Autor Thema: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationistischen RPGs  (Gelesen 10601 mal)

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Offline Alexander Kalinowski

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Grundannahme ist hier natürlich: Es gibt RPGs, die besonderen Wert auf die Nachahmung eines bestimmten Settings/einer bestimmten Welt legen. Das setzen wir der Einfachheit halber mal in diesem Thread als gegeben voraus.
Ferner müsste es vielleicht besser "Versuch einer Kategorisierung von emulationistischen RPGs" heißen, denn wir wissen natürlich nicht genau wie zB die Macht in Star Wars (Original Trilogie) funktioniert (oder ganz allgemein Heldenglück), wohl aber können wir ihre Wirkungsweise nachahmen. Da GNS jedoch den Begriff simulationistisch etabliert hat, verwenden wir das jetzt hier einfach mal so weiter.

Die erste Einteilung, die wir machen können richtet sich danach, was wir emulieren: Versuchen wir realistisch zu sein oder simulieren wir eine fiktionale Welt, die auf Plausibilität nicht durchgehend Wert legt?

1. RealSim (Realistische Simulation)
Hier wird entweder versucht der Wirklichkeit selbst treu zu bleiben oder aber einer fiktionalen Welt, die selbst wiederum versucht weitestgehend realistisch (oder vllt. besser: plausibel) zu sein. Im letzteren Fall gibt es 2 weitere Unterkategorien: Die fiktionale Welt enthält fantastische Elemente (Magie, Monster, Psi, etc.) oder sie enthält keine fantastischen Elemente. Gedanken zur Namensgebung dieser Unterkategorien habe ich mir bisher noch keine gemacht (Vorschläge?). Hârnmaster wäre ein prominentes Beispiel für RealSim mit fantastischen Elementen: Es gibt zwar Magie, etc., aber der nicht-fantastische Teil versucht ziemlich klar realistisch abgebildet zu werden.

2. GenreSim (Genre-Simulation)
Hier sehe ich bis hierher drei Unterkategorien, basierend auf der Annahme, dass Genre aus einer Kombination von Setting-Tropes und Story-Tropes basiert. (Mehr dazu in diesem Thread.)
a. Genresetting-Simulation
In Prinzip eine Art unvollständige (kein Perjorativum!) Genrewelt-Simulation. Die Genrewelt und all ihre Elemente sind zwar da, aber es wird nicht versucht, die "Physik", die diese Welt bestimmt, möglichst umfassend abzubilden. So mögen bspw. Spielercharaktere zwar gewisse Vorteile gegenüber NSCs haben, aber es wird vielleicht gar nicht versucht das genretypische Heldenglück zu übernehmen. Spielercharaktere können dann genre-untypisch scheitern, zB in dem sie in einem Dungeon einfach nicht weiterkommen und sodann halt weiterziehen müssen. Beispiele sind zB viele Old-School-Rollenspiele wie D&D oder Traveller.
b. Genrewelt-Simulation
Erweitern Genresetting-Simulation eben um Elemente, die eine detailgenauere Nachahmung eines Genres ermöglichen und nicht nur die Weltgegebenheiten wie in einem Sandkasten dahinstellen. Wenn die SCs Helden sind und nur selten scheitern können dürfen, dann macht dies uU den Einsatz von Fail-Forward und Success-at-a-Cost erforderlich um Spannung aufrechtzuerhalten. Genrewelt-Simulationen addressieren damit mehr den Story-Aspekt von Genre, sie büßen aber im Vergleich zu Genresetting-Simulation spielerische Elemente ein, da einfach weniger auf dem Spiel steht (oder Alles-steht-WIRKLICH-auf-dem-Spiel nur seltener im Gameplay vorkommt).
c. Genrestory-Simulation
Adressiert genretypische Handlungsvorkomnisse und Komplikationen. Es wird nicht länger versucht eine Spielwelt durch die Regeln zu simulieren, sondern kooperativ und kreativ einen Plot zu erzeugen, dem Weltgegebenheiten untergeordnet sind. Dh, es können, im Rahmen der erforderlichen Plausibilität, Gegebenheiten erzeugt oder fallengelassen werden, ganz danach wie es der Plot erfordert. Damit ist es, naturgemäß, deutlich storylastiger als Genrewelt-Simulation. Beispiel: Apocalypse World/PbtA.

Ergänzungen? Verbesserungen? Gegenvorschläge? Um Feedback wird gebeten.
« Letzte Änderung: 27.08.2019 | 11:17 von Alexander Kalinowski »
Knights of the Black Lily RPG - Black Fantasy-RPG mit Next Gen Fantasygenre-Simulationssystem.
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Offline Suro

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Hmm, vielen Dank erstmal für deine Ausführungen. Hier erstmal nur ein Gedanke: Ich bin ja überhaupt nicht gegen den Grundgedanken, dass es Systeme gibt, die besonderen Wert auf Simulation legen. Bei manchen deiner Beispiele bin ich mir da aber nicht so sicher.

Nimm:

Zitat
Beispiele sind zB viele Old-School-Rollenspiele wie D&D oder Traveller.

Sind das wirklich überhaupt Genresims? Um die Frage zu präzisieren: Will z.B. D&D irgendein Genre simulieren? Ist D&D die Simulation eines vorher etablierten Buch- Film- oder Spiel-Genres? Oder etabliert es selbst ein Genre, sodass die Idee des "genre-untypischen Scheiterns" gar nicht anwendbar ist?

Nur weil - in deinen Worten - ein Setting simuliert wird, ist nicht zwingend ein Genre gesetzt, das man treffen oder verfehlen kann, oder?
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Offline tartex

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Eine Grundsatzfrage für mich ist: soll die Perspektive eines Charakters in einer Genre-Welt simuliert werden, oder soll das Narrativ "von außen" simuliert werden?

