@Whisp Die Begriffe Tugendethik, Deontologie und Teleologie habe ich damals ganz anders gelernt; da möchte ich nachhaken.
Tugendethik: im Sinn des Aristoteles stellt eine Tugend die (gerechte) Mitte zwischen zwei extremen Charaktereigenschaften dar. Mut bspw. ist die tugendhafte Mitte zwischen den Extremen Feigheit und Tollkühnheit; Großzügigkeit die Tugend zwischen Geiz und Verschwendung; usw. Ohne den Einsatz der eigenen Vernunft und viel praktischen Übens sind Tugenden nicht erreichbar. Deine Beschreibung der Paladin-Rolle als blindes Umsetzen der Befehle eines Gottes mit Feuer und Schwert scheint mir damit nichts zu tun zu haben - mehr noch: das blinde Ausführen von Gottesbefehlen scheint mir mit keiner Ethik etwas zu tun zu haben.
Ein tugendethischer Paladin würde immer noch dem (gerechten) Maß in seinem Handeln streben. Er würde z. B. mit seiner Hilfe nicht geizen, aber sich auch nicht ausnutzen lassen. Er würde nicht grausam sein, aber Strafen, wenn es die Gerechtigkeit fordert; usw. Man könnte sogar dafür argumentieren, dass dieser Paladin keinen Gott und keinen Eid braucht (oder haben kann?).
Auf der Ebene des Spielers stellt sich die Frage, welche Tugenden für den Spieleabend gefordert sind. Fairness beim spotlight könnte eine sein. Dann hieße es: stelle dich nicht immer in den Vordergrund (auf Kosten der anderen), aber nimm dir auch das spotlight, das dir zusteht. Mit dem Befolgen allgemein akzeptierter Regeln hat das erst einmal nichts zu tun (siehe hier vielleicht Habermas' Diskurs-Ethik). Vielmehr muss der tugendethische Spieler stets abwägen, wie das gerechte Maß in seinem Verhalten aussieht.
Deontologie bzw. Pflicht-Ethik: "Handle stets so, dass die Maxime deines Handelns jederzeit zugleich als allgemeine Gesetzgebung dienen könnte (frei nach Kants kategorischem Imperativ)". Also: welche Absicht habe ich und könnte diese Absicht als allgemein gültiges Gesetz fungieren? Beispiel 1: Ich will stets Menschen in Not helfen. Das könnte ein allgemeines Gesetz sein, ohne, dass es zu Widersprüchen der Logik oder meines Eigeninteresses führt - daher ok. Beispiel 2: Ich will mich stets bereichen, egal ob andere dabei zu Schaden kommen. Das könnte kein allgemeines Gesetz werden, denn wenn sich jeder verhalten würde wie ich, dann nähme ich dadurch Schaden. Das steht im Widerspruch zu meinem Eigeninteresse - daher nicht ok.
Du hast recht, Whisp, wenn du sagst, dass diese Überlegungen unabhängig von Kontexten sind (zumindest ihrem Anspruch nach); ich wollte es nur etwas präzisieren.
Auf Charakterebene muss sich der Paladin also die Frage stellen: Welche Absicht verfolge ich mit der Bestrafung des Diebs? Kann diese Absicht allgemein verbindlich sein? Den Dieb bspw. davon abzubringen, weiterhin zu stehlen, scheint mir auf den ersten Blick ein guter Kandidat für eine moralische Pflicht zu sein.
Übrigens: Dieser Paladin hätte vielleicht sehr wohl einen Eid, aber ob er sich der spezifischen Moral eines spezifischen Gottes anschließen würde, bezweifle ich.
Auf Spielerebene muss sich der deontologische Spieler fragen, welche Absicht er verfolgt. Die Absicht, seinen Charakter auf biegen und brechen ausspielen zu wollen, wird - vermute ich - dem Verallgemeinerungsanspruch nicht standhalten können. Der Spieler des Diebs sollte sich die Frage aber ebenfalls stellen.
Teleologie schließlich ist keine Ethik/Moral, sondern eine metaphysische Annahme. Sie stammt ebenfalls von Aristoteles und dient unter anderem der Rechtfertigung seiner Tugendethik. Die Idee dahinter ist, ganz grob, dass jedem Ding ein Zweck innewohnt, den zu erreichen für das Ding naturgemäß ist. Dem Samenkorn liegt bereits im Wesen, ein Baum zu werden. Wird es ein Baum, dann lebt es richtig. Auch dem Menschen wohnt ein Zweck inne, nämlich glücklich/glückselig zu sein. Wie erreicht er diesen? Durch Tugend; siehe Tugendethik.