanden, der andere tötet, und zwar auf eine betont brutale Art und Weise. Wenn es um den "Kampf gegen das Böse" (tm) geht, gibt es offensichtlich etwas eindeutig "Böses" (tm), was für mich schon mal ganz grundlegend keine optimistische Weltsicht ist.
Das heißt aber NICHT, dass ein optimistisches Spiel keine axtschwingenden Heldenzwerge enthalten darf – die Frage ist viel eher, wie sie dargestellt werden, wie das Spiel und das Setting sie sehen. Für mich ist es bspw. deutlich optimistischer, wenn diese Gewalt als problematisch oder als Notlösung dargestellt wird, oder wenn diese Zwerge tragische Figuren sind, deren Geschichte in Blut getränkt ist. Das heißt noch mal: Ein "düsteres" Spiel kann für mich sehr gut optimistisch sein, wenn die dahinterstehende Weltsicht dazu passt.
Ich hoffe übrigens auch, dass meine eigenen Spiele in diese Kategorie passen, denn auf pessimistische Spiele hätte ich ja mal überhaupt keinen Bock. In meinen Spielen wird gelitten, grundlos gestorben und getötet, ausgenutzt und moralisch fragwürdig gehandelt, gerade auch auf Seite der Protagonisten, aber im Kern steht (hoffentlich) immer die Idee, dass es all das wert ist, dass man das Beste daraus machen und am Ende besser dastehen oder wenigstens einen guten Abgang haben kann.
Ich gebe mal ein Beispiel, das mich ewig faszinieren wird: Overwatch. Kein RPG-Setting, aber es könnte eins sein. Wer dieses Videospiel nicht kennt, muss einfach mal die Bildersuche anwerfen, um sich einen Eindruck zu machen.
Overwatch legt VIEL Wert darauf, nicht düster, sondern offen heraus optimistisch und sogar hoffnungsvoll zu sein. Das wird auch in Interviews so verkauft, als Alleinstellungsmerkmal in der Videospielbranche. Und auf der Oberfläche funktioniert das auch, mit bunten, satten Farben und sympathischem, Pixar-esquem Charakterdesign, mit Helden, die für eine bessere Zukunft eintreten. Auch unter der Oberfläche gibt es ein paar Grautöne, die ich als optimistisch verstehen würde: Viele Helden haben tragische Hintergrundgeschichten oder Probleme, raufen sich aber trotz allem zusammen, weil die Welt am Abgrund steht. Die Darstellung von Technik ist auch durchweg optimistisch, weil nur der fragwürdige Umgang der Menschen mit dieser Technik eine negative Facette einbringt, die aber niemals die einzige oder prominenteste ist. (Der Omnic-Konflikt verkörpert das praktisch, und der Fakt, dass auch die noch so glänzenden Helden vollgepackt mit Cyberware sind.) Überhaupt: Die Hauptkonflikte des Settings haben Hintergrund, sie haben Gründe, und selbst die Antagonisten sind kein namenloses Böses.
That beingt said ... Selbst Tracer schießt ihre Gegner über den Haufen, jagt ihnen lachend und mit lustigen Sprüchen Kugeln in den Kopf. Es gibt nicht viel Blut und ganz bestimmt keine dicke Gewaltdarstellung, aber genau das ist für mich nicht optimistisch, sondern eskapistisch, im negativen Sinne. Außerdem gibt es auch definitiv keine gewaltlosen Versuche, die Konflikte im Spiel zu lösen. Auch das ist für mich negativer Eskapismus. Das Lore betont zwar, dass die "Guten" das bereits getan haben und immer wieder tun ... aber das ist nicht das Spiel, nicht der Kern der Geschichte. Im Spiel bist du an der Stelle, wo die Konflikte nur noch mit Gewalt gelöst werden können, an der die tragischen Helden in ihrer Position verkrusten – und das gerechtfertigt ist! –, an der es nur noch ums Gewinnen geht. Spätestens an dieser Stelle würde ich das Spiel (!) nicht mehr als optimistisch bezeichnen. Es vertritt eine Weltsicht, in der das Gute wortwörtlich gewinnen muss, und zwar mit Gewalt.
Ergänzung 1: Mir geht es nicht um "realistisch" oder sowas. Ob ein Konflikt in der Realität mit Gewalt gelöst werden könnte oder nicht, ist eher zweitrangig. Mir geht es um "optimistisch", um die Weltsicht, die das Spiel ausdrückt, um ein positives Bild von Mensch und Menschheit. Und das kann dann durchaus wieder realistisch sein, oder auch nicht. Aber auf jeden Fall ist es optimistisch.
Ergänzung 2: Ich mag Eskapismus, vor allem wenn die Phantastik nutzt, um über reale Probleme nachzudenken. Wenn es dem Eskapismus allerdings darum geht, die Realität möglichst effektiv zu ignorieren oder zu vereinfachen, dann ist er für mich tiefgreifend pessimistisch. Schließlich braucht es einen solchen Eskapismus nur, wenn man die Welt als so grundlegend schlecht erachtet, dass man gänzlich aus ihr flüchten will – und ich behaupte mal, wer die Welt so sieht, ist auch außerstande, ein wirklich optimistisches Spiel zu schreiben.
Edit: Woodman hat mit Doctor Who ein Setting genannt, das ich ebenfalls als größtenteils optimistisch wahrnehme, um auch mal noch ein richtiges Positivbeispiel zu nennen. ^^