Z.B. Charaktere in Zombiefilmen kennen normalerweise Zombiefilme nicht, obwohl es davon hunderte in ihrer Welt geben sollte.

Indiana Jones selbst ist sich nicht bewusst, dass er im Kampf gegen ein Handvoll Nazischergen nicht sterben wird oder kann. Er erkennt auch einen Cliffhanger nicht als solchen.

Mich reizen Spiele, wo ich einerseits noch den Adrenalinschub durch die Möglichkeit des Scheiterns/Draufgehen habe, die daneben aber das Genre gut simulieren.
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Offline Maarzan

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Ich würde das folgendermaßen sehen udn Simulation und Emulation gegeneinander stellen:

Simulation setzt den Fokus auf den Vorgang und ist das Aufstellen von Regeln für die Spielwelt und konsistentes Ableiten der Ergebnisse genau davon. Wen Setzungen aus anderen Medien also nicht durchdacht sind, kann es sein, dass das Spiel dann deutlich anders aussieht als deren Geschichten. Insbesondere sicherer Erfolg ist kein Element von Simulation. 

Bei der Emulation ist der Fokus auf das Ergebnis gerichtet und liegt vor, wenn die Ergebnisse spezifisch nacheditiert oder direkt von außen gesetzt werden, damit das Ergebnis auch "stimmt", bzw. eigentlich geltende Regeln zur Zielerreichung passend ignoriert/ausgesetzt werden. 

Simulationsvarianten:
RealSim orientiert sich an den irdischen Gegebenheiten und ist die Basis für alle Simvarianten - außer eben da, wo es bewußt und ausdrücklich Abweichungen geben soll. 
SettingSim erweitert die realweltlichen Bedingungen mit "lokalen" Besonderheiten, welche aber weiterhin als Naturgesetz grundlegend gesehen werden.
GenreSim setzt gewisse externe Genreeffekte als Naturgesetz, hinterfragt diese in ihrer Herkunft nicht mehr, benutzt sie danach aber in ihrer Auswirkung als ob sie Naturgesetze wären.

Abstraktionen sind als meist notwendige Vereinfachungen zwar Abschwächungen des Simulationsideals, aber kein Widerspruch dazu, solange keine bewußten "Unwahrheiten" mit reingebracht werden.
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Offline First Orko

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Ein Gedanke zu RealSim: Wir sind ja geneigt, dort besonders die Systeme einzuordnen, deren Regelkern eine kleinteilige Abbildung mehr oder weniger willkürlich ausgewählter Aspekte der (Spiel-)Wirklichkeit ausgelegt ist. Dabei brechen diese System zwar meist schon am Detailgrad (bspw: Es gibt "Kochen" als Fertigkeit, aber die Abhandlung ist lange nicht so detailiert wie "Magie") unterschiedlich runter, aber das erzwingt oftmal der Spielfokus.
Was keines der mir bekannten, üblicherweise als "Simulierend" bezeichneten Spiele bisher leistet: Die Simulation der Handlung an sich. Es wird zwar viel Fokus darauf gelegt, Fähigkeiten von Charakteren besonders detailiert zu betrachten und ggf. mit Subsystemen zu versorgen - sobald es aber an die Handlung der Welt (NSC, Gegner, Fraktionen, Länder, Reiche usw) habe ich als SL meist keinerlei regelseitige Unerstützung. Dann ist bei aller Simulation doch am Ende wieder die reine Abwägung des SL gefragt.
Ideal wären Mechaniken, die NSC-Motivationen durch Aktionen, die sich auf die Spielwelt auswirken in  die Fiktion tragen.
Bsp: Ein NSC mit Motivation "Machterhalt" wird in einer wichtigen Ressource beschnitten (SC haben "seinen" Drachen getötet. Jetzt kann der SL entscheiden, dass er es einfach ignoriert (weil der SL einen anderen Plot im Blick hat und/oder die Motivation einfach vergessen. Dass eine solche Person nicht reagiert dürfte allgemein als "unrealistisch" gelten. Hätte ich hier ein System, was mich zwingt, bei Verlust einer Ressource bspw. eine Probe des NSC zu würfeln oder direkt eine Aktion abzuleiten, käme ich dem simulationistischen Ideal deutlich näher.
Frage: Wie "real" kann Simulation sein, wenn dieser Aspekt faktisch gar nicht berücksichtigt wird?
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Offline YY

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Gegenfrage: Wo ist der tatsächliche Mehrwert der angedachten Regelung, wenn sich der SL nicht ohnehin dazu "verpflichtet" fühlt, den NSC entsprechend handeln zu lassen?
Schließlich gibt es ständig große und kleine Entschedungen zu treffen, wo die Vorstellungen von SL und Spielern auseinandergehen bzw. kollidieren können, was denn nun "realistisch" wäre.

Wenn man nicht ausreichend auf einer Linie ist, hilft auch kein noch so ausgeklügeltes Regelwerk, welches das abfedern soll - es sei denn, man zieht das so weit durch, dass man den SL weitestgehend oder sogar komplett rausnimmt.

MMn ist das Weglassen von ausufernden Regelungen in dieser Richtung (also über Verhaltenshinweise u.Ä. hinaus) nur folgerichtig. Je nach Konstellation SL-Spieler sind sie überflüssig oder unzureichend; eine echte Hilfe sind sie dagegen sehr selten.
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Offline Maarzan

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Frage: Wie "real" kann Simulation sein, wenn dieser Aspekt faktisch gar nicht berücksichtigt wird?

