Hat alles seine Berechtigung.
Ich möchte da noch etwas tiefer gehen, aber so oder so war das ein sehr wertvoller Post, denn da sind auf jeden Fall ein paar Ideen dabei, die mir gerade ernsthaft helfen, das Setting als durchkonzipiertes Design schätzen zu können. Danke also dafür! =D
aber beim Lesen habe ich da definitiv nicht dran gedacht
Ich glaube, das hier ist letztendlich mein großes "Ja, aber ...!", denn am Ende des Tages kam mir Eberron, rein subjektiv, nicht so vor, wie du es (offenbar treffend!) beschreibst. Jetzt könnte man sagen: Das ist aber mein eigenes Problem! Wo ich erwidern würde: Das kommt darauf an, welches Ziel dieses Buch verfolgt, oder genauer,
welche Rolle das Konzept erfüllen soll.
Es könnte ja bspw. sein, dass Eberron zwar eine liebevolle Hommage an einen Genre-Komplex sein soll, den der Autor mochte, aber am Ende das Tages einfach nur ein klassisches Fantasy-Setting. Dann sollte es für unbedarftere Leute wie mich auch so funktionieren, weil die Hommage eben nur ein Sahnehäubchen ist. So würde ich diese Rolle aber nicht sehen, zumindest nicht vorrangig; dafür sind die Genre-Anleihen zu präsent und es wird auch recht explizit gesagt, in welchen Geschichten und Tropen man Inspirationen findet. Oder anders gesagt, die Genre-Versatzstücke sind praktisch
eine Spielhilfe, eine Abkürzung: Wir kennen Indiana Jones & Co, also können wir doch einfach mal ein Abenteuer spielen, das in diese Richtung geht! Und das ist prinzipiell natürlich erstmal eine klasse Sache für ein Spiel, in dem man sich selbst Abenteuer ausdenken und eine passende Atmosphäre aufbauen soll. Genau wie bspw. alles in Planescape danach schreit, von den Ebenen selbst bis zu den Fraktionen, dass man sich mit Moral und Weltsicht beschäftigt.
Damit diese Spielhilfe helfen kann, ist es aber notwendig, dass man die Abkürzung auch findet, und dazu noch checkt, wie sie funktioniert ... was mir persönlich nicht gelungen ist, und gemessen an diesem Thread (ebenso wie an vielen anderen – eine gewisse "lauwarme" Reaktion auf Eberron haben ja so einige Spieler) war ich da auch nicht ganz alleine. Und ich behaupte mal: Eberron ist eigentlich auch nicht als obskures Spezialisten-Setting gedacht, bei dem man sich einfach mit einem "Ist halt so, git gud!" zufrieden geben könnte. Zumal weder der Autor noch die Wizards of the Coast einen Einfluss auf meine Medienkompetenz haben. 8D
Also bleibt die interessantere Frage: Wenn die Konzeptualität des Settings nicht das Problem ist,
was ist mein Problem? *derp* Und in Erweiterung: Wie hätte man es als Designer lösen können?
Und hier wird es schwierig – und natürlich spannend!
Ich sage direkt mal, dass ich keine klare Antwort habe, nur mehr oder weniger unsortierte Gedanken. ^^
1. Vermutung: Eberron tanzt auf zu vielen Hochzeiten, was ja auch irgendwo historisch verbürgt ist. Es will nicht nur ein durchkonzipiertes Ding aus Pulp und Fantasy sein, sondern dazu ein uuumfangreiches, lebendiges Fantasy-Setting, für das die Wizards bei Bedarf dutzende Erweiterungsbände rausbringen könnten. Und eine Leinwand für sämtliche Farben, die man mit D&D 3.5 pinseln kann. An einer dieser Stellen könnte das Konzept (für mich) Risse bekommen haben. Was gut sein kann; schließlich hat dieser Genre-Komplex, an der sich Herr Baker da bedient hat, durchaus seine Eigenheiten, und nicht alle mögen organisch zu den gerade genannten Ansprüchen passen – und wenn etwas nicht passt, gibt es eben einen Riss. ODER man versucht, einen Riss zu verhindern, oder ihn zu vertuschen, und verwässert damit das Konzept. Wenn ich bspw. an klassische Fantasy- oder gar Spielervölker als Stand-Ins für reale Menschengruppen denke ... Das kann im Jahr 200X doch eigentlich nur zu Dissonanzen führen, weil diese Gruppen in Eberron und in den inspirierenden Medien unterschiedliche Funktionen erfüllen. Vor allem: Weil Eberron jetzt halt ein "komplettes" Setting ist, in dem so a) ziemlich alles unterschiedliche Funktionen erfüllen kann und b) all diese Funktionen im Setting erklärt werden müssen, während die alten Geschichten klare Strukturen hatten und oftmals einen Fick darauf gegeben haben, irgendetwas zu erklären, und wenn doch, dann gerne mit noch festeren Strukturen (bspw. Rassismus). In einem gewissen Sinne definieren sie sich für mich persönlich sogar durch diese Strukturen, aber wahrscheinlich ist das nur wieder die mangelnde Ahnung. ^^
