Nur sehr sehr wenige Abenteuer schreiben doch Handlungsweisen vor.
Aber selbst wenn eine Handlungsweise nicht vorgeschrieben ist, sind durch die Natur des Abenteuers, die Umgebung und die auftretenden NSCs bestimme Handlungsoptionen u.U. naheliegender als andere.
Die Bewohner des Dungeons werden oft - wie bereits ausgeführt wurde - nur sehr knapp beschrieben (meist eben nur mit den für einen Kampf relevanten Werten). Ihr Auftauchen in einem isolierten Bereich, der oft auch nicht logisch aufgebaut ist, macht es für den Spielleiter auch schwer zu erkennen, wie sie selbst mit ihrer Umwelt interagieren und in diese eingebunden sind. Da auch die SCs im Dungeon oft nicht die Möglichkeit haben, Recherchen anzustellen oder Verstärkung oder helfende Ressourcen kurzfristig zu erlangen, ist eine gewaltsames Überwinden der im Dungeon angetroffenen Gegner eine Vorgehensweise, die durch die Art des Abenteuers besonders nahegelegt wird.
Da stimme ich bis zu einem gewissen Grad zu, halte die Offenheit des Textes in Sachen Handlungsanweisungen - gerade im Falle von knappen Textinformationen - für den Umgang des SLs mit diesen Informationen aber immer noch für tendentiell maßgeblich.
Einerseits:
Ich würde nicht die Intention des Autors außer Acht lassen. Klar, wir nehmen jetzt mal an, dass der SL entscheidet, wie er mit dem Text umgeht, und wir nehmen zudem an, dass sein Umgang mit dem Text dem vereinbarten Spielverständnis der Gruppe entgegenkommt, und wir nehmen dann meinethalben auch noch an, dass die Spieler dann auch so spielen, wie es für die Gruppe zu erwarten war. Aber wenn der Texturheber Combat as War bzw Combat as Sports im Sinn hatte oder wenn er Dungeon als Spielfeld bzw Dungeon als Kulisse im Sinn hatte, dann wird er den Text entsprechend verfasst haben. Insofern gibt ein Dungeon bis zu einem gewissen Grad mE schon eine Handlungsweise vor. Und mit dieser Intention wird dann eben auf die eine oder andere Weise umgegangen: Im Vorfeld mag umgeschrieben werden oder nicht, im Spiel mag der Intention mehr oder weniger gefolgt werden, und ggf ist die Gruppe am Ende unglücklich mit dem Abenteuer, insofern es zur Gruppe eben nicht so ganz passte. Dann heißt es eben zB "Scheiß Metzeldungeon! ... Oder das Abenteuer wird gar nicht erst gespielt, was auch etwas mit den erkannten (impliziten) Handlungsanweisungen zu tun hat.
Andererseits:
Nochmal zu den knappen / rudimentären / marginalen Textanweisungen: Das ist übrigens nicht nur ein Phänomen bei Dungeon-Abenteuern, sondern hat auch mit dem Alter zu tun. Es musste ja kein Dungeon sein, und dennoch wurde nicht geschwafelt, wurde vieles unkommentiert gelassen. Und wo man heutzutage oft ein Meckern hört, hat man sich damals von den Fehlstellen inspirieren lassen. Die Lücke wollte durch Kreativität geschlossen werden. Dabei ging / geht es gar nicht um Glanzstücke der Improvisation, sondern schlicht um einen Umgang des SL mit dem Text, der wiederum zur Gruppe passende Handlungsweisen gefördert haben mag.
Ich mag mal ein Beispiel aus Archoangels Lieblingsabenteuer geben: der Wald ohne Wiederkehr (DSA1). Im Abenteuer befindet sich gemäß den rudimentären Textinformationen in Raum X ein Werwolf, in Raum Y ein silberner Dolch. Wenn der SL strikt von Raum nach Raum spielen lässt, dann gelangt die Gruppe entweder ungewarnt und unvorbereitet in Raum X, oder sie schaut vorher ungeplant in Raum Y vorbei, findet dort den Silberdolch, die Spieler denken sich ihren Teil und nehmen dieses wichtige Werkzeug auf jeden Fall mit, weil es etwas zu bedeuten hat. Natürlich stellt sich jeweils die Frage, welche Handlungsanweisungen eines Dungeons die Spieler annehmen. Ten-Foot-Pole-Spieler
zB würden sich wahrscheinlich durch Einsatz all ihrer Sinne die Chance erarbeiten, durch die ungeöffnete Tür hindurch eine Gefahr zu identifizieren, der man besser nur mit dem passenden Werkzeug begegnet. Aber der Text und der Umgang des SLs beeinflussen selbstverständlich das Verhalten der Spieler.
Um im Beispiel zu bleiben: Die Raumbeschreibungen X und Y enthalten Fehlstellen, insbesondere die für Raum X (Der Wewolf sitzt da also - ganz still? - und macht das was, wann, wie und weshalb?) Ein SL könnte nun also, statt strikt Raum für Raum zu spielen, den Spielern beim Betreten des Burgareals eine schauerliche Szene bieten, die keineswegs Fluff ist, sondern Handlungsanweisungen transportiert: Das langgezogene Heulen eines Wolfs ist aus dem Innern der Burg zu hören, das aber so verfremdet ist, dass ein Wildnischarakter etwa wissen könnte, dass dies kein normaler Wolf sein könnte, dass ein Zauberkundiger vielleicht ahnen könnte, dass ein Werwolf unterwegs ist. Und das verändert schon einiges für die Stimmung und für das Verhalten der Spieler (wenn sie die Warnung beachten).
Und um abschließend noch anekdotisch einen Umgang mit Raum X durch einen SL zu schildern, wie er mir etwa 1987 als Spieler widerfahren ist: Der SL hatte offensichtlich auch Fragen an den Text von Raum X gestellt und für sich die Antwort gefunden, dass der Werwolf uns bereits nach den ersten fünf Minuten im Wald auflauern möge. Wir waren ohnehin nur zwei Spieler und chancenlos.
(Das ist der traurige Grund, weshalb ich den Wald ohne Wiederkehr bis heute nicht gespielt habe.) Tja, welche Handlungsanweisungen stellte diese Situation wohl an uns Spieler?