Das ist einfach ein noch unterbetrachteter Fokus, kein Fehler von Simulationen mit anderen Foki.
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Offline 1of3

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c. Genrestory-Simulation
Adressiert genretypische Handlungsvorkomnisse und Komplikationen. Es wird nicht länger versucht eine Spielwelt durch die Regeln zu simulieren, sondern kooperativ und kreativ einen Plot zu erzeugen, dem Weltgegebenheiten untergeordnet sind. Dh, es können, im Rahmen der erforderlichen Plausibilität, Gegebenheiten erzeugt oder fallengelassen werden, ganz danach wie es der Plot erfordert. Damit ist es, naturgemäß, deutlich storylastiger als Genrewelt-Simulation. Beispiel: Apocalypse World/PbtA.

Ich bin nicht sicher, ob das augenfälligste Punkt oder auch nur ein richtiger ist, wenn du über PbtA-Spiele redest. Nehmen wir mal den Vampir. Vampire: The Masquerade macht da Regeln darüber, was Vampire können und nicht können. Also bei Sonnenlicht nehmen sie so und so viel schwerheilbaren Schaden. Sie sind aber z.B. besonders stark, wenn sie Blut verbrauchen usw. Der Vampir bei Urban Shadows hat ein Kontaktnetzwerk, um dass sich alles dreht. Über an sich vampirische Eigenschaften steht da gar nicht viel, nur dass der Vampir halt irgendwie Hunger hat. Die hat man ansonsten zu wissen. Es geht bei US also nicht darum, die Gattung Vampir zu simulieren. Der Vampir ist nur die Maske für die Rolle des süchtigen Manipulators.

Plausibel sollte das aber ansonsten schon alles sein; d.h. Dinge die etabliert wurden, bleiben bitte schön etabliert. Das ist ein ganz entscheidender Grundsatz für alle Rollenspiele. (Natürlich kann es zuweilen Gründe geben, Ereignisse zu retconnen.) Und natürlich nimmt auch PbtA seine Kolorierung ernst. Der Vampir ist eben keine Meerjungfrau.

Ich würde also sagen, PbtA ist zumeist allegorisch.
« Letzte Änderung: 22.08.2019 | 13:46 von 1of3 »

Offline First Orko

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MMn ist das Weglassen von ausufernden Regelungen in dieser Richtung (also über Verhaltenshinweise u.Ä. hinaus) nur folgerichtig. Je nach Konstellation SL-Spieler sind sie überflüssig oder unzureichend; eine echte Hilfe sind sie dagegen sehr selten.

Ich bin überzeugt, das kann man genauso funktional machen, wie viele andere, kleinteilige Subsysteme ;)
Wenn ich aber hier kürze und mich auf das reine Simulieren von "Was können Figuren machen" ohne zu simulieren, WARUM Figuren (außer SC) etwas machen, dann ist Simulation doch nur reiner Selbstzweck. Weil ich aus der Simulation der Werte keine Simulation des Verhaltens ableite, täusche ich eine (teil)simulierte Welt vor, wo keine ist  :think:
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Offline Blechpirat

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Ich würde das folgendermaßen sehen udn Simulation und Emulation gegeneinander stellen:

Simulation setzt den Fokus auf den Vorgang und ist das Aufstellen von Regeln für die Spielwelt und konsistentes Ableiten der Ergebnisse genau davon. Wen Setzungen aus anderen Medien also nicht durchdacht sind, kann es sein, dass das Spiel dann deutlich anders aussieht als deren Geschichten. Insbesondere sicherer Erfolg ist kein Element von Simulation. 

Bei der Emulation ist der Fokus auf das Ergebnis gerichtet und liegt vor, wenn die Ergebnisse spezifisch nacheditiert oder direkt von außen gesetzt werden, damit das Ergebnis auch "stimmt", bzw. eigentlich geltende Regeln zur Zielerreichung passend ignoriert/ausgesetzt werden. 

Nach meinem ersten Eindruck ist das was du mit Simulation benennst gerade keine Simulation. Simulieren können wir nicht, da die Regeln eine entsprechende Komplexität nicht erreichen können. Wikipedia definiert Simulation als: "Die Simulation oder Simulierung ist eine Vorgehensweise zur Analyse von Systemen, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu komplex sind. " - Regeln sind aber genau dieses Formeln.

Evtl. ist Gurps daher eine Emulation?Wir emulieren eine (mehr oder minder realweltliche) Physik in der Spielwelt. (aka: Wir fummeln was hin, bis ähnliche Ergebnisse herauskommen könnten).

Offline YY

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Wenn ich aber hier kürze und mich auf das reine Simulieren von "Was können Figuren machen" ohne zu simulieren, WARUM Figuren (außer SC) etwas machen, dann ist Simulation doch nur reiner Selbstzweck.

Witzig - das sehe ich genau umgekehrt.

(Sim-)Regeln sollen mir sagen, was passiert, wenn ich selbst keine eindeutige Intuition dazu habe bzw. wenn ich das Ergebnis für ausreichend offen halte, um einen Zufallsgenerator bemühen zu wollen.
Für das Handeln von NSCs ist das eher selten, wenn ich diese ausreichend gut kenne (da, wo ich sie nicht ausreichend kenne, würde ich auch ein aus einer passenden Auswahl zufällig bestimmtes Verhalten akzeptieren (müssen)). 

Für mich wäre gerade die Simulation von NSC-Verhalten überflüssiger Selbstzweck.


(aka: Wir fummeln was hin, bis ähnliche Ergebnisse herauskommen könnten).

Diese Hürde ist zu schnell genommen.

Die Zielsetzung ist eher: Wir schrauben so lange daran rum, bis die Regeln für vergleichbare Situationen keine deutlich unplausiblen Ergebnisse mehr liefern (aber nicht so lange, bis sie alle plausiblen Ergebnisse in guter Annäherung der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten liefern).


Und grundsätzlich zur Simulation:
Doch, genau das können wir mit Regeln tun.
Als klassisches Beispiel liefern Kampfregeln einen tatsächlichen Verlauf, den wir nicht a priori/theoretisch vorhersehen können. Und auch mit einer allgemeineren mathematischen Betrachtung erhalten wir Erwartungswerte & Co., aber nicht das konkrete Einzelergebnis eines Anwendungsfalles.

