Ein paar Denkanstöße:
- Die Leiter
- Die Four Actions
- Die Four Outcomes
- Die 3 Phases bei der Charaktererschaffung
- Proactive, competent, dramatic Characters only
- Die Stuntschablonen
- Die Fudge-Dice
Das alles macht Fate zu Fate... auch ohne Aspekte.
Erstmal danke. Das sind tatsächlich mal ein paar Argumente / Stichpunkte, an denen man sich jenseits von bloßen Behauptungen abarbeiten kann. (Das meine ich völlig ernst.)
Vorweg noch mal meine Kernkritik und meine Behauptung:
Runden, die die Designziele von Fate und die Bedeutung des theoretischen Hintergrundes, den Fate liefert, verstanden haben (oder ohnehin schon verfolgen), brauchen Fate nicht. "Brauchen." Das bedeutet nicht, dass sie nicht mit Fate spielen könnten. Aber um das was sie wollen zu tun, ist es nicht zwingend notwendig. Denn in vielen konventionellen Systemen spielt sich das außerhalb der Regeln ab. In entsprechend getakteten Runden funktioniert das also ohne Regeln genauso gut wie mit Fate Regeln. Womöglich sogar besser. Das hängt in hohem Maße mit gleichen Vorstellungen des Settings und Spielstils sowie Kompromissbereitschaft und gegenseitigem Vertrauen zusammen. Erst wenn das nicht gegeben ist, benötigt man Regeln, um bei Problemen und Konflikten zu Abhilfe zu schaffen. Das ist, was Fate effektiv liefert. Und das hat seinen Preis.
Dieser Preis, der Umgang mit den Aspekten und die Punkteökonomie im Spiel sind es, was ich so an Fate kritisiere. Das ist - wie Rumpel sagt - eher Buchhaltung als freies Rollenspiel. Und dabei im Spiel sehr dominant. Was das meiner Meinung nach Bedeutet, wird vielleicht am Ende meines Posts klarer.
So, jetzt aber zu den genannten Punkten:
LeiterEin mir sehr sympathischer Ansatz von Fate, die Gesamtzahl an Fertigkeitspunkten, die ein Charakter hat, dauerhaft zu beschränken. Endlich mal Schluss mit Hochleveln. Abgesehen davon aber während der Spielsitzungen aber auch kein Unterschied zu anderen Systemen, in denen auch unterschiedliche Fertigkeitswerte bestehen. Darüber Hinaus wird auch in Fate Settings mit Alternativen zur Leiter gearbeitet (z. B. Säulen). Also kein entscheidendes Element. Und schließlich werden Levelling-Effekte dann über die mit den Fertigkeiten verbundenen
Feats Stunts erledigt. Und letztlich: Ich
muss in anderen Systemen nicht steigern. Ich kann das einfach weglassen und gleich mit besseren Charakteren anfangen. Auch andere Systeme bieten ein ähnlich rudimentäres Fertigkeitensystem, und man muss das ja auch mögen. Aber zugegeben: ist in der Form schon spezifisch Fate.
Four Actions / Four OutcomesWunderbarer theoretischer Abriss darüber, wie Aktionen und Fertigkeiten in Rollenspielen generell angelegt sind und funktionieren. Finde ich wirklich gut!
Wenn man sich aber eine ganze Reihe von anderen Systemen anschaut, stellt man fest, dass doch im Grunde dasselbe implizit schon hinter deren Fertigkeitensystem steckt. Sicher, ältere Systeme haben da vielleicht noch eine etwas binärere Abstufung zwischen Erfolg und Fehlschlag. Aber auch da gibt es immer wieder abgestuftere Ergebnisse oder unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten für Fertigkeiten. Es ist also schön abstrahiert, was in Rollenspielen so passiert. Nette
meta-Analyse. Aber gerade weil es eine Abstraktion ist, ist es nichts, was nicht in (fast?) allen Rollenspielen steckt. Nur dass es einem dort nicht in abstrakter interpretationsbedürftiger Form permanent unter die Nase gerieben wird.
3 Phasen bei der CharaktererschaffungGut gelungen, um die Hintergründe der Charaktere spieltauglich anzulegen und für das Spiel mehr ins Rampenlicht zu stellen. Gibt es in anderen Systemen aber auch ähnlich (Conan 2d20 etc.). Zur Henne-Ei-Frage siehe den nächsten Punkt.
Ausschließlich Proaktive, kompetente CharaktereÜber die Phase der 80er und 90er mit inkompetenten Charakteren sind doch die meisten RPGs inzwischen hinaus oder? Wieder: Ich sage nicht, dass Fate da nicht
recht hat. Ich kann nicht beurteilen, wie viel Einfluss Fate (oder die Forge) auf andere aktuellere Spiele da hatte. Aber umgesetzt wird das mit den kompetenten Charakteren doch in vielen Systemen inzwischen. Und inaktive Charaktere? Welches System funktioniert denn damit (gut)? Fate funktioniert damit gar nicht und zwingt die Gruppe, das zu tun, richtig. Für manche Gruppen mag das gut sein. Meine Behauptung ist aber ja: Gruppen, die das können, brauchen diese Unterstützung dazu nicht. Und durch die Punkteökonomie sind solche Gruppen dann (logischerweise) bei Fate auch weniger Flexibel, als wenn man Systeme ohne Metaregeln/Punktesysteme für diesen Bereich spielt. Denn ohne Punkteressource entfällt auch der abstrakte Hinderungsgrund.
Hinzu kommt, dass Fate ja einen
permanenten Aktivitätszwang liefert. Und für Gruppen die damit nicht zurecht kommen, funktioniert Fate dann gar nicht. Fate ist in der Hinsicht wenig flexibel.
