Jetzt einmal aus der Perspektive des Abenteuerautors betrachtet: ich bin gerade dabei, ein Abenteuer zu schreiben, in dem eine Reihe Polizisten oder Privatdetektive oder so eine Reihe von Morden untersucht. Mein Ziel ist es, die Charaktere hinterher vor das Dilemma zu stellen, dass sie die Motive des Täters verstehen und eventuell sogar gutheißen, andererseits die Methoden nicht. Die Frage, wie geht man mit dieser Situation um, sollte da zentral stehen.
Das Motiv, dass ich dachte, war, dass die Täterin vor einigen Jahren von den aktuellen Opfern vergewaltigt wurde und jetzt Rache nimmt. Ob sie durch die Tat vor einigen Jahren eventuell eine geistige Störung davongetragen hat, wäre eine Option, die die Taten eventuell sogar verständlicher machen würde.
Eine Regelung wie „Vergewaltigung darf nicht das Thema einer Rollenspielsitzung sein“ würde mich vor das Problem stellen, ein alternatives Motiv zu finden, das für die Charaktere ein ähnliches Dilemma hervorrufen würde. Das einzige, was mir im Augenblick einfällt, wäre, wenn die aktuellen Mordopfer damals das Kind der aktuellen Täterin ermordet hätten. Aber, wie in einem parallel laufenden Strang diskutiert, ist ja auch dieses Thema – Gewalt gegen Kinder – tabu.
Sollte ich dieses oder ein ähnliches Szenario auf einer Con leiten wollen, würde ich das gleiche Verfahren anwenden, dass ich bereits bei anderen Abenteuern mit entsprechend kritischen Themen benutzt habe: ich habe eine Liste mit möglichen Triggern (die nicht unbedingt alle im Abenteuer vorkommen) mehrfach ausgedruckt, bitte die Spieler, die Sachen zu markieren, bei denen sie die Chance sehen getriggert zu werden und sammle anschließend die „Stimmzettel“ wieder ein, die anonym bleiben, weil die Leute ja nur ein X oder auch mehrere machen. Wenn ich dann weiß, wo kritische Stellen sind, kann ich mein Abenteuer entsprechend anpassen.
Allerdings muss ich zugeben, dass auch diese Methode nicht hundertprozentig sicher funktioniert: auf einer Con habe ich das Cthulhu-Support-Abenteuer Upton Abbey geleitet, in dem
mit einem NSC als Opfer, der sogar zum Suizid führte - ein Thema ist. Ich hatte meine Liste vorher ausgeteilt und aus dem Rücklauf keine Warnsignale erhalten. Als die Investigation im Abenteuer dann die ersten Spuren fanden, die auf das Problemthema hinwiesen, bemerkte ich, dass ein(e) Mitspieler(in) erste Zeichen von Stress zeigte. Da ich diese Person kannte – ansonsten hätte ich die Anzeichen auch nicht erkennen können –, habe ich anschließend sofort das Abenteuer in diesem Bereich so weit entschärft wie es mir noch möglich war.
Hinterher kann diese Person zu mir und meinte: „ich dachte, das Thema würde mich nicht (mehr) berühren. Aber es scheint noch ziemlich tief zu sitzen“ und wollte sich noch ausdrücklich dafür entschuldigen, dass sie mich in diese Probleme gebracht hatte. Ich hingegen war nur froh gewesen, dass ich keinen schlimmeren Flash getriggert hatte.
Man sieht also, dass auch die Methode der Vorwarnung nicht immer hundertprozentig funktioniert.
Für Interessenten: meine Liste sah in etwa wie folgt aus:
Selbstmord
Spinnen
Schleim und Eiter
sexueller Missbrauch
Gewalt gegen Kinder
Clowns
Gewalt gegen Tiere
Folter
Drogen
große Höhen (Flug, Gebäude, o. ä.)
Alle diese Punkte habe ich bereits in Rollenspielsitzungen als mögliche Trigger erlebt. In meinen festen Runden halte ich natürlich auch mit bekannten Phobien oder ähnlichem Rechnung – glücklicherweise habe ich in meinen Runden niemanden mit Coulrophobie oder Arachnophobie, nicht einmal von Arachobutyrophobie ist mir etwas bekannt. Allerdings weiß ich, dass in meinen Runden jemand sitzt, der/die gelegentlich Anfälle von Ligyrophobie zeigt, was für mich den Einsatz von Soundeffekten manchmal ein klein wenig schwierig macht.
Und ja, ich habe die beiden Punkte Selbstmord und Blut ganz bewusst außen vor gelassen: mir ist bekannt, dass sie gegebenenfalls einen Spieler triggern können, aber bei diesen Themen finde ich es grundsätzlich ein Risiko, das die betreffende Person bewusst eingeht. Bei sehr heftigem Einsatz von Blut und Körperteilen (Gore) würde ich auch nicht den Weg über den Fragebogen nehmen, sondern die Warnung direkt in die Rollenausschreibung hinein setzen.