Dass Rollenspielregeln für eine Simulation nicht komplex genug sein können, ist schlicht falsch. Wir wählen im Vorfeld den gewünschten Detailgrad und alles unterhalb dieser Auflösung geht im Rauschen des Zufallsgenerators unter. Die Frage ist dabei nur, ob der Detailgrad für den gewünschten Zweck ausreichend ist und nicht, ob die Simulation absolut perfekt ist. Eine perfekte Simulation gibt es nämlich auch am Rechner nicht und das hält niemanden davon ab, mit passend konstruierten Modellen erfolgreich zu simulieren.

Jedes Modell ist in seiner Leistungsfähigkeit begrenzt, aber das ist keine Grundlage dafür, sich hinzustellen und zu sagen, dass genau deswegen alle Modelle zwingend völlig untauglich wären und man daher den Versuch gar nicht erst unternehmen sollte.
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Offline Alexander Kalinowski

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Sind das wirklich überhaupt Genresims? Um die Frage zu präzisieren: Will z.B. D&D irgendein Genre simulieren? Ist D&D die Simulation eines vorher etablierten Buch- Film- oder Spiel-Genres? Oder etabliert es selbst ein Genre, sodass die Idee des "genre-untypischen Scheiterns" gar nicht anwendbar ist?

Die Frage ist absolut berechtigt. Man könnte natürlich anführen, dass der Appendix N Hinweis darauf ist, dass D&D das Genre emulieren will. Und das Traveller schon das damalige Science-Fiction-Genre emulieren will, das glaube ich schon. Deswegen ist Traveller meiner Meinung nach auch etwas zeitlos.
Aber ich will darüber gar nicht streiten, denn ich glaube, dass es auch einige Gründe, gerade bei D&D, gibt, das anders zu sehen.
Bei Emulation ist es natürlich auch immer die Frage: Wie genretrue muss ein Spiel sein, damit man es auch Emulation wahrnimmt? Zudem: Die Ansprüche an die genauigkeit der Emulation sind mit Sicherheit seit 1974 gewachsen.
Aber die Frage halt ich schon deshalb für berechtigt, weill ich ja Genresetting-EMulation näher am Gamismus verorte.

Also ungefähr so:
Gamismus | Genresetting-Emulation | Genreworld-Emulation | Genrestory-Emulation | Narrativismus

(Das Ganze ist vermutlich komplexer, aber für dieses Argument sollte die Darstellung erst einmal ausreichen.)

Indiana Jones selbst ist sich nicht bewusst, dass er im Kampf gegen ein Handvoll Nazischergen nicht sterben wird oder kann. Er erkennt auch einen Cliffhanger nicht als solchen.
Aber wie wichtig ist das wirklich? Das Publikum identifiziert ich mit "Indy", weiß aber genau, dass er nicht sterben kann. Man kann also Spannnung spüren, ohne dass alles auf dem Spiel steht. Das ist ja auch das Prinzip hinter Success-at-a-Cost.
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Offline Alexander Kalinowski

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Außerdem muss man bei Simulationen und Emulationen die Fragen stellen: Was soll simuliert werden? Ab welche Güte kann ich es überhaupt erst als Simulation/Emulation erkennen? Und ab wann wird es dann eine gute Simulation? Wieviel Genauigkeit ist erforderlich?
Wenn man davon ausgeht, dass ein Spiel ein angestrebtes Komplexitätsbudget hat, dann muss man sich eben auf das Wesentliche konzentrieren.

Ich persönlich grenze Emulation von Simulation folgendermaßen ab: Emulation sieht einen bestimmten Sachverhalt als Black Box und ahmt das Verhalten der Black Box auf äußere Stimuli nach. Simulation modlliert auch innere Prozesse. Aber ist keine Duden-Definition, also mit Sicherheit strittig.
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Offline unicum

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Nach meinem ersten Eindruck ist das was du mit Simulation benennst gerade keine Simulation. Simulieren können wir nicht, da die Regeln eine entsprechende Komplexität nicht erreichen können. Wikipedia definiert Simulation als: "Die Simulation oder Simulierung ist eine Vorgehensweise zur Analyse von Systemen, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu komplex sind. " - Regeln sind aber genau dieses Formeln.

Wir können schon Simulieren. Ich glaube in meiner Edition von "Phoenix Command"
https://en.wikipedia.org/wiki/Phoenix_Command
Stand das es eigentlich NICHT als Rollenspiel geschrieben wurde, sondern als CoSim auf Personenbasis - mit den üblichen Folgen. Will sagen: Wird eine Figur getroffen so ist sie häufig genug "ausgeschaltet" oder gleich tod.

Also Nein - ich denke das man sehr wohl von einer Spielwelt simualtion ausgehen kann. Die Angriffswürfe von Spielsystemen "siumlieren" durchaus die Fähigkeiten der Figur, auch eine Simulation kann die Realität nicht immer vorraussagen (ansosnten wäre die Firma in welcher ich arbeite nicht so groß). Ich denke was Simulationisten eher wollen ist das RSP Systeme "glaubwürdig" sind.

Wenn ich ein reines Storytellersystem benutze - am besten eines ohne jede Würfellei oder Kartenziehen bin ich weit weg von einer Simulation. Je Regellastiger es wird umso näher kann ich an einer Simulation dran sein.

Schliesslich sehen die meisten Siumlationsprogramme im innern (ich möchte an der Stelle eher sagen "komm jezt nicht mit Randproblemen") ziemlich einfach das d(x1)=d(x0)+dz erinnert das vieleicht etwas an w20+x = THAC0 ?

Ich möchte jedenfalls im Rollenspiel keine wirkliche Simulation spielen.

