Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, woraus Spieler wie Boba dann ihren Spaß am Spiel ziehen...
Vielleicht mag ich dazu noch was sagen...
Ich bin mit Traveller groß geworden. Das schwarze Auge war zwar mein erstes System, wurde aber sehr schnell durch Traveller ersetzt, auch weil ich eigentlich mehr aus der SF Literatur als aus dem Fantasy komme.
Wir haben damals auch Sternengarde probiert und sind am Ende auf einen SF Selfmade Homebrew gewechselt, der aber stark an Traveller angelehnt und orientiert war.
Traveller, für die, die es nicht kennen, zeichnet sich in der Charaktererschaffung durch ein Karriere-Lifepath-System aus. Man entscheidet sich für Berufe und würfelt dann seine Karrierelaufbahn durch und bekommt so Fertigkeiten. Man beginnt die Rollenspielcharakter-Karriere also quasi als „Rentner“. Danach kann man theoretisch Zeit fürs lernen investieren, letztendlich fand das bei uns aber niemals statt. Die Charaktere waren also sehr statisch.
Auch die Verbesserung durch Ausrüstung war beschränkt.
Trotzdem habe ich meinen Charaktr vom Nordcon 1985 bis 1997 über 10 Jahre lang gespielt. Und es hat unglaublich viel Spaß gemacht (was auch an der Spielrunde lag).
Dass sich die Werte nicht änderten, hat niemals irgendwen ernsthaft gestört.
Heute spiele ich sicherlich anders als damals, und natürlich habe ich seinerzeit auch andere Systeme ausgespielt.
Cyberpunk 2020 fällt mir ein, was auch sehr wenig Werteveränderung besitzt, aber auch Earthdawn oder Midgard - die beide ja ganz anders aussehen, was Kompetenzsteigerungen betrifft.
Was macht meinen Spielstil heute aus? Abgesehen davon, dass ich in der heimischen Runde meistens den Spielleiter gebe, habe ich natürlich durch die Tanelorntreffen ganz viele One-Shots gespielt.
Was mir wirklich Spaß macht, sind Herausforderungen im „taktischen“ Sinne. Wir haben eine Situation, eine Aufgabe und müssen diese lösen, mit dem was wir haben. Das „wie komme ich zum gewünschten Ergebnis“ und das „wenn die Aufgabe nicht zu schaffen ist, wie kriegen wir eine möglichst gute Endsituation hin“ finde ich spannend - übrigens auch als Spielleiter.
Völlig unspannend finde ich hingegen das „wie kann ich meinen Charakter möglichst effizient ausstaffieren, damit er für diese taktischen Situationen möglichst gut vorbereitet ist“. Das interessiert mich nicht, insbesondere in Kampagnen nervt mich der Gedanke ans Minmaxen der eigenen Spielwerte völlig ab. Aus der Spielleitersituation weiß ich, dass der Spielleiter ohnehin die Gruppenkapazitäten berücksichtigen muss, um ein spannendes und interessantes Szenario zu bieten. Rüste ich auf, muss der Spielleiter die Situation auch aufrüsten. Salopp gesagt: habe ich den Bonus +2, kommen eben Orks statt Goblins. Hab ich Nachtsicht, gibt es halt Nebel, wenn der Spieler-Charakter in der speziellen Situation nicht sehen können soll. Wozu also das Ganze?
Solche Kompetenzsteigerungen sind genauso Illusionismus, wie den Spielern bei einem plotorientierten Kaufabenteuer Glauben machen zu wollen, sie hätten die Wahl, wo die Story langgeht...
Dazu kommt, dass die meisten Systeme da irgendwann in ihrem Balancing ziemliche Schwächen haben. Ab einem bestimmten Maß an ausgebauter Kompetenz der Charaktere funktioniert es immer weniger mit der Konstruktion von schaffbaren aber herausfordernden „Konfliktsituationen“. Dann führen kleine Situationsabweichungen oder ein blöder Würfel zum TPK oder eben dazu, dass der Gegner zur Lachnummer wird. Und das nervt mich.
Insofern sehe ich diesen „Machtzuwachs“ also als ziemlich überflüssig an.
Es geht mir nicht um Bauerngaming - hoffe, das ist weiter oben klar geworden.
Ich will durchaus, dass Mover & Shaker gespielt werden, die etwas „reißen können“.
