Edit: Ich finde es im Rahmen dieser Diskussion übrigens bedauerlich, daß der Artikel "Was zahlt Ulisses?" nicht mehr online zu sein scheint.
Ja, der ist leider mit der alten Homepage nicht mehr erreichbar. Hier Andrés Artikel vom April 2016:
Was zahlt Ulisses?Wenn ich mich mit Spielern auf Cons oder Messen unterhalte oder einen Blick in diverse Forenthreads werfe, begegnet mir in regelmäßigen Abständen immer wieder die Frage: „Was zahlt Ulisses seinen freien Mitarbeitern?“ Dahinter steht in der Regel die Hoffnung, an einem unserer Spiele mitzuarbeiten oder gleich ganz sein Hobby zum Beruf zu machen.
Auf meine Antwort hin wandelt sich die Frage dann meist in: „Warum zahlt UIlisses seinen freien Mitarbeitern so wenig?“ Gern werden dann die wenigen öffentlich zugängigen Honorarspiegel für freiberufliche Autoren, Lektoren, Grafiker und Layouter zitiert, in denen Verbände deutlich höhere Standardsätze empfehlen.
In diesem Artikel möchte ich euch an einem Beispielprodukt erläutern, wie wir bei Ulisses Spiele unsere Preise und Honorare kalkulieren und einen Einblick geben, welche einzelnen Arbeitsschritte dabei wie zu Buche schlagen.
Allgemeine Worte zur RollenspielbrancheBevor ich ans konkrete Beispiel gehe, will ich eine Beschreibung des Rollenspielbereichs und seiner Besonderheiten vorwegschicken, die vielen Spielern nicht bewusst sind.
Rollenspiel ist ein extremer Nischenmarkt. Rollenspiele werden in Deutschland in den meisten Fällen wenige Hundert Mal (200 bis 500) gedruckt, im besten Fall einige Tausend Mal. Ein Rollenspielbuch, von dem binnen drei Jahren eine Auflage von 1000 Stück verkauft wird, darf schon als großer und seltener Erfolg gelten. Regelwerke werden dabei im Allgemeinen besser verkauft als Quellenbücher und diese besser als Abenteuer. Sogar die Grundregelwerke (also die Topseller) der ganz großen Spiele knacken heutzutage die Grenze zur Fünfstelligkeit selten und wenn dann meist erst nach mehreren Jahren. Das war früher anders. Das Schwarze Auge hatte bei Schmidtspiele z.T. sechsstellige Auflagen. Aber die Zeiten sind leider vorbei, der Rollenspielmarkt ist massiv geschrumpft. Um weiterhin Spiele herausbringen zu können, muss darum sehr bedacht und realistisch kalkuliert werden.
Es gibt das geflügelte Wort, dass Rollenspielprodukte nur noch durch die Selbstausbeutung aller daran Beteiligten überhaupt möglich sind, und da ist leider einiges dran. Fans arbeiten kostenlos oder für ein Belegexemplar unzählige Stunden für Kleinverlage und die wenigen Festangestellten der deutschen Rollenspielredaktionen (ich würde ihre Zahl auf unter 15 schätzen) machen unbezahlte Überstunden, um Kleinauflagen und im branchenübergreifenden Vergleich ausgesprochen niedrige Preise zu ermöglichen (mehr dazu siehe unten).
An dieser Stelle sei eine Besonderheit von Ulisses erwähnt, auf die wir – wie ich finde zurecht – stolz sind: Bei uns wir jeder, der den Auftrag bekommt, als Autor, Illustrator, Layouter, Lektor oder Korrektor an einem Produkt mitzuarbeiten, bezahlt. Und das in 99,9% der Fälle binnen einer Woche nach Rechnungseingang.
Die Preisfrage
Rollenspielbücher sind für ihren eigentlichen Wert viel zu billig. Wenn man gerade 60 Euro für ein Grundregelwerk auf den Tisch gelegt hat, ist diese Aussage vermutlich erstmal schwer einzuordnen, vor allem, wenn Dumpingpreisangebote direkt daneben liegen. Ich will es trotzdem versuchen: Ein Grundregelwerk enthält eine Menge Text. Das sind oft über 2 Millionen Zeichen (oder mehr). Es hat um die 300-400 Seiten, ist heutzutage eigentlich immer vollfarbig und ein Hardcoverbuch.