Offline tartex

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Aber wie wichtig ist das wirklich? Das Publikum identifiziert ich mit "Indy", weiß aber genau, dass er nicht sterben kann. Man kann also Spannnung spüren, ohne dass alles auf dem Spiel steht. Das ist ja auch das Prinzip hinter Success-at-a-Cost.

Tja, aber ich kann genresimulationistisch spielen und trotzdem noch Immersion erleben. Das ist für mich der Sweet Spot.

Ansonsten wäre eine Prämise für Genresimulationismus ja: Genresimulationismus steht Immersion diametral entgegen und schließt sie aus.
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Offline Alexandro

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Ich persönlich grenze Emulation von Simulation folgendermaßen ab: Emulation sieht einen bestimmten Sachverhalt als Black Box und ahmt das Verhalten der Black Box auf äußere Stimuli nach. Simulation modlliert auch innere Prozesse. Aber ist keine Duden-Definition, also mit Sicherheit strittig.

Diese Abgrenzung ist problematisch, da man praktisch immer noch weiter reinzoomen und das ganze feingranularer betrachten kann. Ebenso wie man immer sagen kann "Ja, ich lege halt einen Ergebnisraum fest, aber innerhalb dieses Ergebnisraums ist alles offen - deswegen ist es Simulation und keine Emulation", wie es Maarzan tut. Ich denke dass man die beiden Sachen nicht trennsauber abgrenzen kann (was auch damit zusammenhängt, dass "Emulation" in der deutschen Sprache sowieso nur eine spezialisierte Form der Simulation ist).

Persönlich denke ich, dass "Simulationismus" und "Simulation" zwei verschiedene Paar Schuhe sind, die nur zufällig ähnlich klingen. Vermi hat das recht gut geklärt, als er SIM als "Erlebnisrollenspiel" (in Abgrenzung zum "Gestaltungsrollenspiel" NAR und dem "Spielrollenspiel" GAM) bezeichnet hat - es geht primär darum, zu sehen was als nächstes passiert. Wie man entscheidet, was als nächstes passiert (hochkomplexe Regeln, die den Ergebnisraum möglichst genau definieren; ein starker Erzähl-SL; ein einfaches System, welches den wesentlichen Handlungsrahmen vorgibt (z.B. die Winter-Events bei Pendragon); etc.) kann dabei unterschiedlich sein. SIM setzt darauf, dass der GMV möglichst detailliert ausgestaltet wird (während dieser bei NAR zwar auch wichtig ist, aber nachrangig hinter der Struktur der Geschichte, und bei GAM hinter der Struktur der Regeln, kommt).
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Blechpirat

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Diese Hürde ist zu schnell genommen.

Die Zielsetzung ist eher: Wir schrauben so lange daran rum, bis die Regeln für vergleichbare Situationen keine deutlich unplausiblen Ergebnisse mehr liefern (aber nicht so lange, bis sie alle plausiblen Ergebnisse in guter Annäherung der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten liefern).

Ich glaube, dass nach der Definition kein System mehr übrig bleibt, dass deine Definition erfüllt. Aber vielleicht kannst du ja eines benennen, um den Gegenbeweis zu erbringen? Ich tippe mal, dass spätestens bei "Waffenschaden" fast alle Systeme rausfliegen.

Und grundsätzlich zur Simulation:
Doch, genau das können wir mit Regeln tun.
Als klassisches Beispiel liefern Kampfregeln einen tatsächlichen Verlauf, den wir nicht a priori/theoretisch vorhersehen können. Und auch mit einer allgemeineren mathematischen Betrachtung erhalten wir Erwartungswerte & Co., aber nicht das konkrete Einzelergebnis eines Anwendungsfalles.

Dass Rollenspielregeln für eine Simulation nicht komplex genug sein können, ist schlicht falsch. Wir wählen im Vorfeld den gewünschten Detailgrad und alles unterhalb dieser Auflösung geht im Rauschen des Zufallsgenerators unter. Die Frage ist dabei nur, ob der Detailgrad für den gewünschten Zweck ausreichend ist und nicht, ob die Simulation absolut perfekt ist. Eine perfekte Simulation gibt es nämlich auch am Rechner nicht und das hält niemanden davon ab, mit passend konstruierten Modellen erfolgreich zu simulieren.

Jedes Modell ist in seiner Leistungsfähigkeit begrenzt, aber das ist keine Grundlage dafür, sich hinzustellen und zu sagen, dass genau deswegen alle Modelle zwingend völlig untauglich wären und man daher den Versuch gar nicht erst unternehmen sollte.
Deshalb stellte ich ja die Definition von Wikipedia voran: Simulation ist, wenn nicht mit Formeln beschreibbar. Du so: "Aber ich hab ja eine Formel!".

In deinem Beispiel auch nicht ein Kampf simuliert, sondern der Einfluss der Spielweltphysik (ggf. inkl. Magie) auf den Kampf "abgebildet". Das ist aber von einer Simulation weit weg. Es werden nur ausgewählte Aspekte betrachtet, und diese auch noch sehr grob. Zudem mit einer Verschiebung, die die PCs normalerweise gewinnen lässt.

Insofern wäre es - und jetzt kommt die Kurve zum OP (endlich!) - sehr spannend mal zu untersuchen, welche Tendenzen denn in ein konkretes "simulationistisches" System eingebaut wurden, die von einer realweltlichen Physik abweichen. Guckt man sich frühes D&D an, dann wäre das z.B. die Abstaktion Waffenschaden und Hitpoints, die es praktisch (ja, ich weiß, dass früher Hitpoints auf Level 1 ausgewürfelt wurden) ausschließen, dass jemand von einem Dolchstoß sterben kann, ein Schwert hingegen zumindest in den niederen Leveln tödlich bleibt. Dann stellt sich ja die Frage, welche Implikationen es für das entstehende Spiel hat. Wenn ich z.B. weiß, dass ich mindestens zwei erfolgreiche Angriffe des Gegners aushalte, handle ich in einer Kampfsituation anders, als in einer realistischen, wo ich schon durch einen Kratzer mit einer rostigen Klinge an Wundbrand versterben könnte.

