Anbei ein Artikel zu Horror im Rollenspiel von J.R. Zambrano:
https://www.belloflostsouls.net/2019/04/rpg-add-some-horror-to-your-games.htmlIch fasse hier den Inhalt grob zusammen:
J.R. Zambrano nimmt in seinem Artikel Cuthulu Dark (im Vergleich zu eher actionlastigen Cuthulu RPGs) als Ausgangspunkt.
Als Voraussetzung für Horror im Rollenspiel ist zunächst die Prämisse, dass man sich auf das Gefühl der Machtlosigkeit der SCs als Spieler einlässt. Es geht eben nicht, wie in vielen anderen Rollenspielen, darum, der strahlende Held zu sein.
(Persönlicher Einschub: Es geht bei Horror mMn nicht darum, dass
der Spieler selbst sich fürchtet, das wäre absurd. Viel mehr möchte man, wie bei
jedem(?) vielen anderen Rollenspielen auch, dass der man sich als Spieler empathisch auf seine Figur einlässt und so quasi stellvertretend am Leid der Figur teilnimmt. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob der SC dem Spieler sympathisch ist. Da er eben nicht der strahlende Held ist, macht es durchaus auch Spaß, einen Charakter zu nehmen, der einem selbst zutiefst unsympathisch ist.)
Der Autor stellt drei grundsätzliche Optionen für Horror dar:
1) Die Helden überleben nach großen Mühsal. (Evil Dead, Alien, Scream usw.)
2) Letztlich gehen die Protagonisten zu Grunde. (Event Horizon)
3) Die Protagonisten sind selber die Monster. (District 9; ich würde auch American Psycho dazuzählen)
In seinem Artikel geht er primär auf die zweite Option ein.
Dabei stellt er fest, dass hier durchaus die Spielmechaniken eine Rolle spielen. Wenn die typischen klassischen Mechaniken wie Trefferpunkte, Rüstung usw herausgenommen werden und sich das Spiel somit nicht mehr um das Gewinnen oder Verlieren (von Kämpfen) dreht, eröffnet man den Spielern Möglichkeiten mit dem Scheitern ihrer SCs die Geschichte voranzubringen. Für diese Art von Horror sind also insbesondere Spiele zu bevorzugen, die eher narrativ gespielt werden, weg vom reinen Monster töten. (Hier stellt er auch Bluebeards Bride als Vertreter dieser Art von Horrorrollenspiels dar.)
So kann beispielsweise das wiederholte Lesen einer Beschwörung die Charaktere mehr und mehr dem Wahnsinn verfallen lassen, aber nur so können die SCs die Kultisten aufhalten. Als weiteres Beispiel stellt J.R. Zambrano noch das Monster vor, dass den Spielern schlicht überlegen ist und nicht vernichtet werden kann. Die SCs können nur versuchen irgendwie zu überleben. (Das wäre dann eher Option 1.)
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Hierbei handelt es sich insgesamt um den "Horror von außen", der also den Protagonisten zustößt. Bluebeards Bride (nicht gespielt) und Kult: Divinity Lost (gespielt) bieten noch eine weitere Dimension des Horrors an. Der "persönliche Horror" stellt dabei die dunklen Seiten der SCs in den Mittelpunkt.
In Kult hat der SC ein Dunkles Geheimnis, das ihn antreibt. Dieses ist eher von narrativer Bedeutung. Spielmechanisch relevant sind die Nachteile, die jeder SC hat. Jeder Nachteil ist ein eigener Move.
Hier als Beispiel der Nachteil Fanatisch. (Übersetzung von mir; Anmerkung: es wird mit 2w10 gewürfelt.)
Nachteil: Fanatisch
Du bist ein eifriger Verfechter deiner Ideologie und teilst die Menschheit in Gut und Böse.
Du interpretierst alles über diese Weltsicht.
Wann immer etwas geschieht oder jemand etwas sagt , dass diese Ideologie in Frage stellt, würfel +0 :
(15+) Du kannst Deine Emotionen im Zaum halten.
(10–14) Du wirst wütend, verwirrt oder frustriert. -1 aufden nächsten Wurf.
(–9) Du bist gezwungen, entweder die Person oder die Situation zu ändern, um deine
Ideologie nicht zu gefährden, oder veringere deine Stabilität um (-2).
Weiterhin sind auch die Beziehungen zu anderen SCs und NSCs relevant für den persönlichen Horror. So haben die Aktionen des SCs immer auch Auswirkungen auf seine Umwelt. Jeder PC hat bei Kult in der Regel mindestens eine lebenswichtige und mehrere wichtige Verbindung zu anderen SCs und NSCs. Beziehungen sind zum einen eine Möglichkeit seine geistige Stabilität zu erholen. Andererseits aber kann sich die geistige Stabilität eines SCs auch verschlechtern, wenn die Person verletzt oder sonst wie ernsthaft gefährdet wird oder gar stirbt.
Das ist natürlich zunächst die rein spielmechanische Seite und geht mir persönlich schon fast wieder zu sehr in Richtung klassischen Ressourcenmanagement. Viel wichtiger ist die erzählerische Seite. Die NSCs müssen von der SL und den Spielern auch in die Geschichte sinnvoll eingebunden werden, auch die Beziehung zwischen den SCs sollte Bestandteil der Erzählung sein. Je tiefer die Beziehungen zwischen den Figuren ausgelotet wird, desto größer ist auch die Empathie zu dieser Person, wenn sie leidet oder stirbt. (Vergleiche den Tod eines Star Trek Red Shirts ("Er ist tot, Jim.") mit der Hinrichtung von Ed Stark.)
Wie eine Beziehung in Kult funktionieren könnte, hat Basilides in seinem Blog an einem beispielhaften SC-Pärchen von
Opfer und Täter dargestellt. (Achtung: So etwas zu thematisieren, mag einigen tatsächlich zu weit gehen. Das kann ich gut nachvollziehen, ich selbst würde diese Art von Beziehung zwischen SCs (oder SC und NSC) nur nach eingehender Diskussion mit meinen Mitspielern zulassen. (Gerade bei Horror sollte jeder Spieler ein Vetorecht haben.) Es ist aber eine gute Möglichkeit um zu sehen, was für Konstellationen zwischen den SCs möglich ist.)