Schauen wir uns zum Vergleich einen ganz normalen Roman aus einem Publikumsverlag an. Er ist schwarz-weiß, hat um die 400.000 bis 600.000 Zeichen. Ein solcher Roman kostet 10 bis 15 Euro, im Hardcover eher 20 oder mehr. Und hier sprechen wir in der Regel von Auflagen in mindestens geringer fünfstelliger Höhe, was die Produktionskosten immens senkt. Allein die Zeichenmenge, die in einem Grundregelwerk steckt, würde also eigentlich den Preis von drei bis vier Romanen verlangen.
Dann kommen in modernen Rollenspielbüchern die Illustrationen. Eine Zahl von einer Illustration pro drei Seiten ist mittlerweile üblich, außerdem gibt es Ränder, Verzierungen und aufwendige Cover, die allesamt gezielt für dieses eine Buch angefertigt werden. Bei 300 Seiten also um die 100 Illustrationen. Deren Kosten tragen meist einen sehr erheblichen Batzen zu den Produktionskosten bei.
Zu guter Letzt muss dieses Meisterwerk auch noch in ein höchst komplexes Layout gebracht werden, mit Kästen, Wertebereichen, unzähligen Tabellen – da fließt in jedes einzelne Rollenspielbuch mehr Arbeit als in manche Firmenkataloge mit 1000 Seiten.
Wenn man sich all das vor Augen führt, bekommt man eine Ahnung davon, welchen Aufwand ein solches Buch bedeutet und warum das Grundregelwerk nicht 60, sondern eher 150 bis 200 Euro kosten würde, wenn alle Beteiligten Honorare und Gehälter bekämen, wie sie in der freien Wirtschaft üblich sind (und auf diese zielen die oben erwähnten Honorarspiegel ab).
Unser BeispielAls Beispiel, an dem ich euch durch unsere Kosten- und Honorarstruktur führen möchte, haben wir den „Almanach der okkulten Geheimnisse“ aus der Pathfinder-Reihe ausgewählt. Es handelt sich dabei um ein Quellenbuch mit 68 Seiten und 4 Seiten Umschlag, Softcover und natürlich ist es vollfarbig. Es enthält 321.604 Zeichen.
Im Laden kostet dieses Buch 19,95 Euro. Davon geht die Mehrwertsteuer direkt ans Finanzamt. Wir verkaufen das Buch auf Messen oder im F-Shop an Endkunden. Außerdem verkaufen wir es an Händler sowie an Großhändler, bei denen dann noch entsprechende Rabatte abgehen. Schlussendlich kommen von den 19,95 Euro im Schnitt dann noch Einnahmen von 9,98 Euro bei uns an, also aufgerundet 10 Euro.
Das Buch hat eine Auflage von 350 Stück. Bei Pathfinder rechnen wir bei Quellenbüchern damit, dass wir diese 350 Stück im Laufe von 2 bis 4 Jahren verkaufen. Die wenigsten Bücher werden danach noch einmal aufgelegt, denn mehr als 350 Stück bekommen wir erfahrungsgemäß nicht an den Mann. Bei Pathfinder-Regelwerken sind es mehr, die aktuellen Abenteuerpfade liegen eher bei 200 Stück in 2 bis 3 Jahren.
Wenn wir die gesamt Auflage verkaufen, nehmen wir also aufgerundet 3500 Euro ein. Davon bezahlen wir:
- Die Übersetzung mit 0,75 Euro pro 1000 Zeichen, konkret also 241,20 Euro. Bei Produkten, die wir selber verfassen lassen, zahlen wir je nach Komplexität des Textes 2,20 bis 3,00 Euro pro 1000 Zeichen.
- Das Lektorat mit 0,25 Euro pro 1000 Zeichen, also hier 112,56 Euro
- Das Fahnenkorrektorat mit 0,15 Euro pro 1000 Zeichen, also 48,24 Euro
- Das Layout mit 3 Euro pro Seite, also 204 Euro
- Der Druck kostet uns für 350 Exemplare 1288 Euro
- An Lizenzgebühren zahlen wir 280 Euro. Bei eigenen Produkten fallen diese natürlich weg.
- Bei Pathfinder kommt noch der Sonderpunkt Glossar/Regelabgleich hinzu, der mit 0,25 Euro pro 1000 Zeichen auf 80,40 Euro kommt.
Insgesamt fließen also von den 3500 Euro Einnahmen rund 2255 Euro in die Herstellung des Buches. Oder anders gesagt: Bevor Ulisses am Almanach den ersten Euro verdient, müssen zwei Drittel der Bücher verkauft sein.