Offline unicum

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Deshalb stellte ich ja die Definition von Wikipedia voran: Simulation ist, wenn nicht mit Formeln beschreibbar. Du so: "Aber ich hab ja eine Formel!".

Du klebst etwas zu sehr an der Wikipedia,... Für alles was Simuliert wird brauchst du eine Formel, sonst kannst garnicht erst anfangen. Die Sache mit der Simulation, hauptsächlich der Computersimulation ist der Rechenaufwand. Hier insbesondere die immense anzahl von, eigentlich meist sehr, sehr einfachen, berechnungen.
Am Beispiel: es gibt keine Formel was passiert wenn ein Auto mit 50 kmh auf einen Betonpfeiler mit 0 kmh knallt. Aber es gibt die Formeln für Energieerhaltung (hier kinetische Energie) und mechanische Spannungen im Material - und den ersten Hauptsatz der Konstruktion: Wo ein Teil ist, kann kein anderes sein. Ich hab also alle Formeln die ich brauche, aber so ein Auto ist verdammt komplex,... es besteht aus 12 Millionen Punkten für die ich jede 1/10 MilliSekunde die Position, die geschwindigkeit in relation zu seinen Nachbarn berechnen muss.
Also nicht die Formeln machen eine Simulation aus sondern die Komplexität der Systeme. (das auto fährt also etwa 1m in 12 Stunden bei 64 Pentium-133 Prozuessoren (war Stand 2000 rum oder so)

Insofern wenn ich ein System vereinfache (was ich in der Simulation durchaus darf, etwa den tankdeckel am Auto weglassen der immerhin auch 2.500 Punkte hat) kann ich durchaus es in eine einfachere Formel bringen. Prinzipilell sind viele der Formeln der klassischen newtonschen Mechanik genau das - Simulationsgleichungen für einafche Dinge. Insofern vereinafche ich einen Menschen mit seinen Knochen und Organen zu "Trefferpunkten", seine fertigkeit Schaden auszuteilen zu einer "Fertigkeit-Schwert" und seine Fertigkeit schaden auszuweichen/zu wiederstehen in "Rüstung" - oder wie auch immer.

Das nur am Rande. Jedenfalls denke ich das eine Simulation was Rollenspiele betrifft nicht unbedingt etwas mit einer Simulation aus der technik zu tun haben muss.

Ps: Phoenix Command hat auf seinr Schadenstabelle für einen "Streifschuss am Herzen" etwa 100.000 Schadenspunkte - wie schade das der normale Mensch gerade mal einen Teiler von 60 oder so haben kann (normal ist 23 oder so - ist aber Jahre her das ich PhoenixCommand in den Keller geräumt habe). Direkt daneben steht beim Treffer übrigens "Instant Death"

Offline Blechpirat

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Naja, ich hab mir immerhin die Mühe gemacht, den Begriff der Simulation zu definieren. Du eher nicht :)

Aber der Duden hat auch eine schöne Erklärung der Herkunft:

Zitat
lateinisch simulatio = Vorspiegelung, zu: simulare, simulieren
(Duden)

Und dann passt es ja wieder...

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Das ist aber von einer Simulation weit weg. Es werden nur ausgewählte Aspekte betrachtet, und diese auch noch sehr grob.

Wenn du schon so hartnäckig auf den Wikipedia-Artikel verweist, tue ich das hiermit auch :)

Dort ist explizit die Rede davon, dass ein Modell bzw. eine Simulation notwendigerweise begrenzt ist, manches grob vereinfacht/vereinfachen muss und daher auf den jeweiligen Zweck zugeschnitten sein muss.

Man kann ohne Weiteres z.B. bei Crashtests, medizinischen Simulatoren, Fahrsimulationen, AGSHP oder AGDUS Aspekte finden, die nicht oder nicht ausreichend dargestellt werden (können) und so die Simulation in ihrer Leistungsfähigkeit begrenzen. Das heißt aber wie gesagt nicht, dass sie nutzlos wären.
Man muss sich nur bewusst sein, was man damit erreicht und was eben nicht - und das "Verpasste" auf anderen Wegen vermitteln.

Aber vielleicht kannst du ja eines benennen, um den Gegenbeweis zu erbringen? Ich tippe mal, dass spätestens bei "Waffenschaden" fast alle Systeme rausfliegen.

GURPS ist insofern ein mittelprächtiges Beispiel, weil man das in Eigenleistung in diesen Zustand versetzen muss (auch wenn es einem dabei brauchbare Hilfestellungen gibt) - es hat ja keinen "Urzustand".
Millennium's End kann es mit kleinen Änderungen - ohne kompliziert zu sein.
Twilight 2013 kann das (bei Nutzung bestimmter Optionen, die aber eindeutig erläutert sind).
Und nach unten raus gibt es z.B. MongoTraveller 2nd, wo man schon ziemlich in den Krümeln suchen muss, um grobe Unstimmigkeiten zu entdecken. Dabei ist das wohlgemerkt eine extrem minimalistische Konstruktion*, was der Erfüllung der Anforderung aber eher hilft als ihr zu schaden.

Zahlreiche andere Systeme kann man mit kleinen Änderungen so weit bringen, dass sie meine obige Anforderung erfüllen (die ich nebenbei als nicht sonderlich hoch gesteckt empfinde). Sobald es etwas abstrakter und grobkörniger wird, ist man da ja fast automatisch auf der sicheren Seite.
Selbst wenn man sehr kleinteilige Kritik hinsichtlich der Wahrscheinlichkeitsverteilungen anstellen will, merkt man schnell, dass es für vieles gar keine dafür brauchbare reale Datenlage gibt.

