Das ist mir zu breit und damit unbrauchbar.
Das ist wie wenn einer sagt: dein Spiel muss mehr von der Physik lernen.
Dann kommt die Antwort: Wieso, ich habe Schwerkraft, <noch ein Dutzend Dinge>, was willst du noch ?
Naja, weißt du, Physik findet am Spieltisch nur mittelbar in Erzählung und Regeln statt.
Ganz im Gegensatz dazu ist Rollenspiel aber unmittelbar:
1. Ein Medium (Medienwissenschaften, Psychologie)
2. Eine Kommunikationssituation (Sprachwissenschaft, Psychologie)
3. Eine Performance (Theaterwissenschaft)
4. Eine soziale Aktivität (Soziologie)
5. Ein Spiel (Game Studies)
Das heißt effektiv, dass Rollenspiel natürlich mit dem Instrumentarium dieser Wissenschaften beschreibbar ist. Es ist einfach anzunehmen dass Rollenspiel eben nicht derartig fundamental anders funktioniert als alle anderen Medien, Kommunikationssituationen, etc. Und wenn wir dann in die Ratgeberliteratur schauen, stellen wir fest, dass sich diese konkreten Praxistipps oft genug auf ein theoretisches Fundament stellen und zwar nicht eines, dass jemand sich mal eben in der Forge aus dem Arsch gezogen hat.
Als Beispiel mag hier der „Monomythos“ herhalten: Das Konzept geht auf den Literaturwissenschaftler Joseph Campbell zurück, der den Begriff geprägt hat, um Geschichtsstrukturen der Mythologien verschiedenster Kulturen zu beschreiben und die Gemeinsamkeiten zu finden. Dazu schrieb er das Werk „The Hero with a Thousand Faces“. Aus Campbells theoretischem Ansatz entwickelte dann Christopher Vogler einen praktischen Drehbuchratgeber: „The Writer‘s Journey“. Der nimmt Campbells Monomythos-Struktur und Carl Gustav Jungs Archetypenlehre und macht sie zum Grundgerüst beim Schreiben von Drehbüchern.
Und, guess what: Voglers Ansatz ist ein Standardwerk in Hollywood. Seine Formeln werden bis heute angewendet. Nicht in jedem Film, aber selbst eine Abweichung vom Monomythos mag seine Faszination daraus ziehen, dass er eine Abweichung vom Monomythos darstellt.
Und klar hat Voglers Werk auch andere Drehbuchtheoretiker, wie etwa Blake Snyder, beeinflusst. Und auch Denker, die sich mit anderen Medien beschäftigen. Zum Beispiel mit Comics („Understanding Comics“ von Scott McCloud). Oder mit Fernsehserien (Dan Harmon‘s Story Circle).
Oder eben Rollenspielschaffende (Jörg D. Und die Teilzeithelden haben u.a. darüber gebloggt). Und der „Monomythos“ ist, weil er auf alle Kulturen und deren Mythen übertragbar ist, das Breiteste auf der Welt... und er hilft doch in ganz spezifischen Situationen enorm. Auch konkret. Am Spieltisch.
Ferner: Um zu bewerten, ob die Antworten, die uns diese Wissenschaften zu Rollenspiel geben können, wirklich zu breit sind, wirst du vielleicht schon auch eine Frage stellen müssen. Also, stelle eine Frage.