Aber ich will den Fokus im Spiel wieder mehr auf das Spiel selbst lenken, und nicht auf das „wie muss ich meinen Charakter zurechtbiegen, damit er irgendwann was reissen kann oder damit er so aussieht, wie ich ihn mir eigentlich gewünscht habe, als mich der Spielleiter fragte, was ich denn spielen wollen würde“.
Denn machen wir uns nichts vor: Das Rollenspiel wirbt ganz groß damit, dass Du alles spielen kannst und alles sein darfst, was Du möchtest, aber dann kommt die ernüchternde Ergänzung: Aber doch nicht gleich von Anfang an.
Was mich da am meisten nervt, ist, dass man immer wieder bei null (Stufe 1) anfängt.
Der Spielleiter hat eine neue Idee, begeistert alle und alle fangen als Absolut Beginners an.
Wenn ich mich mal in meiner Medienlandschaft umsehe, wer begeistert mich da?
Aragorn, Korben Dallas, Conan, Boromir & Faramir, Valerian (& Veronique), ...
Die haben nie irgendwelche Szenen als Level 1 Charaktere bekommen. Wenn man mich fragt, wen ich spielen will, sind meine Vorstellungen immer von solchen Charakteren geprägt.
Natürlich ist die fantastische Literatur auch von genügend Noobs geprägt, die auf die Heldenreise gehen und dann zu mächtigen Persönlichkeiten werden. Spontan fällt mir da Pug ein, der zu Milamber wird (Midkemia). Aber mal ganz abgesehen davon, dass diese Heldenreise eigentlich eine Studie des Charakters darstellt, wie sich die Person durch die Veränderungen in seinem Umfeld und die Erfahrungen, die er macht, sein Wesen prägen, und keine Studie der Kompetenzgewinns - wie oft soll man denn in endloser Wiederholung sowas spielen und interessant finden?
Ich bin inzwischen kurz vor 50 und habe seit 1984 Rollenspiele gespielt, die meiste Zeit im wöchentlichen Rythmus.
Mich begeistern spannende Situationen im Spiel, Herausforderungen und natürlich irgendwo der Kitzel des ungewissen.
Mich reizt der „hmm, wäre ich eben mal besser aus der Deckung herausgekommen, dann hätte ich jetzt...“ und nicht der „hmm, hätte ich gestern Nachmittag mal besser das Talent durch Erfahrungspunkte gekauft, statt betören zu lernen“ Gedanke.
Dazu kommt die Frage, was mich an meinem Charakter interessiert. Und das ist „erlebte Geschichte“.
Ich finde es toll, dass mein damaliger Traveller Charakter ein völlig schrottigen 100t Scout-Courier geflogen ist, dem die ersten Landungen immer eine Landestütze kaputt ging, weil der Pilotenwurf mißlang, der irgendwann mal versehentlich einen Planeten in eine Umweltkatastrophe führte und deswegen plötzlich als Terrorist interstellar gesucht wurde. Ich finde es toll, welche Persönlichkeiten der in seinem Spielleben getroffen (und als Gegner bewältigt) hat, welche Connections der besaß und daß er sich irgendwann mal einen Parasiten eingefangen hat, der sich als Symbiont herausgestellt hat, der ihn immun gegen Alkoholische Getränke machte.
Von diesem Fakten weiss ich noch das meiste im Kopf, obwohl ich ihn seit 20 Jahren nicht gespielt habe. Von seinen Spielwerten weiß ich eigentlich gar nichts mehr.
Die Belohnung, die ich im Spiel wahrnehme, ist nicht, dass sich der Angriffswert um ein paar Prozent verbessert, sondern das, was der Charakter erlebt hat und was ich davon ins nächste Spiel mitnehmen kann.
Und deswegen brauche ich keine XP und keine Kompetenzsteigerungen - denn ich habe das Gefühl, dass die eigentlich sogar vom wesentlichen ablenken. Denn irgendwie geht es mit XP nur noch darum, das nächst größere Monster zu plätten, die nächste Belohnung zu ergattern und die nächste Hürde zu nehmen.
Alle rackern sich ab, der Spieler um seinen Charakter besser zu machen, der Spielleiter, um seine Opposition angemessen zu konstruieren. Bei der Gear und dem Loot geht es nur darum, welchen Bonus es macht und nicht, wer es mal geschmiedet oder geführt hat.