Davon kann doch keiner leben? Es ist vollkommen richtig, dass niemand von den Honoraren, die wir freien Mitarbeitern zahlen können, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, wenn er nicht entweder sehr geringe Ansprüche hat oder extrem schnell und viel arbeitet. Wir weisen darauf auch gerne und oft hin, wenn freie Mitarbeiter bei uns anfangen. Die Mitarbeit als freier Autor, Lektor oder Layouter bei einem Rollenspielverlag kann nicht mehr sein als eine Hobbytätigkeit oder ein Zubrot. Das ist ausgesprochen bedauerlich, aber leider bittere Lebenswirklichkeit. Glaubt mir, wir würden ihnen und auch uns selbst sehr gerne mehr zahlen. Das würde sich jedoch in direkter Folge auf die Buchpreise auswirken, und wer schon mal erlebt hat, wie die Szene sich über eine Preisanpassung von 5 Euro aufregt, der weiß, warum wir keine 100 oder 150 Euro für ein Grundregelwerk oder 40 Euro für ein Quellenbuch wie unseren Beispielalmanach nehmen können.
Gleichzeitig sind aber die Qualitätsansprüche (unsere eigenen und die der Szene) sehr hoch, so dass wir aus dem Pool derjenigen, die von dieser Tätigkeit nicht leben müssen, auch noch die heraussuchen wollen, die besonders gut darin sind. Das war unter anderem der Grund für unseren sehr aufwendigen Lektorenaufruf, mit dem uns genau das gelungen ist.
Unterm StrichDann bleiben uns also 1245 Euro Reingewinn, wenn wir alle Exemplare vom Almanach verkauft haben? Leider nein. Denn von dieser Summe gehen auch noch die sogenannten Arbeits- und Gemeinkosten ab, unter anderem:
- Die Stunden, die der Redakteur für die Planung des Produkts, die Koordination mit dem Lizenzgeber, den freien Mitarbeitern und der Druckerei aufgewendet hat; in denen er die Bücher gelesen und Blogartikel oder Texte für den Vertrieb geschrieben hat; in denen er online Fragen dazu beantwortet
- Die Arbeit, die im Lager anfällt, um die Bücher in die Regale zu räumen und dann an die Kunden und Händler zu verschicken
- Porto- und Verpackungskosten bei der Versendung an Endkunden
- Die anteiligen Kosten für Miete, Heizung, Telefon usw., die für das Bürogebäude und die Lagerräume anfallen
- Die Zeit in der Buchhaltung, die auf die Rechnungen und Käufe des Produktes sowie deren Versteuerung aufgebracht wird.
- Messe und Conauftritte
u.v.m.
Aber ihr macht doch schlussendlich Gewinn?Ja, das tun wir. Und das müssen wir auch, denn wenn ein Unternehmen keinen Gewinn macht, ist es nicht in der Lage, Fehler und nicht gut angenommene Spiele abzufangen, neue Produkte zu entwickeln oder langfristige Planungen vorzunehmen. Ulisses Spiele möchte euch auch in fünf, zwanzig und fünfzig Jahren noch Spiele bringen können und seinen Angestellten Sicherheit bieten. Für einen Kleinverlag kann es in Ordnung sein, wenn ein Buch so gerade eben seine Kosten wieder hereinholt, und das auch nur, wenn man die Arbeitsstunden vieler engagierter Fans und des Verlagsinhabers nicht einrechnet. Für einen Verlag von der Größe von Ulisses Spiele ist das kein gängiges Modell. Wenn wir von Gewinn reden, sprechen wir allerdings von unternehmerisch sehr überschaubaren Summen, die vollständig wieder in die Ulisses Spiele und damit in unser gemeinsames liebstes Hobby fließen.
Wow, jetzt hast du aber echt viel gejammert!Ja, mag sein – dabei ist wirklich jeder hier bei Ulisses froh, in einem so kreativen Beruf tätig sein zu dürfen und den Spielern damit tolle Abende und Wochenenden ermöglichen zu können. All die umhergeworfenen Zahlen sollen nicht verschleiern, dass Spaß zu haben und Spaß zu bringen das Hauptziel der Ulisses Spiele und aller Angestellten und freien Mitarbeiter ist.
Ich hoffe, dass ich euch mit diesem Artikel einen Einblick bieten konnte, der euch eine realistische Einschätzung der Gesamtlage ermöglicht. Wenn ihr Fragen habt, nur zu! Habt jedoch bitte Verständnis dass wir in einigen Bereichen nicht mit konkreten Zahlen antworten können.
Euer André