Was "Waffenschaden" angeht, können wir uns gerne per PN eine Weile im Kreis drehen. Die Bewertung "alles voll doof und unrealistisch" oder gar "Waffenschaden gibts in echt gar nicht!" ist jedenfalls zu weit verkürzt und zäumt das Pferd oftmals von hinten auf.

Davon ab können selbst Hitpoints, die es tatsächlich nicht gibt, richtig aufgezogen ein taugliches Modell sein: Wenn ich ausgehend von einem bestimmten Input ein plausibles Ergebnis bekommen will, muss ein Modell nicht mal den "echten" Weg gehen, solange es mir zur tatsächlichen Erfahrung passende Ergebnisse liefert. Das ist nicht nur im Spieldesign gang und gäbe. 


*Deswegen geht es mir auch so ein bisschen auf den Keks, dass beim Stichwort Simulation immer reflexartig auf Phoenix Command verwiesen wird - weder ist dieser Komplexitätsgrad notwendig noch ist Phoenix Command ein gutes Modell sowohl was die konkrete Gestaltung als auch den Output angeht.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Blechpirat

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So langsam scheinst du da anzukommen, wo ich diskutieren möchte. Denn wenn man erstmal
Davon ab können selbst Hitpoints, die es tatsächlich nicht gibt, richtig aufgezogen ein taugliches Modell sein: Wenn ich ausgehend von einem bestimmten Input ein plausibles Ergebnis bekommen will, muss ein Modell nicht mal den "echten" Weg gehen, solange es mir zur tatsächlichen Erfahrung passende Ergebnisse liefert. Das ist nicht nur im Spieldesign gang und gäbe. 

akzeptiert hat, dann ist ja klar, dass man nicht einfach "Realität" simuliert. Sondern "Simulation" ist in unserem Fall ein Ablauf, der Ergebnisse produziert, die bestimmte Bedingungen erfüllen, die wir für unser Spiel brauchen. Diese Ergebnisse müssen und können nicht dem Entsprechen, was in der Realität passieren würde, sondern sie erfüllen bestimmte Anforderungen an die Plausibilität der Ergebnisse (wobei umfangreiche Formeln den Anschein der Plausibilität vermitteln können) aber auch der Spielbarkeit und anderer Ziele, die sich ein Designer gesetzt haben mag.

Und welche das sind, ist eigentlich die spannendere Frage, aber das ist jetzt eher so meine Meinung.

Offline YY

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An dem Punkt war ich von Anfang an wtf?

Man kann nicht einfach hergehen und sagen: "Ich bilde die gesamte Realität möglichst gut ab." Das wird ein Haufen Schrott, weil ich für ein gutes Modell zuerst meine Anforderungen definieren muss.
Genau deswegen ist die Kritik "Das ist ja aber gar keine perfekte Abbildung der Realität" völlig daneben. Das erzähle ich doch die ganze Zeit.


Ansonsten:
Es gibt eine Gruppe von Simulationen, deren Ergebnisse (nicht deren Verläufe) explizit dem entsprechen sollen, was in der Realität passieren würde - das gehört da zu den Anforderungen.
Und doch, das können sie liefern. Nicht perfekt, aber in ausreichender Näherung.


Und welche das sind, ist eigentlich die spannendere Frage, aber das ist jetzt eher so meine Meinung.

Da gibt es leider nicht viel zu diskutieren oder zu ergründen. Sonderlich weit über "kommt drauf an" bzw. "ihr müsst selber wissen, was euch wichtig ist" kommt man da nicht hinaus.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Lord Verminaard

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Die Klassifizierung von pbtA als simulationistisch (ausgerechnet! Vincent Baker würde sich im Grabe umdrehen, wenn er schon tot wäre ;D) zeigt an dieser Stelle recht schön das Dilemma und auch die Unzulänglichkeit der GNS-Kategorien insbesondere im Grenzbereich zwischen High Concept Simulationism und Vanilla Narrativism. Natürlich kann man jetzt durch die hochabstrakten Abgrenzungskriterien hecheln (adressiere ich die Prämisse? Mache ich ein Statement?) aber in concreto am Spieltisch ist der Unterschied dann kaum an irgendwas greifbarem festzumachen, Instance of Play hin oder her.

Ebenso zeigst du auf, wie absolut grundverschiedene und miteinander unvereinbare Spielstile von GNS unter Sim zusammengefasst werden. (Edit: Am Rande sei hingewiesen auf den anderen Grenzbereich, eben zu Gam, wo gerade im Wargaming-nahen Bereich ja auch sehr rigoros simuliert wird.)

Die einzige Frage, die sich mir dabei stellt, ist, warum du an Simulationismus als Katergorie überhaupt festhältst?
« Letzte Änderung: 22.08.2019 | 17:04 von Lord Verminaard »
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Offline Maarzan

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Nach meinem ersten Eindruck ist das was du mit Simulation benennst gerade keine Simulation. Simulieren können wir nicht, da die Regeln eine entsprechende Komplexität nicht erreichen können. Wikipedia definiert Simulation als: "Die Simulation oder Simulierung ist eine Vorgehensweise zur Analyse von Systemen, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu komplex sind. " - Regeln sind aber genau dieses Formeln.

Evtl. ist Gurps daher eine Emulation?Wir emulieren eine (mehr oder minder realweltliche) Physik in der Spielwelt. (aka: Wir fummeln was hin, bis ähnliche Ergebnisse herauskommen könnten).