StuntschablonenDie Schablonen an sich sind eine praktische Sache, unbenommen. Aber sie sind doch letztlich auch wieder eine Abstraktion dessen, worauf viele andere Systeme unter der Haube auch wieder basieren. Also auch hier: die Abstraktion ist das besondere, nicht der Inhalt. Sie bringt eine gewisse Freiheit, kostet aber auch ein gewisses Maß an Denkaufwand. Werfe ich z. B. einen Blick in das Ubiquity Regelwerk stelle ich fest, dass die Talente dort auf beinahe genau denselben Mechanismen beruhen, wie die Stunt Schablone bei Fate das vorgibt. Letztlich "skinne" ich damit doch meinen Mechanismus nur auf eine gewisse Art und weise, so wie es auch in anderen Systemen ist. Und gerade die mächtigeren Stunts sollten ja auch wieder mit Fate-Punkten bezahlt werden, sind also sehr wohl damit verbunden.
Fudge DiceFudge Dice machen Fate zu Fate? Da wird sich Steffan O'Sullivan aber freuen.
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Natürlich bedeutet all das jetzt nicht, dass nicht die
Kombination aus den von dir genannten Elementen schon ein recht spezifisches Spielgefühl erzeugt. Also "typisch Fate" ist.
Dennoch sind es doch wohl 1) die Aspekte in ihren verschiedenen Erscheinungsformen und 2) die Punkte(ökonomie), mit denen man sich während des Spieles doch wohl am meisten beschäftigt und die den größten Einfluss auf das Spielgefühl haben. Schlicht weil sie mit so ziemlich allen anderen Punkten verzahnt sind und am meisten Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.
Aus den oben genannten Punkten stellt sich für mich der größte Verdienst von Fate darin dar, dass Fate einen tiefen theoretischen Blick auf Rollenspiel erlaubt und so ein aus allgemeinen Rollenspielelementen abstrahiertes, stützendes Gerüst bietet. Das tut es gut. Das kann man in allen Rollenspielen brauchen und anwenden.
Aber es verzahnt dieses Verständnisgerüst aus abstrahierten, vereinheitlichten Aspekten so eng mit einer Mechanismen und einer Ressource zur Anwendung, dass es - je nachdem, wie man es betrachtet - eher ein einengendes Korsett ist.
Denn diese Mechanismen mit Bezug auf Aspekte und Fate-Punkte sind im Grunde doch nur nötig, wenn es ohne Regeln nicht geht. Und sind außerdem ein zweischneidiges Schwert. Und wenn ich sie weglasse, dann nutze ich einen (den) Großteil von Fate nicht. Das wäre wie klassen- oder Feat-loses D&D - einfach nicht dasselbe. Und die anderen Elemente sind nichts, was ich nicht in anderen Systemen (auch in ähnlicher Kombination) bekomme. Brauche ich also kein Spotlightbalancing und Storyressourcenmanagement, dann brauche ich Fate nicht. Fate ist eine Storytellingsimulation, kein "freies" Rollenspiel.
Mein subjektiver (!) Eindruck ist, dass viele davon begeistert sind, durch das Lesen von Fate einen Einblick "hinter die Kulissen" von Rollenspielen bekommen zu haben. Also in das, was hinter den Regelwerken steckt. Das ist ja auch gut. Aber tendenziell wird diese Erkenntnis, diese Abstraktion, nicht auf andere Systeme zurückgespiegelt und erkannt, dass das im Grunde überall passiert und man sich daher dieselben Freiheiten auch in anderen Rollenspielen nehmen kann. Das bedeutet im Fall von Fate zweierlei:
1) Dadurch,
dass eben alles auf die Abstraktionsebene gezogen wird, hat man mehr Interpretations
spielraum, aber auch mehr "Konfliktpotential/Rechtfertigungs
zwang/Meta-Diskussion".
2) Durch die Verknüpfung von Aspekten mit Ressourcen-Mechanismen hat man in einem Bereich nun Regeln, in dem man in anderen RPGs wenige bis keine Regeln - und somit mehr Freiheit - hatte.
Vieles, was Fate liefert ist gut: Fate ist ein sehr guter Ratgeber für Rollenspielrunden, die freieres gleichberechtigteres Rollenspiel wollen. Es bietet viele schöne Denkanstöße für Leute, die verstehen wollen, wie Rollenspiele funktionieren. Aber in dem Bereich genügt es auch als Nachschlagewerk, man braucht es - wenn man es einmal verstanden und verinnerlicht hat - nicht zum Spielen in gleichberechtigten Gruppen. Wir haben beispielsweise die "Cues" aus dem "Cue System" (so was wie Fate's Aspekte) für unsere Shadowrun 3 Runde übernommen. Dafür musste keine einzige Regel angefasst oder geändert werden. Durch Abstraktheit und Verzahnung mit der Punktemechanik (die meine Gruppen nicht brauchen und um deren Anwendung am Spieltisch es in diesem Thread ja auch nicht zuletzt ging), versucht es etwas zu balancen, dass für viele gar nicht gebalanced sein muss. Mag sein, dass das für manche kein "Bug" ist - aber hinsichtlich der Zielsetzung, die Charaktere und Geschichten in den Fokus des Spieles zu rücken ist es doch eher hinderlich und somit sicher kein "Feature", mit dem man nun zwingend coolere Figuren und Geschichten erlebt.
Abgesehen von den wertvollen Denkanstößen bietet Fate also nur sehr wenig, was wirklich besser wäre als in anderen Spielen. Und das hebt für mich (!) die Nachteile durch Abstraktheit und Ressourcenmanagement bei weitem nicht auf.