Beispiel: Shifter. Noble Savages, klingt gut! Aber Shifter in Eberron sind soooo viel mehr als dieses Klischee, alleine schon durch ihren Hintergrund, ihre Fähigkeiten, die Möglichkeit, sie mit allen möglichen Gesinnungen und Klassen zu spielen. Ich vermute zwar ganz stark, dass der Herr Baker da ein paar weitere kluge Entsprechungen und Metaphern eingebaut hat, aber am Ende des Tages kann einfach nicht alles passen. Was es für das
Setting (!) Eberron auch nicht muss – für das
Konzept Eberron aber irgendwo schon, zumindest in meinen Augen. Sonst wird es nämlich verwässert und verliert seinen Reiz, oder noch schlimmer, seine Fähigkeit, als Abkürzung und Spielhilfe zu dienen, weil wir es nicht mehr wiedererkennen. Die entscheidende Frage ist: Welche Art von Geschichte spiele ich denn, wenn es um einen Shifter geht, als SC oder NSC? Ist das wirklich noch klar und hilfreich? Oder ist es einfach nur ein Furry, wenn man nicht gerade den passenden Gedanken hat?
Vampire und vor allem die restliche WoD haben lustigerweise oft mit ähnlichen Problemen gekämpft, weil diese extensive Mythologie irgendwann so ziemlich alles hinter sich lassen musste, an dem sie sich anfangs noch orientiert hat. Es ist ziemlich leicht, jahrelang VtM zu spielen, ohne sich jemals wirklich mit der Vampir-Idee zu beschäftigen. ^^
2. Vermutung: Das Konzept "Eberron" wurde nicht gut genug kommuniziert. Vielleicht hätte man tatsächlich mehr stumpfe Wegweiser zur Abkürzung aufstellen müssen, die das Konzept bietet. Also bspw. einen anderen Namen, der auch mich als Pulp-Casual sofort an Pulp denken lässt. Vielleicht Infokästen, die erklären, welche Art von Abenteuer man mit Ding XY erzählt. Vielleicht sogar Beispielmedien, damit mediale Dummbatzen wie ich nicht erst rätseln müssen, an was sie sich orientieren sollen.
Aber dann stehen wir wieder vor der Frage aus Vermutung 1: Will man das überhaupt? Oder will man auch auf den Hochzeiten tanzen, die man ohne diese Abkürzung erreicht? Will man immer noch Abenteuer "erlauben" (heißt implizieren oder zumindest nicht ausschließen), die überhaupt nichts mit dem Konzept zu tun haben? Wollen die Wizards of the Coast überhaupt, dass ich bei Eberron an all diese Genre-Anleihen denke? Denn, seien wir ehrlich, das würde mich abschrecken. Ich bin schließlich ein filthy casual und kann damit gar nicht so viel anfangen. Ein Vanilla-Fantasy-Setting habe ich mir zumindest 200X noch angeschaut ... auch wenn es mich dann am Ende enttäuscht hat.
Und das ist
die Crux der ganzen Sache, oder? Wahrscheinlich passen Vermutung 1+2 sogar zusammen, vielleicht will Eberron alles so ein bisschen, aber nichts so wirklich 100%, und kommuniziert das auch so vorsichtig, weil alles andere wiederum Leute abschrecken würde. Und vielleicht ist das auch voll okay als Konzept, schließlich ist Eberron nicht gefloppt und hat seine Fans ... aber es ist definitiv nicht meins. Gebt mir ganz oder gar nicht, wenn es um meine Rollenspiele geht! Und wenn dann ein kleineres, fokussiertes Setting herauskommt – etwa Ravenloft, das die Idee "Fantasy+Genre" imho deutlicher durchzieht – ist mir das nur allzu recht. Oder man muss eben von Anfang an ein Konzept wählen, das breiter ist als nur die Orientierung an anderen Medien (die alle ihre Konventionen und Einschränkungen mitbringen). Wo wir bspw. wieder bei Planescape wären, denn das Konzept "Moral/Weltsicht" eignet sich imho deutlich besser, um eine riesige, in sich geschlossene Welt aufzubauen, die unseren modernen Sensibilitäten trotz allem irgendwo standhalten kann.
Spannend, danke dafür! =)