Du hast den Artikel missverstanden.
Wenn man die Realität, d.h. ein system nicht direkt in einer übergreifenden großen Erklärung oder Formel beschreiben kann, dann baut man ein vereinfachtes Modell und zerlegt das Problem in kleinere beherrschbare Elemente und damit Regeln.
Ziel ist es aber weiterhin das entsprechende Verhhalten des Originalsystem bestmöglich nach zu bilden - im Rahmen des möglichen Aufwands und den eigenen Fähigkeiten das passend zu bauen. Eine (notwendige) Simulation hat also immer Fehler aber das Ziel ist möglichst wenige davon im Rahmen der Möglichkeiten.

Die Emulation interessiert sich hier nicht wirklich für die Hintergründe, Funktionen und Fehler, sondern lediglich für eine passende Erscheinung nach außen.

Diese Abgrenzung ist problematisch, da man praktisch immer noch weiter reinzoomen und das ganze feingranularer betrachten kann. Ebenso wie man immer sagen kann "Ja, ich lege halt einen Ergebnisraum fest, aber innerhalb dieses Ergebnisraums ist alles offen - deswegen ist es Simulation und keine Emulation", wie es Maarzan tut. Ich denke dass man die beiden Sachen nicht trennsauber abgrenzen kann (was auch damit zusammenhängt, dass "Emulation" in der deutschen Sprache sowieso nur eine spezialisierte Form der Simulation ist).

Persönlich denke ich, dass "Simulationismus" und "Simulation" zwei verschiedene Paar Schuhe sind, die nur zufällig ähnlich klingen. Vermi hat das recht gut geklärt, als er SIM als "Erlebnisrollenspiel" (in Abgrenzung zum "Gestaltungsrollenspiel" NAR und dem "Spielrollenspiel" GAM) bezeichnet hat - es geht primär darum, zu sehen was als nächstes passiert. Wie man entscheidet, was als nächstes passiert (hochkomplexe Regeln, die den Ergebnisraum möglichst genau definieren; ein starker Erzähl-SL; ein einfaches System, welches den wesentlichen Handlungsrahmen vorgibt (z.B. die Winter-Events bei Pendragon); etc.) kann dabei unterschiedlich sein. SIM setzt darauf, dass der GMV möglichst detailliert ausgestaltet wird (während dieser bei NAR zwar auch wichtig ist, aber nachrangig hinter der Struktur der Geschichte, und bei GAM hinter der Struktur der Regeln, kommt).

Die Emulation kann und will eben nicht hineinzoomen, denn sie hat da nichts hinter der Kullisse, außer einem Männchen, das passende Fäden innerhalb des gewünschten Ergebnsiraums nach ggf eigenen Verteilungsvorstellungen zieht.
Der angestrebte Ergebnisraum der Simulation wäre idealerweise derjenige des Originalsystem, welches man modelieren will mit möglichst gleicher Verteilung.
Eine Simulation bedarf also auf jedenfall ausreichender Regeln (enstprechend managebaren Aufwand zu akzeptiertem Fehler) aber immer mit entsprechender Zielsetzung Setting = modelliertes System hat Priorität.

Ich glaube, dass nach der Definition kein System mehr übrig bleibt, dass deine Definition erfüllt. Aber vielleicht kannst du ja eines benennen, um den Gegenbeweis zu erbringen? Ich tippe mal, dass spätestens bei "Waffenschaden" fast alle Systeme rausfliegen.
Deshalb stellte ich ja die Definition von Wikipedia voran: Simulation ist, wenn nicht mit Formeln beschreibbar. Du so: "Aber ich hab ja eine Formel!".

In deinem Beispiel auch nicht ein Kampf simuliert, sondern der Einfluss der Spielweltphysik (ggf. inkl. Magie) auf den Kampf "abgebildet". Das ist aber von einer Simulation weit weg. Es werden nur ausgewählte Aspekte betrachtet, und diese auch noch sehr grob. Zudem mit einer Verschiebung, die die PCs normalerweise gewinnen lässt.

Insofern wäre es - und jetzt kommt die Kurve zum OP (endlich!) - sehr spannend mal zu untersuchen, welche Tendenzen denn in ein konkretes "simulationistisches" System eingebaut wurden, die von einer realweltlichen Physik abweichen. Guckt man sich frühes D&D an, dann wäre das z.B. die Abstaktion Waffenschaden und Hitpoints, die es praktisch (ja, ich weiß, dass früher Hitpoints auf Level 1 ausgewürfelt wurden) ausschließen, dass jemand von einem Dolchstoß sterben kann, ein Schwert hingegen zumindest in den niederen Leveln tödlich bleibt. Dann stellt sich ja die Frage, welche Implikationen es für das entstehende Spiel hat. Wenn ich z.B. weiß, dass ich mindestens zwei erfolgreiche Angriffe des Gegners aushalte, handle ich in einer Kampfsituation anders, als in einer realistischen, wo ich schon durch einen Kratzer mit einer rostigen Klinge an Wundbrand versterben könnte.

Nicht mit einer geschlossenen Formel beschreibbar.
Entsprechend ist alles, was genau darauf abzielt das System zu modellieren Simulation.  Mit dem unerreichbarten Limit Fehler = 0 für die Simulation zeigt sich mit dem abnehmenden Fehler lediglich noch die Güte der Simulation ... was "sehr schlecht" leider mit einschließt, aber auch viele Fälle von "als Abstraktion für Spielzwecke meinen Geschmacks ausreichend".


Und in GNS war S sowieso die Müllhalde für den ungeliebten Rest, also musste da auch alles andere mit reingepresst werden.

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline KhornedBeef

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Korrekt erklärt. Die Bewegung eines Sandkorns kannst du direkt formelmäßig beschreiben, einen Sandkasten kannst du entweder ganz abstrakt beschreiben, durch so etwas wie Zustandsgrößen, oder simulieren. Das Ergebnis der Stimulation (wo ist weiches Korn) lässt sich dann aber nicht durch Gesetze beschreiben.
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